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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Furtwängler, Adolf: Zum betenden Knaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0234

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2l8

Furtwängler, Zum betenden Knaben.

Es ist wol Schuld dieser Beschreibung, dafs ein so schönes und gerade für
Berlin bedeutendes Denkmal bisher nicht weiter bekannt geworden ist.

Der Stein ist ein Carneol der schönsten Art, ganz durchsichtig und von
tiefer, glühend rother Farbe. Die Arbeit ist von gröfster Sorgfalt und Feinheit, so
dafs trotz der Kleinheit der Figur — der gröfste Durchmesser des Steines beträgt
nur n Millim. — alles Einzelne, namentlich aber der eigentliche Torso auf’s
schönste ausgebildet ist. Natürlich kann ein einfacher Holzschnitt, wie wir ihn hier
bieten, dies nicht alles wiedergeben; doch sind Abdriicke der Stoschischen Samm-
lung ja sehr verbreitet. An dem antiken Ursprunge des Steines zu zweifeln diirfte
nach unserer Ansicht ganz unerlaubt sein.

Dargestellt ist ein Jüngling mit erhobenen Armen. Die Ähnlichkeit mit
dem betenden Knaben ist in die Augen springend und bestätigt sich bei genauerem
Vergleiche. Beide Figuren stehen mit erhobenen Arrnen ruhig aufrecht auf dem
linken Beine1 und haben das rechte entlastet daneben gesetzt.

Haben wir Grund zu sagen, dafs unsere Gemme nach der erhaltenen in
Berlin befindlichen Statue des betenden Knaben gearbeitet ist? Um diese Frage
zu entscheiden, gehen wir auf die Unterschiede näher ein, die doch zwischen bei-
den obwalten.

Diese sind dreierlei Art. Die einen lassen sich aus den Beschränkungen
erklären, welche die Technik dem Gemmenschneider auferlegte, so vor allem die
Flaltung der Arme. Auf der Gemme mufsten dieselben höher gehoben werden,
weil sie sonst bei der gewählten Vorderansicht in starker Verktirzung hätten gege-
ben werden müssen, was schwierig und überdies häfslich gewesen wäre; auch
durften die Arme nichts vom Körper verdecken. Wenn ferner der Kopf auf der
Gemme fast geradeaus zu blicken scheint und kaum gehoben ist, so mag auch das
ein aus der Technik zu erklärender Verzicht sein, welche gebot, alle Verkürzungen,
namentlich in dieser Kleinheit, zu meiden2.

Ein anderer Unterschied ist dagegen wol darauf zurückzuführen, dafs die
Arme des betenden Knaben nicht die antiken sind, und wenn letztere uns erhalten
wären, wiirde der Unterschied vermuthlich gar nicht bestehen. Es betrifft dieser die
Flaltung der Hände. Auf der Gemme sind die beiden inneren Handflächen nach
aufsen gewandt. Dies ist die durch zahlreiche Denkmäler zweifellos erwiesene Hal-
tung beim Gebete im Alterthum; mag der oder mögen die Arme mehr oder we-
niger hoch erhoben sein, immer wird doch die innere Handfläche nach aufsen ge-
wendet. Die Restauration der Bronzestatue, die wir in diesem Punkte also als
fehlerhaft erklären, läfst die inneren Handflächen nach innen, nach der Figur selbst
gewandt sein.

x) Bei Vergleichung cler Gemme ist natürlich cler
Abclruck zu Grunde gelegt. Auch unsere Zeich-
nung ist nach dem Abdruck gemacht.

2) Ich bemerke, dafs sich neben der (im Abdruck)

rechten Kopfseite des Jünglings ein Versehen
cles Graveurs findet, dessen Instrument hier aus-
geglitten scheint, so dafs der Hals hier viel zu
dick geworden ist.
 
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