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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 14.1899

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Winter, Franz: Studien zur älteren griechischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41309#0087
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Winter, Studien zur älteren griechischen Kunst.

Bei den ersten Versuchen, eine Statue in Hohlgufs herzustellen, wird der Künstler ver-
mutlich darauf bedacht gewesen sein, der Gestalt eine solche Bildung zu geben,
die dem neuen Verfahren die geringsten Schwierigkeiten entgegensetzte. Als die
einfachste Aufgabe für den Hohlgufs läfst sich die Herstellung einer cylindrischen
Röhre aus zwei Hohlformen bezeichnen. Je mehr der Künstler die Figur einer
solchen ähnlich hielt, je mehr er Höhen und Tiefen auf der Oberfläche und ein
Loslösen einzelner Teile von dem Mantel der Röhre vermied, um so leichter und
sicherer mufste seine Arbeit sein.
Die Samische Figur ist wie in der Gesammtanlage so in der Einzeldurch-
führung in dieser einfachen Art gebildet. Der Künstler hat die einzelnen Teile eng
zusammengehalten. Auch die Falten am Gewände sind so ausgeführt, dafs die
Gleichmäfsigkeit der Oberfläche möglichst bewahrt ist. Für Einzelheiten ihrer Be-
handlung hat bereits Lechat29 darauf hingewiesen, dafs die Arbeit mehr der Metall-
technik als der Marmortechnik zu entsprechen scheine.
Die Statue ist auf Samos gefunden. Das beweist nicht an sich, wohl aber
im Zusammenhänge mit dem, was sich aus ihrer Formengebung erschliefsen läfst,
für ihren Ursprung30. Denn in Samos ist, der Überlieferung zufolge, von Rhoikos
und Theodoros die Erfindung des Bronzegusses gemacht. Alles führt darauf hin,
dafs dies in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts geschehen ist und dafs
das Neue im Wesentlichen darauf beruhte, dafs von den beiden Künstlern zum
ersten Male der Hohlgufs aus Stückformen für statuarische Werke zur Anwendung
gebracht wurde31.
Wir kehren nun zu den Terrakotten zurück. In ihrem Haupttypus, dem der
stehenden, langbekleideten weiblichen Figur, gleichen sie so völlig der Samischen
Statue, dafs man sie verkleinerte Nachbildungen von ihr nennen könnte. Bemerkens-
wert ist besonders die Entsprechung in einer Einzelheit, die Brunn an der Marmor-
figur hervorgehoben hat32: »Das Gewand berührt nach unten zu nicht einfach den
Boden, sondern breitet sich länger als der Körper ringsum wie fächerartig in ziem-
lich starker Ausladung aus und erinnert dadurch wieder an einen Baum, der mit
seinem Stammende breit auf dem Boden aufsitzt und sich dadurch als in demselben
festgewurzelt zu erkennen giebt.« Grade dieses ansprechendste Argument in der
Brunn’schen Hypothese wird durch die Terrakotten widerlegt. Wenn die Marmor-
statue wegen ihres vollen Schaftes immerhin einem Stamme ähnlich genannt werden
könnte, so sind die Thonfiguren mit ihrem hohlen Schaft wirkliche Röhren. Diese
Bildung beruht aber eben auf der Verwendung der Hohlform und grade darin, dafs
die Terrakotten mit Hohlformen hergestellt sind, liegt, wie schon bemerkt, der ent-
scheidende Fortschritt, den sie in der Entwickelung der Thonbildnerei bekunden.
Es braucht jetzt nur noch ausgesprochen zu werden, dafs die Anregung zu
dieser wichtigsten Neuerung die Erfindung des Rhoikos und Theodoros gegeben
29) Bulletin de correspondance hellenique 1890 S. 143. 31) Brunn, Griechische Kunstgeschichte II S. 66ff.
30) Anders urteilt Sauer (_Athen. Mitth. 1892 S. 47. 32) Über tektonischen Stil S. 514,
67 ff.).
 
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