VON M. JORDAN.
Il3
Körper"*). Nun sprechen Vasari und Danti mit Beziehung auf das Plagiat des
Pacioli vorzugsweise von den Untersuchungen über diesen Gegenstand; Vasari sagt
von Piero: „il quale essendo stato tenuto maestro raro nelle difficulta dei corpi regolari
e neir aritmetica e geometria" — Danti nach Aufzählung verschiedener Meister, welche
ähnliche Forschungen gemacht haben: „il quale (zuletzt ist Jamnitzer genannt) ha messi
in Prospettiua li corpi regolari et altri composti si come fece Pietro dal Borgo,
se bene F. Luca gli stampi poi sotto suo nome"**).
Beide Zeugen sind anscheinend von der nämlichen Ueberlieferung ausgegangen;
der ältere im frischeren Eindruck des geschehenen Unrechtes, liess sich zu einer Ver-
allgemeinerung der schlimmen Sentenz gegen Pacioli hinreissen, welche gerechten
Widerspruch hervorrief. Vergleicht man den Wortlaut der Biographie Piero's della
Francesca in der ersten Ausgabe des Vasari mit dem der zweiten, so scheint es, als
habe er eingesehen, dass er zu weit gegangen war. Denn beim Neudruck seines Buches
machte Vasari an dieser Stelle in so fern eine Einschränkung, als er, abgesehen von
einigen Milderungen in den Einleitungssätzen, das herbe Epitaph am Schlüsse wegliess,
welches den Luca in seinem Verhältniss zu Piero nochmals brandmarkte***). Danti ist
genauer; er hatte ohne Zweifel eingehendere Kenntniss von Pacioli's Schriften als Vasari
und kannte, wie es scheint, Piero's Traktat über die Perspektive. Denn er bezeichnet
ihn als ersten Meister dieser Wissenschaft sowohl der Zeit wie dem Range nach und
erwähnt drei Bücher, die derselbe verfasst habe und deren Originalhandschrift mit
ihren schönen Zeichnungen noch vor Augen stehe. Damit ist offenbar der Traktat
„de prospectiva pingendi" gemeint, der zwar in der Abschrift der Ambrosiana, die ich
kenne, durchgehende Kapitelnummern, aber gemäss der Stoff-Eintheilung drei Haupt-
abschnitte umfasste). Aber auch Danti lässt Nichts davon merken, dass ihm die
Handschrift Piero's über die regelmässigen Körper, auf welche wir vor allem zu
fahnden haben, je zu Gesicht gekommen sei. Es muss ein dritter Gewährsmann —
vielleicht Daniele Barbaro — angenommen werden, von welchem Danti und Vasari
ihre Aussage entlehnten.
Noch ehe ich das unzweifelhafte Zeugniss des urbinatinischen Inventars über
die Existenz jener Schrift Piero's kannte, war ich derselben in der Vaticana habhaft
geworden. Dass sie trotz mehrfachen Suchens so lange versteckt geblieben war,
obgleich sie immer Bestandtheil der Urbinas gewesen, erklärt sich aus dem vom
Registrator misverstandenen Autornamen. Harzen's Notiz über die falsche Katalogi-
sierung des Codex der Ambrosiana, der s. Z. unter „Pietro di Bruges" stand, ver-
anlasste Nachforschungen unter verschiedenen Stichworten und so fand sich die
Handschrift im Katalog unter „Pictor". Ihre jetzige Nummer ist Urbinas 632. Sie
umfasst 67 Blätter, auf denen die Hilfszeichnungen jedesmal unten beigesetzt sind und
trägt auf fol. 2F folgenden Titel:
*) Giornale storico degli Archivi Toscani, tom. VI. und VII. (1862 und 63). Die Hand-
schrift steht dort unter No. 273: Petri Burgensis pictoris Libellus de quinque corporibus
regularibus ad illustrissimum ducem Federicum et Guidonem filium.
**) Le due regole della Prospettiva pratica di Μ. lacomo Barozzi da Vignola con i
comentarij del R. P. Μ. Egnatio Danti etc. I. Ausg. Rom i583 fol. (Vorwort.)
***) Diese Auffassung theilt G. Milanesi in seiner neuesten Vasari-Ausgabe. II. S. 488 ff.
(Anmerkungen).
f) S. darüber den oben erwähnten Aufsatz von Janitschek.
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Körper"*). Nun sprechen Vasari und Danti mit Beziehung auf das Plagiat des
Pacioli vorzugsweise von den Untersuchungen über diesen Gegenstand; Vasari sagt
von Piero: „il quale essendo stato tenuto maestro raro nelle difficulta dei corpi regolari
e neir aritmetica e geometria" — Danti nach Aufzählung verschiedener Meister, welche
ähnliche Forschungen gemacht haben: „il quale (zuletzt ist Jamnitzer genannt) ha messi
in Prospettiua li corpi regolari et altri composti si come fece Pietro dal Borgo,
se bene F. Luca gli stampi poi sotto suo nome"**).
Beide Zeugen sind anscheinend von der nämlichen Ueberlieferung ausgegangen;
der ältere im frischeren Eindruck des geschehenen Unrechtes, liess sich zu einer Ver-
allgemeinerung der schlimmen Sentenz gegen Pacioli hinreissen, welche gerechten
Widerspruch hervorrief. Vergleicht man den Wortlaut der Biographie Piero's della
Francesca in der ersten Ausgabe des Vasari mit dem der zweiten, so scheint es, als
habe er eingesehen, dass er zu weit gegangen war. Denn beim Neudruck seines Buches
machte Vasari an dieser Stelle in so fern eine Einschränkung, als er, abgesehen von
einigen Milderungen in den Einleitungssätzen, das herbe Epitaph am Schlüsse wegliess,
welches den Luca in seinem Verhältniss zu Piero nochmals brandmarkte***). Danti ist
genauer; er hatte ohne Zweifel eingehendere Kenntniss von Pacioli's Schriften als Vasari
und kannte, wie es scheint, Piero's Traktat über die Perspektive. Denn er bezeichnet
ihn als ersten Meister dieser Wissenschaft sowohl der Zeit wie dem Range nach und
erwähnt drei Bücher, die derselbe verfasst habe und deren Originalhandschrift mit
ihren schönen Zeichnungen noch vor Augen stehe. Damit ist offenbar der Traktat
„de prospectiva pingendi" gemeint, der zwar in der Abschrift der Ambrosiana, die ich
kenne, durchgehende Kapitelnummern, aber gemäss der Stoff-Eintheilung drei Haupt-
abschnitte umfasste). Aber auch Danti lässt Nichts davon merken, dass ihm die
Handschrift Piero's über die regelmässigen Körper, auf welche wir vor allem zu
fahnden haben, je zu Gesicht gekommen sei. Es muss ein dritter Gewährsmann —
vielleicht Daniele Barbaro — angenommen werden, von welchem Danti und Vasari
ihre Aussage entlehnten.
Noch ehe ich das unzweifelhafte Zeugniss des urbinatinischen Inventars über
die Existenz jener Schrift Piero's kannte, war ich derselben in der Vaticana habhaft
geworden. Dass sie trotz mehrfachen Suchens so lange versteckt geblieben war,
obgleich sie immer Bestandtheil der Urbinas gewesen, erklärt sich aus dem vom
Registrator misverstandenen Autornamen. Harzen's Notiz über die falsche Katalogi-
sierung des Codex der Ambrosiana, der s. Z. unter „Pietro di Bruges" stand, ver-
anlasste Nachforschungen unter verschiedenen Stichworten und so fand sich die
Handschrift im Katalog unter „Pictor". Ihre jetzige Nummer ist Urbinas 632. Sie
umfasst 67 Blätter, auf denen die Hilfszeichnungen jedesmal unten beigesetzt sind und
trägt auf fol. 2F folgenden Titel:
*) Giornale storico degli Archivi Toscani, tom. VI. und VII. (1862 und 63). Die Hand-
schrift steht dort unter No. 273: Petri Burgensis pictoris Libellus de quinque corporibus
regularibus ad illustrissimum ducem Federicum et Guidonem filium.
**) Le due regole della Prospettiva pratica di Μ. lacomo Barozzi da Vignola con i
comentarij del R. P. Μ. Egnatio Danti etc. I. Ausg. Rom i583 fol. (Vorwort.)
***) Diese Auffassung theilt G. Milanesi in seiner neuesten Vasari-Ausgabe. II. S. 488 ff.
(Anmerkungen).
f) S. darüber den oben erwähnten Aufsatz von Janitschek.