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Preußische Kunstsammlungen [Mitarb.]
Jahrbuch der Königlich-Preuszischen Kunstsammlungen — 1.1880

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I. Heft
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Studien und Forschung
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Lippmann, Friedrich: Unbeschriebene Blätter des XV. bis XVII. Jahrhunderts im Kupferstichkabinet
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https://doi.org/10.11588/diglit.75035#0079
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UNBESCHRIEBENE BLATTER DES XV. BIS XVII. JAHRHUNDERTS I5

Erinnern wir uns, dass der nachweisbar älteste deutsche Kupferstich, die Geisselung
Christi der Sammlung Renouvier die Jahreszahl 1446 trägt und schon mit unleugbarer
Routine im Stechen und Drucken angefertigt ist, und halten wir damit zusammen,
dass 1446 ebenfalls in Deutschland ein Künstler vom Range des Meisters E. S. mit
fast vollständiger Beherrschung der seiner Stilweise adäquaten Mittel thätig ist, so
wird die Hypothese, dass das Kupferstechen und Drucken um 1440--50, wenn auch
nicht allgemein, so doch vielfach bekannt gewesen sein muss, keine gewagte sein.
Dass die Kenntniss dieses Verfahrens, nachdem es im Norden in Hebung kam,
sich sehr bald auch nach Italien ausbreitete, wäre dabei nicht zu verwundern; in der
raschen Uebertragung der Buchdruckerkunst von Deutschland, sowie in dem von der
Tradition angenommenen Herüberbringen der Oelmalerei von Flandern nach Italien
haben wir ähnliche Erscheinungen vor uns. Wie im primitiven Buchdrucke, so finden
wir auch in der primitiven Kupferstecherei deutsche Werkleute in Italien thätig, wofür
die Vorrede der vorhin erwähnten römischen Ausgabe der Cosmographie des Ptolo-
maeus von 1478 Zeugniss ablegt.*)
Was aber für 1478 nachweisbar ist, kann ohne gewagte Schlussfolgerung auch
für zwei oder drei Jahrzehnte früher als möglich und wahrscheinlich angenommen
werden. Maler wie andere Handwerker wanderten zu allen Zeiten nach dem Süden,
und irgend ein deutscher Goldschmied mochte dahin oder dorthin die Kenntniss des
Stechens und Druckens frühzeitig gebracht haben. Dass aber der Bilderdruck (und
ebenso der Holzschnitt) in Italien nicht in rasche und allseitige Aufnahme kam, liegt in
dem Verhältnisse begründet, dass er hier nicht wie im Norden durch ein populäres
Bedürfniss hervorgerufen und getragen wurde. In Deutschland war schon in den
60er und 70er Jahren das Bilderschneiden, Stechen und Drucken ein durchaus pro-
tessionsmässiges Gewerbe, in Italien trägt die gesammte Kupferstechkunst bis auf
Marc Anton den Charakter gelegentlicher und so zu sagen nur dilettantischer Uebung.
Gegen den Umfang der Production auf allen anderen Gebieten der bildenden Kunst
ist das, was Italien im ι5. Jahrhundert im Kupferstich hervorbringt, der Menge nach
fast verschwindend wenig, und bleibt auch weiterhin noch gering. Dem Sinne und
Geschmacke des Volkes entsprachen die kleinen Andachtsbildchen nicht, deren Erzeu-
gung in Deutschland der Stecherei und dem Holzschneiden den festen gewerbmässigen
Boden gab; der Kupferstich bleibt in Italien eine Kunst für die Künstler und wird
keine Kunst für die Menge. Bei dem relativ mangelnden Interesse, mit dem das
italienische Quattrocento den Kupferstich auffasst, kann es nicht wundernehmen, dass
um die Mitte des Jahrhunderts, in einer Zeit, wo die Kenntniss des Verfahrens eine
nur sporadische war, auch die Werke selten gewesen sind, und von dem Wenigen,
das damals gemacht wurde, ist nur das Wenigste bis auf uns gelangt. So kann es
erklärlich werden, dass unser Bildnisskopf als einziges Beispiel seiner Art dasteht; er

*) Ptolomaeus (Claudius), Cosmographia ex emendatione Domitii Calderini ... Arnoldus
Buckinclc e Germania Romae tabulis aeneis in picturis formatam impressit. 1478. fol - mit
27 gestochenen Landkarten. Fol. 1 verso heisst es: „... Conradus Suueynheym (Sweynheim)
Germanus a quo formandorum Rome librorum ars primum profecta est.... mathematicis
adhibitis uiris quemadmodum tabulis eneis imprimerentur edocuit. triennioque in hac cura
consumpto diem obiit. In cuius ugilarum laborumque partem .... Arnoldus Buckinck e
Germania uir apprime eruditus ad imperfectum opus succedens .... immense subtilitatis
machinamenta examussim ad unum perfecit". (Vergl. Audiffredi: Catal. Romanorum Edit.
Saec. XV. p. 229, etc.)
 
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