VON C. JUSTI x79
Darf man sich aus seinen Werken einen Begriff von seiner Person machen, so
war Campana ein Mann von starkausgeprägter, zuweilen ans bizarre streifender
Eigenheit, die sich aber mit elastischer Beweglichkeit und Eindrucksfähigkeit wohl
vertrug. In scharfen Umrissen steht seine Gestalt inmitten einer Menge charakter-
loser, unwirklicher Figuren, die diese Periode — oder soll man sagen, diesen
Zwischenakt — der spanischen Malerei ausfüllen. Unter seinen Kennzeichen könnte
man auch einige Grillen nennen, z. B. die Seitenblicke, welche verschiedenen Sinn
haben. Niederdeutsch im Grund seines Wesens und eben auch in Aneignungs- und
Anpassungsfähigkeit, giebt er sich den Eindrücken der grossen Meister des Südens hin.
Vielleicht wäre etwas ganz anderes aus ihm geworden, wenn er nicht in die total
verschiedene spanisch-katholische Welt versetzt worden wäre. Dort musste er seine
ganze Kunst auf die Auslegung der kirchlichen Stoffe im Geist spanischer Inbrunst
hinlenken. Die Anhänglichkeit an die zwei Jahrhunderte übliche mittelalterliche
Form des vielgeteilten Retablo's, die damals noch bestehende Vorliebe für vollendende
Ausführlichkeit, die Empfindungsskala des katholischen Kirchenjahres — das stand
mehr im Verhältnis zu seinen früheren Eindrücken; und viel von dem was
er in Italien aufgenommen sank zurück, um jedoch bei günstigen Anlässen
wieder aufzutauchen.
Der Erfolg, den er in Andalusien hatte, beruhte wohl auf zwei Eigenschaften.
Keiner verstand die religiöse Empfindungsweise des Spaniers so zu treffen, manchmal
bis zum Schroffen und Schauerlichen. Dann aber war er einer der ersten, wo nicht
der erste, welcher voll von dem lebendigen Eindruck der grossen Italiener nach
Sevilla kam, und zwischen hier und dort gleichsam eine persönliche Leitung her-
stellte. Den Sevillanern erschien er als unmittelbarer Schüler Raphaels. Daher
singt sein Biograph von ihm1):
Quien llegö con la pintura
al divino Rafael,
I del Angel Micael
oso alcanzar la escultura.
DER ITALIENISCHE HOLZSCHNITT IM XV. JAHRHUNDERT
VON FRIEDRICH LIPPMANN
(FORTSETZUNG)
Die feine, etwas magere Behandlungsweise mit dünnen Linienzügen, welche für
die venetianischen Vignetten charakteristisch ist, finden wir mitunter auch bei
grösseren Schnitten angewendet, namentlich in den Randeinfassungen, mit denen die
Anfänge der Bücher oder der Beginn grösserer Abschnitte des Textes ausgeschmückt
h J. M. Asensio, Pacheco y sus obras. Sevilla 1876. 205 f.
Darf man sich aus seinen Werken einen Begriff von seiner Person machen, so
war Campana ein Mann von starkausgeprägter, zuweilen ans bizarre streifender
Eigenheit, die sich aber mit elastischer Beweglichkeit und Eindrucksfähigkeit wohl
vertrug. In scharfen Umrissen steht seine Gestalt inmitten einer Menge charakter-
loser, unwirklicher Figuren, die diese Periode — oder soll man sagen, diesen
Zwischenakt — der spanischen Malerei ausfüllen. Unter seinen Kennzeichen könnte
man auch einige Grillen nennen, z. B. die Seitenblicke, welche verschiedenen Sinn
haben. Niederdeutsch im Grund seines Wesens und eben auch in Aneignungs- und
Anpassungsfähigkeit, giebt er sich den Eindrücken der grossen Meister des Südens hin.
Vielleicht wäre etwas ganz anderes aus ihm geworden, wenn er nicht in die total
verschiedene spanisch-katholische Welt versetzt worden wäre. Dort musste er seine
ganze Kunst auf die Auslegung der kirchlichen Stoffe im Geist spanischer Inbrunst
hinlenken. Die Anhänglichkeit an die zwei Jahrhunderte übliche mittelalterliche
Form des vielgeteilten Retablo's, die damals noch bestehende Vorliebe für vollendende
Ausführlichkeit, die Empfindungsskala des katholischen Kirchenjahres — das stand
mehr im Verhältnis zu seinen früheren Eindrücken; und viel von dem was
er in Italien aufgenommen sank zurück, um jedoch bei günstigen Anlässen
wieder aufzutauchen.
Der Erfolg, den er in Andalusien hatte, beruhte wohl auf zwei Eigenschaften.
Keiner verstand die religiöse Empfindungsweise des Spaniers so zu treffen, manchmal
bis zum Schroffen und Schauerlichen. Dann aber war er einer der ersten, wo nicht
der erste, welcher voll von dem lebendigen Eindruck der grossen Italiener nach
Sevilla kam, und zwischen hier und dort gleichsam eine persönliche Leitung her-
stellte. Den Sevillanern erschien er als unmittelbarer Schüler Raphaels. Daher
singt sein Biograph von ihm1):
Quien llegö con la pintura
al divino Rafael,
I del Angel Micael
oso alcanzar la escultura.
DER ITALIENISCHE HOLZSCHNITT IM XV. JAHRHUNDERT
VON FRIEDRICH LIPPMANN
(FORTSETZUNG)
Die feine, etwas magere Behandlungsweise mit dünnen Linienzügen, welche für
die venetianischen Vignetten charakteristisch ist, finden wir mitunter auch bei
grösseren Schnitten angewendet, namentlich in den Randeinfassungen, mit denen die
Anfänge der Bücher oder der Beginn grösserer Abschnitte des Textes ausgeschmückt
h J. M. Asensio, Pacheco y sus obras. Sevilla 1876. 205 f.