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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 35.1920

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Amelung, Walter: Archaischer Jünglingskopf in Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.44574#0060
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W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

ins Graublaue.« Herr Dir. Brinckmann schreibt mir, daß er diesen Bemerkungen
im allgemeinen zustimmen könne, und ich habe mich selbst noch vor Drucklegung
dieses Manuskriptes von ihrer Richtigkeit überzeugt.
Über die Erhaltung des Kopfes belehren die Abbildungen deutlich genug.
Erwähnt sei nur, daß der Oberkopf nicht etwa besonders gearbeitet und angestückt
war. An der Art, wie der Hals unten stumpf abgerundet und an seiner Unterseite
leicht gerauht ist, erkennen wir, daß der Kopf bestimmt war, in einen besonders
gearbeiteten Körper eingesetzt zu werden, einen Körper, den wir uns augenscheinlich
bekleidet vorstellen müssen. Man vergleiche z. B. den Wagenlenker von Delphi,
dessen Gewandausschnitt dem hier erforderlichen ziemlich genau entspricht. Die
ungleiche Spannung der Kopfnicker an dem verhältnismäßig sehr starken Halse
verrät uns, daß der Kopf nach seiner rechten Seite gewendet ist. Damit steht im
Zusammenhänge, daß der linke Kapuzenmuskel stärker gespannt und gehoben ist,
als der rechte, sowie daß die Furche zwischen Hals und Wange unter dem rechten
Ohre stärker einschneidet als unter dem linken. Der Kopf neigt sich zudem leicht
nach der rechten Seite; die ganze rechte Gesichtshälfte hängt etwas im Verhältnis
zur linken und ist um ein geringes voller und weicher gebildet. Merkwürdig flach
ist der breite Nacken gestaltet ·—■ das ist wohl die breite Aussparung an Stelle der
Halswirbel im Nacken, von der Willers spricht —, so flach, daß wir annehmen müssen,
dieser Teil sei dem Beschauer der Figur unsichtbar geblieben. Daß der Kopf haupt-
sächlich von seiner linken Seite aus gesehen werden sollte, können wir aus der ver-
schiedenen Sorgfalt schließen, mit der die kleinen Haarbüschel hinter den Ohren
ausgeführt sind: hinter dem linken Ohre fein und mannigfaltig in ihrer Bewegung,
hinter dem rechten ziemlich grob und gleichmäßig. Auch das linke Ohr und Auge
sowie der linke Mundwinkel sind mit größerer individueller Feinheit behandelt als
die entsprechenden Teile der rechten Gesichtshälfte. In auffallendem Gegensätze
zu der sparsamen, aber lebendigen Modellierung der übrigen Gesichtsteile steht die
vollkommen glatte Bildung der Stirn und des Nasenrückens, soweit sie erhalten sind;
beide liegen in einer unbewegten Ebene. Die Haare umgaben die Stjrn von Schläfe
zu Schläfe in hohem Relief, von dem sich nur einige Ansätze erhalten haben. Darüber
umschließt den Kopf in seiner größten Ausdehnung ein flaches Band, unter dem
am Hinterkopfe die langen Haarsträhnen abwärts gekämmt sind. Jederseits setzt
hinter den Ohren in hohem Relief ein in gerader Linie schräg abwärts geführter
»Leisten« an mit einem breiteren Längsstreifen in der Mitte und zwei schmäleren
oben und unten. Sie trafen über dem Nacken zusammen; wie, können wir nicht
mehr sagen. Die Haarsträhnen des Hinterkopfes erheben sich unten in leichter
Welle zu diesen »Leisten«, ohne doch in sie überzugehen. Die »Leisten« selbst müssen
wir uns auch aus Haaren gebildet denken; wie freilich, bleibt uns ebenfalls ein Rätsel.
Unterhalb der »Leisten« legen sich rechts und links hinter den Ohren kleine Haar-
büschel in langer Reihe an den Hals bis zum Nacken, wo sie unter der abstehenden
Endigung der beiden »Leisten« nicht mehr ausgeführt wurden.
Für diese ganz seltsame Frisur gibt es unter den uns bekannten Antiken nur
zwei Parallelen: die eine an einem Jünglingskopfe der estensischen Sammlung, die
 
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