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Preußische Kunstsammlungen [Contr.]
Jahrbuch der Königlich-Preuszischen Kunstsammlungen — 1.1880

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II.-IV Heft
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Lessing, Julius: Mittelalterliche Zeugdrucke im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.75035#0192

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MITTELALTERLICHE ZEUGDRUCKE.

persische Sage, in welcher ein Kinderraub erwähnt wird, oder an die von Zeus ge-
raubte Nymphe Aegina zu denken, wie Arneth a. a. 0., scheint mir bei diesen Vasen
nicht zulässig. Die Gegenseite mit dem König auf dem Cherub zeigt so entschieden
die Apotheose des Fürsten, dass auch bei der andern Darstellung ein ähnlicher Vor-
gang angenommen werden muss. Der Mythos vom Ganymed bietet sich für die
sinnbildliche Erhebung eines Menschen in den Kreis der Götter am leichtesten dar,
und wir werden daher auch die gleichartige Darstellung auf unserem Stoff als den
Raub des Ganymed ansehen dürfen. Für die Möglichkeit, dass dieser Typus als Stoff-
muster benutzt werden konnte, spricht zunächst, dass die andere Darstellung der
Wiener Vasen, die Darstellung eines vergöttlichten Fürsten auf dem Greifen reitend,
sich auf zwei sassanidischen Seidengeweben in unserem Kunstgewerbe-Museum findet.
Auch mag daran erinnert werden, dass auf den gestickten Borten der assyrischen
Königsgewänder mythologische Darstellungen verschiedenster Art anzutreffen sind.
Griechische und römische Schriftsteller erwähnen häufig genug Prachtgewänder
mit mythologischen Darstellungen. Am bekanntesten ist die Schilderung der Ge-
wänder bei Ovid (Metamorph. VI. 52 ff.), welche Athene und Arachne im Wettstreit
anfertigen und bei welchen ganze Kreise von Göttermythen als eingewebt ange-
nommen werden.
Weniger phantastisch erscheint die Beschreibung eines Gewandes bei Virgil
(Aeneis V. z5o ff.), welches Anchises einem Sieger im Wettkampfe schenkt:]
Victori chlamydem auratam, quam plurima circum
Purpura Maeandro duplici Meliboea cucurrit;
Intextusque puer frondosa regius Ida
Veloces jaculo cervos cursuque fatigat,
Acer, antelanti similis, quem praepes ab Ida
Sublimem pedibus rapuit Jovis armiger uncis;
Longaevi palmas nequidquam ad sidera tendunt
Custodes, saevitque canum latratus in auras.
Hier erscheint also der Raub des Ganymed auf einem mit einem doppelten
purpurnen Mäanderstreifen verzierten Gewand. Es muss als wahrscheinlich gelten,
dass dem Virgil ein Prachtgewand, welches er gesehen, bei dieser Beschreibung vor-
geschwebt hat, zum Mindesten muss ein solches der damaligen Zeit als möglich
erschienen sein.
Noch ein zweites Mal finden wir den Mythos des Ganymed auf einem Pracht-
gewand erwähnt und zwar von Valerius Flaccus (Argonaut. II 414 ff. — um d. Jahr
80 n. Chr.). Hier wird ein Gewand geschildert, das Jason erhält, und worauf sich
auch andre Mythen dargestellt finden. Es heisst dann ferner:
pars et frondosae raptus expresserat Idae
inlustremque fugam pueri; mox aethere laetus
adstabat mensis: quin et Jovis armiger ipse
accipit a Phrygio jam pocula blanda ministro.
Während wir bei Virgil trotz der Schilderung, welche verschiedene Momente
des Raubes hervorhebt, nur an eine einzelne Vorstellung zu denken brauchen, müssen
wir bei Valerius Flaccus wenigstens zwei Darstellungen — den Raub und das Mund-
schenkenthum — annehmen, aber die Stelle des Flaccus könnte leicht nur eine schön-
 
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