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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 8.1893

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Heft 1
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Strzygowski, Josef: Das goldene Thor in Konstantinopel
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https://doi.org/10.11588/diglit.38776#0011
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DAS GOLDENE THOR IN KONSTANTINOPEL

Das Häusermeer von Stambul füllt ein Dreieck, welches, auf zwei Seiten
vom Meere bespült, auf der dritten von einem gewaltigen Mauerzuge abgeschlossen
wird. Dieser steigt vom goldenen Horn im Norden auf, überschreitet das Lykus-
thal und senkt sich dann allmählich nach dem Marmarameere. Seine mächtige
Hauptmauer und eine schwächere Vormauer, beide durch Thürme befestigt, davor
ein breiter Graben, alle drei einst sorgfältig im Stand gehalten, bilden jetzt ein
Ruinenpanorama von ca. 6800 m Länge, das, umsäumt von dem düsteren Grün der
vor den Thoren der Stadt über türkischen Gräbern ausgedehnten Cypressenhaine
und dem tiefen Blau des südlichen Himmels, durchwärmt von dem satten Licht der
glühenden Sonne des Orients, einen stimmungsvollen Reiz entfaltet, der sich dem
Gemüthe mehr noch als dem Auge unvergefslich tief einprägt.
Thore führen in grofser Zahl in’s Freie. Die meisten haben im Grundrifs
die Form eines n, die Strafsenöffnungen in der Mitte, mächtige Thürme an den
Seiten. Zu ihnen, die in der Anlage ausschliefslich aus byzantinischer Zeit stammen,
hat sich in den letzten Jahren ein neuer Einlafs als vorletzter gegen die Küste der
Propontis zu gesellt, schmucklos, rein dem modernen Zweck entsprechend. Und
doch hat er an Bedeutung alle anderen überflügelt. Dringt doch durch ihn jener
Schienenstrang, der den Balkan durchquerend europäische Cultur in das Herz des
Islam trägt. Mit Recht hat man bei Eröffnung der Orientbahnen darauf hingewiesen,
dafs damit auf friedlichem Wege eine Weissagung erfüllt sei, wonach der Besieger
asiatischer Barbarei durch das goldene Thor eindringen würde. Und in der That
führt der Schienenstrang hart an diesem vorüber in die Stadt. Der Reisende blickt
erwartungsvoll zu den beiden riesigen Marmorthürmen auf, die sich zu seiner Linken
zeigen, wenn er, am Gestade der Propontis entlang fahrend, die Flucht der Mauern
von Stambul zu Gesicht bekommt. Diese beiden Thürme sind die Pylonen des
goldenen Thores, der Akropolis von Konstantinopel in den Zeiten der Gefahr des
spätbyzantinischen Reiches.
Heute bildet die Porta aurea den Hauptstützpunkt der türkischen Mauer-
festung Jedi kule, des Schlosses der sieben Thürme. In byzantinischer Zeit war es
das Thor der Stadt xctx’ I;oyrjv, das Prunkthor, durch welches die Kaiser ihren
Einzug in die Stadt hielten. Von aufsen d. h. seinerzeit vom Hebdomon-Palaste
und dem Marsfelde her auf die Stadt zukommend, hatte man zunächst den Befesti-
gungsgraben zu überschreiten. Noch sind die Reste des Unterbaues einer Quader-
brücke erhalten, die einst über ihn hinweg führte. Dann stöfst man auf die Aufsen-
mauer, welche hier rechtwinklig vorspringt und mit einem einbogigen, heute durch
eine Holzthür verschlossenen Thorbaue versehen ist, den wir stets als Propylaion
Jahrbuch des archäologischen Instituts VIII. I
 
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