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Preußische Kunstsammlungen [Mitarb.]
Jahrbuch der Königlich-Preuszischen Kunstsammlungen — 5.1884

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Bode, Wilhelm von: Leonardo's Altartafel der Auferstehung Christi
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https://doi.org/10.11588/diglit.75185#0360
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LEONARDO'S ALTARTAFEL DER AUFERSTEHUNG CHRISTI

Formen; und im interessanten Gegensatz dazu von einem grossen, knitterigen Falten-
wurf zu kleinen zahlreichen Parallelfalten, womit auch ein Uebergang von dicken
Sammet- und Seidenstoffen zu vorwiegend dünnen, gazeartigen Stoffen zusammen-
hängt; von einer klaren leuchtenden Lokalfärbung bei einfacher Beleuchtung zu
stärkerem Helldunkel, schwärzlichen Schatten und unbestimmten Farben.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, wenn ich zum Schluss noch darauf aufmerk-
sam mache, dass diese Eigentümlichkeiten des Auferstehungsbildes, welche ich als ganz
charakteristische Kennzeichen von Leonardo's Kunstweise nachzuweisen suchte, bei irgend
einem Schüler oder Nachfolger Leonardo's sich ähnlich, sei es auch nur vereinzelt,
nicht nachweisen lassen; nicht einmal in Bildern, welche die unter Aufsicht ihres
Meisters und mit Benutzung von dessen Kartons oder Gemälden ausgeführt haben.
Man vergleiche z. B. drei unter Leonardo's Namen berühmte Gemälde in der Eremitage:
die hl. Familie, wahrscheinlich von Cesare da Sesto, die sogenannte Columbine von Luini
und die Madonna Litta, welche man jetzt dem Bernardino Conti zuschreibt. Auch
die Brera in Mailand mit Marco d'Oggionno's Sturz des Lucifer, das Museo Poldi
ebenda mit der kleinen Madonna von Pedrini, unsere Berliner Galerie mit Pedrini's
Magdalena oder der herkömmlich (ohne jede Beglaubigung) dem Francesco Melzi
zugeschriebenen Pomona, der Louvre in Solario's „Vierge au coussin vert" u. s. f.
liefern von diesen Leonardo-Schülern und Nachfolgern in solchen hervorragenden
Gemälden, die sich besonders eng an Leonardo anschliessen, den Beweis, dass keiner
von allen die Auferstehung erfunden oder gemalt, nicht einmal daran mitgeholfen
haben könne. Denn, soweit nicht spätere Uebermalung und Verputzung das Bild
entstellt haben, trägt es durchweg den Charakter des Meisters; und das tiefe
Verständnis und der unsägliche Fleiss, womit oft gerade das Kleinste erfunden und
durchgebildet ist, beweisen am schlagendsten, dass das Ganze dem Einen grossen
Meister gehört. Freilich beeinträchtigt diese ausserordentliche Durchführung, die in
der Doppelnatur Leonardo's, des Künstlers und Naturforschers, begründet ist — was
ich hier noch einmal ausdrücklich wiederhole — die malerische Wirkung der meisten
Gemälde Leonardo's; und wesentlich darin liegt der Grund, dass Leonardo .bei dem
specifisch malerischen Sinn unserer heutigen Kunst zwar als Theoretiker viel genannt
und in seinen Studien und Skizzen viel bewundert, in den meisten seiner Tafelgemälde
aber jetzt verhältnismässig wenig beachtet wird.
Müssen wir so jede Verbindung des Auferstehungsbildes mit irgend einem Nachfolger
Leonardo's abweisen, so bietet dasselbe aber nicht uninteressante Anknüpfungspunkte mit
Leonardo's Vorgängern, insbesondere mit seinem Lehrer Verrocchio, auf die ich wenig-
stens ganz kurz hinweisen möchte. Ueber Leonardo's Verwandtschaft mit Verrocchio
im Allgemeinen und insbesondere in seinen Jugendwerken habe ich an dieser Stelle früher
bereits ausführlicher gesprochen (vgl. Band III S. 258—262); hier möchte ich nur die
Verwandtschaft in Anordnung und Bewegung des Auferstehungsbildes mit einzelnen
Kompositionen Verrocchio's hervorheben. Schon das dem Verrocchio in seiner Er-
findung erst neuerdings zurückgestellte Altarwerk des Louvre mit der Madonna und
den Heiligen Bernhard und Maria von Egypten (No. 347) zeigt in den Hauptfiguren
den ähnlichen Aufbau. Stärker ist dies aber noch mit dem unteren Teile des Kenotaphs
des Kardinals Forteguerri in Pistoja der Fall, namentlich in der kleinen Thonskizze
dieses Denkmals im South Kensington Museum zu London. Die aufschwebende Figur
der Caritas entspricht dem Christus in unserem Bilde, dessen Hülle in den weissen
 
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