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Nr. 3

1896

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Aller Künste Meister

Zum 18. Januar

Im Sachsenwalde, da lebt ein Mann,

Der Alles weiss und der Alles kann,

Ist klüger als Tausend zusammen:

Er hat geschneidert und hat genäht,

Er hat gedroschen, er hat gesä’t,
Geschmiedet in sprühenden Flammen!

Er hat gewebt und er hat gefärbt,

Er hat gemünzt und er hat gegerbt,

Er wusste zu mauern, zu zimmern,

Er hat gemalt und er hat gereimt
Und kunstreich wieder zusammengeleimt,
Was morsch war und elend in Trümmern.

Gezimmert? — Jawohl: einen stolzen
Thurm,

Dem schadet kein Feuer, den fällt kein Sturm,
Ob Wind ihn und Wölfe umheulen!
Gemauert? — Jawohl: und mit Eisen
und Blut

Die Steine verbunden! Der Bau ist gut,
Er gründet auf ehernen Säulen.

Geschneidert? — Jawohl: ein bräut-
lich Kleid

Germania, seiner geliebten Maid,

Statt der alten, buntscheckigen Flicken!
Gedroschen? — Jawohl auf der Feinde
Haupt,

Die uns die Ehr’ und den Frieden geraubt!
Gegerbt? Manch’ bübischen Rücken!

Gesä’t? In der Deutschen Herzen Gru.id
Hat er gelegt für den neuen Bund,

Den Samen nie welkender Treue!

Die Saat ward mit heiligem Blut genetzt,
Dass nie sie ein tückischer Wurm verletzt
Und sie immer erblühe auf’s Neue.

Geschmiedet? — Jawohl: ein Nothung-
schwert

Dem Arme, den erst kaum ein Stecken
bewehrt —

Und wie hat die Klinge gepfiffen!
Begeisterung gab ihm für’s Eisen die Gluth
Und am stahlharten Teutonenmuth
Hat er die Schneide geschliffen!

Gewebt? Ja, ein unzerreissbar Band
Und mit gewaltiger Meisterhand
Verknüpft den Süden und Norden!
Gefärbt? Mit köstlichem Purpurroth
Den Kaisermantel, der in der Noth
Der Zeiten schäbig geworden!

Gemünzt? Der Vaterlandsliebe Erz,
Das tief erfüllte des Volkes Herz,

Doch von Schutt und von Schlacken um-
woben !

Lang wussten sie nicht, wie reich sie
sei’n —

Da leuchtete er mit der Fackel drein
Und der herrliche Hort war gehoben!

Gemalt? Ein funkelndes Wappenbild,
Das heute vor jedem anderen Schild
Hindräut über Länder und Meere!
Gereimt? Jawohl: für das alte Lied
Von schmählicher Zwietracht, die Deutsch-
land schied,

Das Lied von der Eintracht und Ehre.

Gar trübe sah’s aus vor dem grossen Jahr,
Es waren dem herrlichen Kaiseraar
Gebrochen Schwingen und Klauen;

Die Krone die sank ihm vom stolzen
Haupt —

Und frevelnde Hände hatten geraubt
Die schönsten der rheinischen Gauen!

Und weil unsern Bismarck die Noth be-
drückt,

D’rum hat er den Leimtopf an’s Feuer ge-
rückt;'

An glühender Herzen Flammen,

Da kochte er sich einen festen Kitt
Und rührte ihn brav und leimte damit
Den Aar und die Lande zusammen!

Ein Vierteljahrhundert hält es schon
Und nirgend erblickt man die Spur davon,
Dass es nicht auf immer sollt’ halten!
Und wer nur im Lande sein Handwerk kann,
Der sieht das Werk mit Bewund’rung an
Und segnet den herrlichen Alten!

So lange Ihr Ihn zum Vorbild wählt,

Ist’s nimmer um guten Rath gefehlt
Im Reiche germanischer Geister:

Und heute ist just der rechte Tag,

Dass man sein in Ehren gedenken mag,
Der aller Künste ist Meister!

Die Gläser herbei — und das Beste hinein!

Und donnert es laut über Weichsel und Rhein,
Dass Fenster und Wände beben:

Der Held, der die Deutschen des Fürchtens entwöhnt,
Und der uns in Wälschland den Kaiser gekrönt,
Der alte Bismarck soll leben! F. v. O.

3S
Register
Julius Diez: Zeichnung ohne Titel
F. v. O.: Aller Künste Meister. Zum 18. Januar
 
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