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1896

Kr. 1 und 2

. JUGEND .

hinaus. Die Geister wieder hinter ihm her! Endlich fingen
sie ihn, die Farben fanden sie bei ihm aber nicht mehr. In
jener Hütte hatte er sie in aller Eile wieder versteckt. Man
brachte den Berggeist vor den lieben Gott, der nun ernstlich
böse war und mit grausigen Strafen drohte, wenn die ge-
stohlenen Farben nicht mehr zur Stelle kämen. In seiner
Todesangst war der Berggeist ja gerne bereit, Alles zu thun,
was der liebe Gott verlangte. Aber er fand das Haus nicht
mehr, wo er die Farben versteckt hatte. Denn dazumal war’s
finstere Nacht gewesen und bei dem Tempo, in dem die
Hetzjagd abgehalten ward, hatte er auch die Hausnummer
nicht aufgeschrieben. Der Berggeist aber musste nun suchen
und suchen — er war so lange verdammt und vom Nektar
und Ambrosia ausgeschlossen, bis der Raub wieder ein-
geliefert sei. Und nun suchte er tagaus, tagein, jahraus,
jahrein jeden Winkel der Welt ab und konnte die Farben
nicht finden. Mit dieser verzweifelten Beschäftigung brachte
er sechzig Jahre hin und in Momenten der Ruhe fluchte er
wie ein Husarenwachtmeister. Aber es fiel ihm partout nicht
mehr ein, wo er die Farben bei jener nächtlichen Parforce-
jagd durch die Alpen hingebracht hatte.

Als der Berggeist nun eines Tages, vom Suchen müde,
in einer Felsschlucht einschlief, erschien ihm ein lichter
Genius, der einige passende und gefühlvolle Worte sprach
und dem Ruhelosen mittheilte, er habe damals in der Hütte
die Farben in einer Wiege versteckt. Darinnen lag ein neu-
geborenes Buberl. Nach Kinderart vergnügte es sich bald
damit, wie mit buntem Spielzeug, suchte später Thiere,
Menschen, Hütten und Berge getreulich nachzubilden, so
gut es ging; es wuchs heran und strebte als Jüngling und
Mann immer eifriger der hohen Kunst des Malens nach.
Und so sei er nach und nach ein weltberühmter Maler
geworden:

„Auf den sein Land so stolz und seine Freunde

Neidlos mit herzlicher Bewund’rung schau’n.“

Und das Buberl von damals und der berühmte Maler von
heute — sei der Defregger Franzi!

Weil aber des Berggeists Gaunerei so gut ausgeschlagen,
habe ihm der liebe Gott die Strafe in Gnaden erlassen!

So wird in einem launigen Festspiel erzählt, das die
Münchner „Allotria“ an dem Defregger-Abend aufführte, den
sie, den Jubilar zu feiern, diesen Sommer veranstaltet hat.
Und zum Ehrenabend des Franz Defregger zeichnete der
Franz Stuck mit markigen Strichen das Conterfei dazu, das
wir vorstehend nachgebildet haben. Bild und Märlein sind
hübsch genug, dass wir sie unseren Lesern mittheilen dürfen.
Oder nicht?

Aus dem Nachlasse des H. Jeremias Grobschmied. Mit innerer Empörung heraus*
gegeben von Otto von Leixner.

Im Anfang hat es nur Männer auf der Welt gegeben.
Yarencso edel, brav, friedfertig, dass alle nach dem Tode
sorort zu Engeln ernannt worden sind. Als aber der Andrang
sann der liebe Gott auf Aushilfe und erschuf
' "Eider. Diese brachten es fertig, die Mannsleute so zu
verderben, dass es im Himmel jetzt oft an Engeln fehlt und

Frauen angestellt werden müssen. Aber Skt. Petrus klagt
über die Leistungen. Sie sind schwach, sehr schwach.

Es gibt Männer, die sich wegen unglücklicher Liebe ver-
giften, aufhängen, erschiessen, oder sogar — das muss sehr
bitter sein — Gedichte schreiben. Narren, dreifache Narren!
Nicht einzusehen, wie gut es das Schicksal mit ihnen gemeint
hat. Wäre die Liebe erwidert worden, so hätten sie ja ge-
heiratet.

Es gibt Männer, die zweizüngig sind. Das sind Weiber
niemals. Die sind mindestens dreizüngig.

Der grösste Mann ist auf dem besten Weg, ein sehr klei-
ner zu werden, sobald er an Schmeicheleien der Frauen Ge-
fallen zu finden beginnt.

Die schönen und geistreichen Weiber sind niemals ganz
zufrieden, wenn man nur schön findet, was ihr Mund spricht.
Man muss auch die Lippen bewundern.

Hat man jemals etwas von des Teufels Grossvater ge-
hört? Die mühseligsten gelehrten Forschungen haben ur-
kundlich nur die Grossmutter nachweisen können. Eine
erfreuliche Bestätigung meiner Ansicht, dass der Ursprung
des Uebels durch Parthenogenesis in die Welt gekommen sei.

Als ich das „schöne Geschlecht“ nicht kannte, wie hab
ich damals dafür geschwärmt! Für einen süssen Blick hätte
ich mich in das nächste Weltmeer gestürzt. Jetzt durch-
schaue ich es bis in das Fältelten, wo der Satan drinnen
sitzt. Und, Ironie des Schicksals: ich habe sechs Töchter.
Ich werde einen Knaben adoptiren müssen, um ihm meinen
Weiberhass zu vererben.-Wenn es meine Frau erlaubt.

Ich habe oft Gelegenheit, viele Männer der geistigen Be-
rufe zu sehen. Was macht unsere Zeit aus uns! Entweder
mergelt sie uns aus, oder sie bläst uns auf. Enge Brust —
Hängebauch, Scylla — Charybdis. Wenige schiffen glücklich
durch. Zuerst ochsen wir und stopfen das Hirn mit allerlei
voll, was wir zu vergessen verpflichtet sind. Das nennt man
„Gymnastik des Geistes“. Dann wird unser Wissen geaicht
und nun treten wir in den Beruf. Die einen sitzen den gan-
zen Tag in Schreibstuben aller Art; oder auf Lehrstühlen,
um den Schülern zu sagen, was diese zwanzig bis dreissig
Jahre später umlernen müssen, weil es nicht mehr wahr ist;
andere rennen Trepp’ auf, Trepp’ ab, um gesunde Menschen
krank zu machen, natürlich streng wissenschaftlich u. s. w.
So geht es Tage, Jahre, Jahrzehnte. Toll werden die Nerven,
die Muskeln schlaff. Und das soll ein Mannesleben sein!
Manchmal, wenn ich auf der Strasse gehe, steigt in mir ein
närrisches Verlangen auf, um mich zu schlagen und dem
Ersten Besten zuzuschreien: „Kerl, jetzt box’ mit mir, bis
wir Beiden lauter blaue Flecke am Leibe haben!“ Da fühlte
man doch wieder, dass auch im Hauen Poesie steckt. Aber
das geht nicht; der Schutzmann hätte kein Verständniss für
meine Culturmüdigkeit und der Herr Richter — ob engbrüstig
oder dickbäuchig — verdonnerte mich wegen groben Unfugs.

O göttliche Grobheit! Die Gebildeten schmähen dich,
ich aber bete dich an. Wie oft sind sie zu mir gekommen,
die Feinen und Glatten, um mich mit schönen Worten zum
Schuften zu machen; mich zur Untreue gegen mich selbst
zu verführen; für meine Ehre boten sie mir Ehren; ein wenig
bücken sollte ich mich; sollte sprechen für das Unrecht, für
die Lüge — ich könne innerlich glauben, was ich wolle. Und
sie kamen immer wieder und waren nicht abzuschütteln. Da
tratest du zu mir und gabst mir Worte, kräftig, klotzig, hain-
buchern, aber deutsch und wahr. Das erst stieg den Feinen
in die Nase. Seitdem gelte ich als „ungebildet“. Aber wenig-
stens haben sie mich nicht in ihren Model gepresst; ich habe
mein Selbst gerettet — und das danke ich dir, göttliche
Grobheit!

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[nicht signierter Beitrag]: Vignetten
Otto Leixner v. Grünberg: Ungeschliffene Gedanken
 
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