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Preußische Kunstsammlungen [Contr.]
Jahrbuch der Königlich-Preuszischen Kunstsammlungen — 1.1880

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I. Heft
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Studien und Forschung
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Lippmann, Friedrich: Unbeschriebene Blätter des XV. bis XVII. Jahrhunderts im Kupferstichkabinet
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https://doi.org/10.11588/diglit.75035#0080
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UNBESCHRIEBENE BLÄTTER DES XV. BIS XVII. JAHRHUNDERTS

ist vielleicht das einzige bisher entdeckte Werk der ältesten künstlerischen Kupfer-
stecherei in Italien.
Bei der Erörterung der Frage nach dem Herkommen der italienischen Stecherei
können wir den Bericht des Vasari, dass der florentiner Goldschmied Finiguerra um
1460 die Kupferstech-(druck-) Kunst entdeckt habe, doch nicht völlig mit Stillschweigen
übergehen. Die historische Richtigkeit der Erzählung ist freilich längst widerlegt; sie
ist widerlegt durch die ältere Datierung deutscher Stiche, und noch ausreichender durch
die Blätter des Meisters E. S. In den sechs Jahren von 1460 bis 1466 kann der Kupfer-
stich nicht von Italien nach Deutschland gekommen und da alle Entwickelungsphasen
bis zur Madonna von Einsiedeln durchlaufen haben. Aber sollte die so bestimmt
auftretende florentiner Tradition, die Vasari mittheilt, so ganz aus der Luft ge-
griffen sein, sollte sie nicht doch irgend einen thatsächlichen Hintergrund haben? Ich
glaube das Letztere. Ich meine, Finiguerra hat die Entdeckung gemacht, dass man
auch von den gestochenen, zum Niellieren bestimmten Silberplatten vor der Ausfüllung
mit Niello Abdrücke auf Papier machen könne, ebensogut wie von den eigens zum
Drucken angefertigten Kupferplatten. Der florentiner Goldschmied wäre auf diese
Art der Vater der Niellodrucke. Diese Annahme ist glaublich und widerspricht nicht
den bekannten Thatsachen. Die Fassung der oft citierten Stelle am Anfänge der Lebens-
beschreibung des Marc Anton zeugt dafür, dass Vasari von dem Vorgange bei der
angeblichen Erfindung des Finiguerra keine richtige Vorstellung hatte und dass er sich
die ihm vielleicht schon ungenau überkommene Darstellung der Sache nicht klar zu
legen vermochte. Daher mag es gekommen sein, dass die Erfindung des Niello-
druckens mit der des Plattendruckens überhaupt verwechselt wurde.
Die vorstehende Abweichung von unserem eigentlichen Gegenstände war_zur
Rechtfertigung unserer Ansicht über die Entstehungszeit des Blattes nicht zu umgehen.
Die zweite der vorhin gestellten Fragen, die, ob sein Urheber ein Maler oder ein
Goldschmied, richtiger ein Metallarbeiter gewesen, beantwortet sich schon aus dem,
was über das Verhältniss der italienischen Goldschmiedestiche zu den Malerstichen
gesagt wurde. Eine so feste und entschiedene Technik, wie wir sie hier sehen, deutet
unzweifelbar auf die im harten Material geschulte Hand eines Toreuten. Um das
zarte Profil in so gemmenhafter Reinheit hinzusetzen, durfte der Widerstand des
derben Stoffes kein Hinderniss für den Künstler bilden.
Es erscheint ein hoffnungsloses Beginnen, der Person des Urhebers unseres
Stiches nachforschen zu wollen; und wäre es selbst eine uns wohlvertraute Individua-
lität, wie schwer wäre sie mit Sicherheit wieder zu erkennen, wenn sie uns_im ein-
zelnen Werk entgegentritt, das in einer ihr sonst ungewohnten Kunstgattung ausgeführt
ist. So mag es denn unter solchem Vorbehalt am Schlüsse gestattet sein, auszu-
sprechen, dass wir diesen so viele kunstgeschichtliche Probleme aufwerfenden alten
Kupferstich am ehesten hervorgegangen denken aus der Hand eines jener köstlichen
Medailleure des Quattrocento, die wie Vittore Pisano geschickte Maler waren, oder
vielseitige Talente, wie Matteo de' Pasti, von dem man weiss, dass er die Holzschnitte
zu dem 1472 erschienenen Kriegsbuche des Valturio angefertigt hat, die ersten in
Italien gemachten Holzschnitt-Illustrationen nationalen Gepräges, die zugleich bestim-
mend für die ganze fernere Ausbildung dieses Zweiges dort geworden sind. Etwas
von der Auffassung eines Medaillenbildnisses haftet auch an unserem Blatte.
 
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