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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

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Furtwängler, Adolf: Zum betenden Knaben
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Puchstein, Otto: Zum betenden Knaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0235

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Puchstein, Zum betenden Knaben. 2IC)

Danach könnte also unser Gemmenbild sehr wohl auf die Statue zurück-
gehen. Hiergegen spricht nun aber der dritte wesentlichere, tiefer greifende Unter-
schied zwischen beiden. Das gesammte stilistische Gepräge ist ein anderes auf der
Gemme, ein anderes in der Statue. Die Sorgfalt, mit welcher erstere ausgeführt
ist, die scharfe bewufste Art, mit welcher gerade die charakteristischen Züge be-
handelt sind, läfst es nicht zu, bei dem Gemmenschneider nur ein unwillkürliches
Einmengen seiner eigenen stilistischen Gewohnheiten in sein Vorbild zu erkennen;
wir müssen vielmehr zugeben, die Gemme will eine von der Statue stilistisch
durchaus verschiedene Figur wiedergeben.

Und zwar eine, die im Motive zwar mit dem betenden Knaben übereinstimmt,
im Stile aber wesentlich ältere Züge trägt. Die Statue stellt in meisterhafter Voll-
endung die weichen vollen Formen eines Knaben dar, die alle durch sich rundende
Ubergänge ineinander verschmolzen sind, etwa so wie wir dies auch an den besten
Repliken des Apollon Sauroktonos finden. Die Gemme zeigt uns die klar umschrie-
bene und scharf sich absetzende Muskulatur eines gereifteren jugendlichen Körpers,
die jener Rundung und Weichheit entbehrt und vielmehr dem polykletischen Ideale
sich nähert3. Flieran reiht sich die Verschiedenheit des Kopfes, der an der Statue
verhältnifsmäfsig viel kleiner ist als auf der Gemme. Und auch ein Unterschied in
der Stellung des entlasteten rechten Beines gehört in diesen Zusammenhang. Das-
selbe schliefst sich bei der Statue näher an das Standbein an, während es hier,
weniger elegant aber der Weise älterer Statuen entsprechender, etwas mehr zur
Seite gesetzt ist.

So gewinnen wir also durch unsere Gemme, wie es scheint, die Vorstellung
von einer älteren Stufe derselben Composition, die uns in der schönen Statue des
Berliner Museums erhalten ist. Das dürfte uns nicht wundern; denn das Thema,
die Statue eines jugendlichen betenden Siegers, war ganz gewifs schon früheren
Kiinstlern gestellt worden, als dem wir jene verdanken.

A. Furtwängler.

ZUM BETENDEN KNABEN.

Durch die Untersuchung über die Herkunft des Betenden Knaben (oben
S. i ff.) ist endlich erwiesen, dafs die früheren Angaben von einem Funde in ITercu-
laneum oder in Rom etwa im Tiberbette ganz grundlos erfunden sein miissen. Mag
es nunmehr, nachdem das Richtige spät wieder entdeckt ist, fiir die Wiirdigung
unserer schönen Bronze keinerlei Vortheil gewähren, sich noch weiter um jene fal-
schen Traditionen zu lciimmern, so mufs doch ordnungsmäfsig versucht werden im

3) Man vergleiche namentlich die Brust mit ihren
kräftigen Muskeln und dem scharf absetzenden
unteren Rande, ferner den schrägen Bauclimuskel

über der Htifte. Unsere Abbiklung reicht zu
cliesen Vergleichen freilich nicht ganz aus.
 
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