1896
JUGEND
Nr. 1 und 2
Der Souffleur.
Der Mann im Kasten — oder Frau —-
Wird bald vor Zorn und Aerger grau!
Dem einen, der grad etwas kann
Schreit viel zu laut der gute Mann —
Der andere, den’s nicht interessiert,
Sagt: Schreien Sie nur ungeniert!
Kommt kein Applaus oder nur dünn
So schimpft und tobt man gegen ihn :
„Das Vorhangzeichen kam zu spät,
Die Stimmung da zum Teufel geht!“ —
Ihm gieng die Stimmung längst dahin,
Er knurrt in seinem Kasten drin
Und schnupft und schneuzt als wie ein Bär,
Zu Neujahr wird er freundlicher.
Der Inspicient.
Ein Biedermann, der Inspicient,
Der immer denkt: „Wär’s nur zu End“!
Stets macht er „Bst“, auch wenn’s ganz still.
Er blitzt und donnert, wenn man will,
Macht Sturm und Regen, Feuersbrunst
Und „schickt hinaus“ mit vieler Kunst,
Und ist’s bei einer falschen Thür,
So kann er niemals was dafür.
Wenn Beifall tönt — in schnellem Lauf
Kommt er und macht die Klappe auf.
„Melkt“ er am Vorhang hin und her,
So klatscht man dann noch heftiger.
Und lässt er gar die Klappe offen,
Darf man auf weitern Beifall hoffen !
Der Theaterdiener.
Der weiss genau, woher der Wind,
Ob’s Stück gefällt — wieviel drin sind,
Wer nächstens eine Rolle spielt —
Und wer jetzt im Bureau befiehlt —
Mit wem jetzt die Naive geht —
Wie’s mit des Helden Vorschuss steht —
Warum man die nicht engagiert —
Dass sich der neue Gast blamiert!
Trägt er wo eine Rolle hin,
Geht’s im Galopp mit frohem Sinn !
Doch holt er eine Rolle — ha —
Als Leichenbitter steht er da !
(Die zart’re Hälfte der Materie
Behandelt eine weit’re Serie!)
Serenissimus: Sehr hübsch, das Porträt von Gräfin Deggen-
dorff! Sehr ähnlich!
Der Herr Direktor: Gestatten Ew. Durchlaucht die unmass-
gebliche Bemerkung, dass das Portät eigentlich im Grunde,
sozusagen, nicht die Gräfin Deggendorff, sondern die Gräfin
Meggendorff darstellt —
Serenissimus: Ach! Die Meggendorff? — Auch sehr ähnlich!
Grabschrift
auf einen grossen Arzt.
Hier ruht von falschen Diagnosen
Ein ordentlicher Professor aus:
Nicht schützten grössere Jodkali-Dosen
Ihn vor dem kleinen Bretterhaus.
Er ward an’s eigne Krankenbett berufen,
Doch eh’ sich auf sich selbst besonnen
Der arme so berühmte Mann,
Stand er schon auf den Himmelsstufen.
Er war kein grosser Geist — ein wenig Streber
Er nahm nicht viel und war kein Filz,
Sein letztes Wort war: „’s sitzt mir in der Milz!
Post mortem aber sass es in der Leber! —
Fritz Murner.
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JUGEND
Nr. 1 und 2
Der Souffleur.
Der Mann im Kasten — oder Frau —-
Wird bald vor Zorn und Aerger grau!
Dem einen, der grad etwas kann
Schreit viel zu laut der gute Mann —
Der andere, den’s nicht interessiert,
Sagt: Schreien Sie nur ungeniert!
Kommt kein Applaus oder nur dünn
So schimpft und tobt man gegen ihn :
„Das Vorhangzeichen kam zu spät,
Die Stimmung da zum Teufel geht!“ —
Ihm gieng die Stimmung längst dahin,
Er knurrt in seinem Kasten drin
Und schnupft und schneuzt als wie ein Bär,
Zu Neujahr wird er freundlicher.
Der Inspicient.
Ein Biedermann, der Inspicient,
Der immer denkt: „Wär’s nur zu End“!
Stets macht er „Bst“, auch wenn’s ganz still.
Er blitzt und donnert, wenn man will,
Macht Sturm und Regen, Feuersbrunst
Und „schickt hinaus“ mit vieler Kunst,
Und ist’s bei einer falschen Thür,
So kann er niemals was dafür.
Wenn Beifall tönt — in schnellem Lauf
Kommt er und macht die Klappe auf.
„Melkt“ er am Vorhang hin und her,
So klatscht man dann noch heftiger.
Und lässt er gar die Klappe offen,
Darf man auf weitern Beifall hoffen !
Der Theaterdiener.
Der weiss genau, woher der Wind,
Ob’s Stück gefällt — wieviel drin sind,
Wer nächstens eine Rolle spielt —
Und wer jetzt im Bureau befiehlt —
Mit wem jetzt die Naive geht —
Wie’s mit des Helden Vorschuss steht —
Warum man die nicht engagiert —
Dass sich der neue Gast blamiert!
Trägt er wo eine Rolle hin,
Geht’s im Galopp mit frohem Sinn !
Doch holt er eine Rolle — ha —
Als Leichenbitter steht er da !
(Die zart’re Hälfte der Materie
Behandelt eine weit’re Serie!)
Serenissimus: Sehr hübsch, das Porträt von Gräfin Deggen-
dorff! Sehr ähnlich!
Der Herr Direktor: Gestatten Ew. Durchlaucht die unmass-
gebliche Bemerkung, dass das Portät eigentlich im Grunde,
sozusagen, nicht die Gräfin Deggendorff, sondern die Gräfin
Meggendorff darstellt —
Serenissimus: Ach! Die Meggendorff? — Auch sehr ähnlich!
Grabschrift
auf einen grossen Arzt.
Hier ruht von falschen Diagnosen
Ein ordentlicher Professor aus:
Nicht schützten grössere Jodkali-Dosen
Ihn vor dem kleinen Bretterhaus.
Er ward an’s eigne Krankenbett berufen,
Doch eh’ sich auf sich selbst besonnen
Der arme so berühmte Mann,
Stand er schon auf den Himmelsstufen.
Er war kein grosser Geist — ein wenig Streber
Er nahm nicht viel und war kein Filz,
Sein letztes Wort war: „’s sitzt mir in der Milz!
Post mortem aber sass es in der Leber! —
Fritz Murner.
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