276 BEITRÄGE ZUR CHRISTLICHEN ARCHÄOLOGIE UND KUNSTGESCHICHTE
Werkstätten, die von der Schule des Bellini und Mantegna vorwiegend beeinflusst
sind, und für welche die Bottega des Giovanni Andrea Vavassore einen passenden
Gattungsbegriff bildet.
Sehen wir uns nach den im Anfänge zwischen i5oo bis höchstens i5i2 in
Venedig arbeitenden Holzschneidern um, denen ein Werk wie unser Holzschnitt zu-
zutrauen wäre, so scheint es mir, dass wir durch den Stand unserer Kenntnisse vor
Allen auf Ugo da Carpi hingewiesen werden. Ihm ist die kräftige energische Haltung,
der feste Zug der freien körperformenden Striche und die eigenthümlichen durch-
sichtigen Kreuzlagen in den Schatten am ehesten verwandt. Wohl hat Ugo in seinen
Hauptwerken noch eine weit freiere und breitere Behandlung angenommen, so gut wie
Marcanton später in der Umgebung von Raphael den Quattrocentisten abstreift; aber so
gut der hl. Thomas eine verhältnissmässig frühe Arbeit Raimondi's, so ist er auch —
wenn wir den Schnitt anders dem Ugo da Carpi zuschreiben dürfen — ein frühes Werk
dieses Künstlers. Ein anderes, ebenfalls frühes, aber vermöge seiner Bezeichnung un-
zweifelhaft ächtes Blatt des Ugo da Carpi, das Clairobscur „Herkules, der den Neid
aus dem Tempel der Musen vertreibt" nach Baldassare Peruzzi (Bartsch, Band XII.
Sect. VIII. No. 12, erwähnt bei Vasari Ed. Lem. IX. S. 281.) zeigt in der noch ziemlich
engen Behandlung des Schnittes der schwarzen Platte unverkennbare Aehnlichkeiten
mit dem „hl. Thomas".
Wenn man davon absieht, dass die Vorzeichnungen von zwei ganz verschieden
zeichnenden Künstlern herrühren, und vornehmlich auf die Bildung der Striche und
Kreuzlagen achtet, so wird man in beiden Blättern gleichmässig vorkommende indivi-
duelle Züge erkennen, die auf einen, beiden Werken gemeinsamen Holzschneider zu
deuten scheinen.
Ugo da Carpi kommt ziemlich zeitlich, etwa um ι5ο6, vielleicht sogar noch
früher nach Venedig. Es ist nicht undenkbar, dass Marcanton und Ugo da Carpi,
die in dieser Stadt gleichzeitig lebten, auch gelegentlich ein Werk gemeinsam aus-
führten. Später, um i5i8 finden wir Ugo da Carpi in Rom, wieder, neben Marcanton
und nach denselben Raphaelischen Compositionen arbeitend, wie er.
Friedrich Lippmann.
BEITRÄGE ZUR CHRISTLICHEN ARCHÄOLOGIE
UND KUNSTGESCHICHTE.
I.
Die im ersten Theile von „Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen", S. i5o f.
beschriebene und in ihren Details abgebildete romanische Kirche zu Mutzig in Unter-
elsass (Kreis und Kanton Molsheim) ist seither abgebrochen und durch einen Neubau
ersetzt worden, welchen die Gemeinde seit Jahren verlangte. Die archäologischen
Interessen mussten hier einmal wieder den Forderungen des Lebens weichen. Die
Werkstätten, die von der Schule des Bellini und Mantegna vorwiegend beeinflusst
sind, und für welche die Bottega des Giovanni Andrea Vavassore einen passenden
Gattungsbegriff bildet.
Sehen wir uns nach den im Anfänge zwischen i5oo bis höchstens i5i2 in
Venedig arbeitenden Holzschneidern um, denen ein Werk wie unser Holzschnitt zu-
zutrauen wäre, so scheint es mir, dass wir durch den Stand unserer Kenntnisse vor
Allen auf Ugo da Carpi hingewiesen werden. Ihm ist die kräftige energische Haltung,
der feste Zug der freien körperformenden Striche und die eigenthümlichen durch-
sichtigen Kreuzlagen in den Schatten am ehesten verwandt. Wohl hat Ugo in seinen
Hauptwerken noch eine weit freiere und breitere Behandlung angenommen, so gut wie
Marcanton später in der Umgebung von Raphael den Quattrocentisten abstreift; aber so
gut der hl. Thomas eine verhältnissmässig frühe Arbeit Raimondi's, so ist er auch —
wenn wir den Schnitt anders dem Ugo da Carpi zuschreiben dürfen — ein frühes Werk
dieses Künstlers. Ein anderes, ebenfalls frühes, aber vermöge seiner Bezeichnung un-
zweifelhaft ächtes Blatt des Ugo da Carpi, das Clairobscur „Herkules, der den Neid
aus dem Tempel der Musen vertreibt" nach Baldassare Peruzzi (Bartsch, Band XII.
Sect. VIII. No. 12, erwähnt bei Vasari Ed. Lem. IX. S. 281.) zeigt in der noch ziemlich
engen Behandlung des Schnittes der schwarzen Platte unverkennbare Aehnlichkeiten
mit dem „hl. Thomas".
Wenn man davon absieht, dass die Vorzeichnungen von zwei ganz verschieden
zeichnenden Künstlern herrühren, und vornehmlich auf die Bildung der Striche und
Kreuzlagen achtet, so wird man in beiden Blättern gleichmässig vorkommende indivi-
duelle Züge erkennen, die auf einen, beiden Werken gemeinsamen Holzschneider zu
deuten scheinen.
Ugo da Carpi kommt ziemlich zeitlich, etwa um ι5ο6, vielleicht sogar noch
früher nach Venedig. Es ist nicht undenkbar, dass Marcanton und Ugo da Carpi,
die in dieser Stadt gleichzeitig lebten, auch gelegentlich ein Werk gemeinsam aus-
führten. Später, um i5i8 finden wir Ugo da Carpi in Rom, wieder, neben Marcanton
und nach denselben Raphaelischen Compositionen arbeitend, wie er.
Friedrich Lippmann.
BEITRÄGE ZUR CHRISTLICHEN ARCHÄOLOGIE
UND KUNSTGESCHICHTE.
I.
Die im ersten Theile von „Kunst und Alterthum in Elsass-Lothringen", S. i5o f.
beschriebene und in ihren Details abgebildete romanische Kirche zu Mutzig in Unter-
elsass (Kreis und Kanton Molsheim) ist seither abgebrochen und durch einen Neubau
ersetzt worden, welchen die Gemeinde seit Jahren verlangte. Die archäologischen
Interessen mussten hier einmal wieder den Forderungen des Lebens weichen. Die