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PEETER DE KEMPENEER
PEETER DE KEMPENEER
GENANNT MAESE PEDRO CAMPANA
VON CARL JUSTI
Eine der auffallendendsten Erscheinungen für den nordischen Besucher Spaniens
ist die grosse Menge niederländischer Gemälde vom XV. bis zum XVII. Jahrhundert,
und die mehr oder weniger deutlichen Wiederstrahlungen dieser fremden Kunst bei
den einheimischen Meistern. Gerade in Andalusien ist man hierauf wohl am wenigsten
gefasst. Besonders fällt die Zahl auf bei den älteren Schulen. Denn obwohl diese
— wie alles Mittelalterliche — in den letzten Jahrhunderten wenig geachtet worden
sind, meist Modernem Platz machten und ins Ausland wanderten, so vergeht
doch noch heutzutage kaum ein Jahr, wo nicht altflandrische Tafeln im Kunst- und
Trödelhandel von Madrid und Sevilla auftauchen. — Jedermann denkt an den
geschichtlichen Nationalhass, an jenen Nationalkampf von einer Erbitterung sonder
gleichen, — den man gern mit einer Grundverschiedenheit in Charakter, Temperament,
Sitten in Zusammenhang bringt. Und hier sieht man die Berufung und Einwanderung
niederländischer Künstler, den Import niederländischer Gemälde, vor, während und
nach dem Weltkampf ununterbrochen im Gang. Was während der Blüte der
van Eyck'schen Schule begann, wuchs noch während der Ueberflutung durch den
italienischen Geschmack, lebte neu auf in der Zeit der Brueghel, Teniers und Rubens.
Waren bloss äussere Ursachen im Spiel: der Zufall der politischen Verbindung, die
Gelegenheiten des Handels, die Wanderlust und Betriebsamkeit der Vläminger? Oder
existierte doch irgend eine innere Anziehung? Diese Annahme wird etwas gewagt
erscheinen. Des Niederländers Fleiss und Feinarbeit, seine Freude an Darstellungen
des Lebensgenusses und der alltäglichen Umgebung liegt spanischem Wesen ganz ent-
gegen. Eine Verwandtschaft war dennoch vorhanden: sie lag in dem realistischen Zug
beider Nationen, dem fehlenden Bedürfnis, „die gemeine Natur zu veredeln", sagen
wir lieber, der Wahrhaftigkeit, dem Hass der Phrase, dem Sinn für Farbe und Hell-
dunkel. So erklären sich Erscheinungen einer Wechselwirkung, die dem forschenden
Betrachter oft Rätsel aufgeben. Man trifft Arbeiten, die man unbedenklich für nieder-
ländisch erklären würde, wäre die Autorschaft von Spaniern oder Portugiesen nicht
nachgewiesen, Malern die sich nicht bloss an fremden Bildern, sondern in nieder-
ländischen Malergilden ausgebildet haben. Umgekehrt fehlt es nicht an eingewanderten
Niederländern, welche nicht bloss Typen und Kostüme, sondern auch die Empfin-
dungsweise der Spanier so wohl verstanden, dass sie uns zuweilen spanischer vor-
kommen, als ihre gleichstrebenden Zeitgenossen aus der Nation, bei der sie Gäste waren.
Bekanntlich ist die Malerei in keinem Jahrhundert weltbürgerlicher gewesen
als im XVI. Die landschaftlichen, örtlichen Umrisse der Schulen lösten sich auf; die
Maler bildeten sich auf Reisen, nach Mustern ihrer Wahl und persönlichen Neigungen.
Hier giebt es Künstler, die ganz das Produkt eines Wanderlebens sind, dessen
Route oft völlig unbekannt ist, und die man aus ihren Werken nur sehr unsicher
PEETER DE KEMPENEER
PEETER DE KEMPENEER
GENANNT MAESE PEDRO CAMPANA
VON CARL JUSTI
Eine der auffallendendsten Erscheinungen für den nordischen Besucher Spaniens
ist die grosse Menge niederländischer Gemälde vom XV. bis zum XVII. Jahrhundert,
und die mehr oder weniger deutlichen Wiederstrahlungen dieser fremden Kunst bei
den einheimischen Meistern. Gerade in Andalusien ist man hierauf wohl am wenigsten
gefasst. Besonders fällt die Zahl auf bei den älteren Schulen. Denn obwohl diese
— wie alles Mittelalterliche — in den letzten Jahrhunderten wenig geachtet worden
sind, meist Modernem Platz machten und ins Ausland wanderten, so vergeht
doch noch heutzutage kaum ein Jahr, wo nicht altflandrische Tafeln im Kunst- und
Trödelhandel von Madrid und Sevilla auftauchen. — Jedermann denkt an den
geschichtlichen Nationalhass, an jenen Nationalkampf von einer Erbitterung sonder
gleichen, — den man gern mit einer Grundverschiedenheit in Charakter, Temperament,
Sitten in Zusammenhang bringt. Und hier sieht man die Berufung und Einwanderung
niederländischer Künstler, den Import niederländischer Gemälde, vor, während und
nach dem Weltkampf ununterbrochen im Gang. Was während der Blüte der
van Eyck'schen Schule begann, wuchs noch während der Ueberflutung durch den
italienischen Geschmack, lebte neu auf in der Zeit der Brueghel, Teniers und Rubens.
Waren bloss äussere Ursachen im Spiel: der Zufall der politischen Verbindung, die
Gelegenheiten des Handels, die Wanderlust und Betriebsamkeit der Vläminger? Oder
existierte doch irgend eine innere Anziehung? Diese Annahme wird etwas gewagt
erscheinen. Des Niederländers Fleiss und Feinarbeit, seine Freude an Darstellungen
des Lebensgenusses und der alltäglichen Umgebung liegt spanischem Wesen ganz ent-
gegen. Eine Verwandtschaft war dennoch vorhanden: sie lag in dem realistischen Zug
beider Nationen, dem fehlenden Bedürfnis, „die gemeine Natur zu veredeln", sagen
wir lieber, der Wahrhaftigkeit, dem Hass der Phrase, dem Sinn für Farbe und Hell-
dunkel. So erklären sich Erscheinungen einer Wechselwirkung, die dem forschenden
Betrachter oft Rätsel aufgeben. Man trifft Arbeiten, die man unbedenklich für nieder-
ländisch erklären würde, wäre die Autorschaft von Spaniern oder Portugiesen nicht
nachgewiesen, Malern die sich nicht bloss an fremden Bildern, sondern in nieder-
ländischen Malergilden ausgebildet haben. Umgekehrt fehlt es nicht an eingewanderten
Niederländern, welche nicht bloss Typen und Kostüme, sondern auch die Empfin-
dungsweise der Spanier so wohl verstanden, dass sie uns zuweilen spanischer vor-
kommen, als ihre gleichstrebenden Zeitgenossen aus der Nation, bei der sie Gäste waren.
Bekanntlich ist die Malerei in keinem Jahrhundert weltbürgerlicher gewesen
als im XVI. Die landschaftlichen, örtlichen Umrisse der Schulen lösten sich auf; die
Maler bildeten sich auf Reisen, nach Mustern ihrer Wahl und persönlichen Neigungen.
Hier giebt es Künstler, die ganz das Produkt eines Wanderlebens sind, dessen
Route oft völlig unbekannt ist, und die man aus ihren Werken nur sehr unsicher