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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 3 (18. Januar)
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Nr. 3

JUGEND

1896

Die Tage von Le Bourget haben unseren Garden derb zu-
gesetzt und das dreitägige Ringen um Villiers schlug tiefe Risse
in die sächsischen, württembergischen und preussischen Li-
nien. Aber es lohnte sich herrlich, denn nicht ein einziger
Durchbruch der Pariser gelang.

Nun versuchten es die Provinzen, die bedrängte Haupt-
stadt zu retten. Gambetta organisirte die allgemeine National-
vertheidigung, den Volkskrieg.

Zuerst rückte eine Armee im Oktober von der Loire vor.
Sie gerieth unter die Fäuste der Bayern von der Tanns und
der Thüringer. Orleans ward von Tann erobert; die erste
französische Loirearmee hatte aufgehört zu existieren. Un-
ermüdlich stampfte Gambetta neue Massen aus dem Boden.
Vor diesen musste Tann eine kurze Strecke weichen. Jetzt
kam der Mecklenburger Grossherzog mit seinen Landeskin-
dern und den Hanseaten den Bayern zu Hilfe, und die Thürin-
ger griffen wieder ein.

In harten Kämpfen, unter unglaublichen Strapazen wies
diese tapfere Armeeabtheilung alle Vorstösse der feindlichen
Uebermacht zurück.

Unterdessen rückte Prinz Friedrich Carl mit der zweiten
Armee von Metz heran. Der fasste die Franzosen im Osten.
Bei Beatme la Rolande hat er sie so erschüttert, dass ihnen dort
die Lust zu weiterem Vordringen verging.

Nun marschierte der Mecklenburger abermals gegen Or-
leans vor. Schlacht auf Schlacht — Loigny etc. — folgte,
blut- und leichenbedeckte Schnee- und Eisfelder bezeichneten
den Weg. Aber es gelang.

Orleans wurde von Tann’s Bayern, von Mecklenburgern,
Hanseaten, Thüringern und Preussen zum zweiten Male er-
obert.

Und doch hatten die Franzosen noch nicht genug. Chanzy
drang mit neuen Massen vor. Zuerst zerschellte er aber am
Widerstand der Deutschen, des Mecklenburgers bei Beaugency
Cravant. Und dann kam Prinz Friedrich Carl über ihn, warf
ihn gegen die Sarthe zurück und machte mit seinen Branden-
burgern, Hannoveranern und Schleswigholsteinern in der
dreitägigen blutigen Schlacht bei Le Mans ihm den Garaus.

Wer diesen Winterfeldzug an der Loire und Sarthe mit-
gemacht, vergisst ihn nie. Er war die schwerste Aufgabe
des ganzen Krieges.

Auch die französischen Nordprovinzen wollten der Haupt-
stadt beistehen. Faidherbe zog über Hamm südwärts. Er stiess
auf Goebens Ostpreussen und Rheinländer und wurde an der
Hallue am 23. und 24. Dezember gründlich geschlagen.

Noch immer gab Gambetta nicht nach. Er trieb im Süd-
osten um Dijon neue Massen zusammen. Bourbaki sollte mit
ihnen hinter den deutschen Armeen in Deutschland selbst
einfallen, Garibaldi mit der Vogesenarmee ihm die Flanke
decken. Das war kühn erdacht und unternommen, scheiterte
aber gänzlich an der zähen, todesmuthigen Gegenwehr der
Badenser und übrigen Deutschen Werder’s, die bei Villersexel
und an der Lisaine leisteten, was menschenmöglich war.

Nun blieb Paris sich selbst überlassen; es musste fallen.

Als äusserstes Druckmittel hatte man mit der Beschiess-
ung der französischen Hauptstadt begonnen. Dies und der
täglich zunehmende Mangel veranlassten die tapferen Ver-
theidiger zum letzten Versuch. Beim Mont Valerien fielen
100,000 Mann aus und wurden am 19. Januar 1871 durch
Niederschlesier gründlich geschlagen.

Am 18. erstand in Versailles der deutsche Kaiserthron.

Am 28. kapitulierte Paris.

In den Provinzen fiel eine Festung nach der andern in
deutsche Hände; im Süden, Westen und Norden standen
entmuthigt die Trümmer der Armeen Chanzy’s und Faid-

herbe’s, Gewehr bei Fuss; im Südosten trieb Manteuffel mit
den Pommern und der Werder’schen Armee die Franzosen
Bourbaki’s über Pontarlier in die Schweiz.

So endete der grosse Krieg.

Am 1. März zogen wir triumphierend in Paris ein; am
2. wurden die Friedenspräliminarien unterschrieben.

Wir haben von 1,113,254 nach Frankreich ausmarschier-
ten Deutschen 129,700 Mann verloren,

Dagegen 383,841 Franzosen gefangen,

107 Fahnen,

7,441 Geschütze erobert,

5 Milliarden erhalten.

Die Hauptsache aber war:

»Eisass und Lothringen sind wieder deutsch, und wir
haben, was wir so lange ersehnten, einen Kaiser und ein
einiges deutsches Reich.

Hurrah !

Abschied.

Scherzend sagt' ich deinen Lippen
Lebewohl zum letzten Mal,

Aber tobend an die Rippen
Schlug das Herz in stummer Qual.

Deiner Augen Todesleuchten
Glänzte wie aus andrer Welt.

Manchmal sah ich solches Leuchten —
Wenn ein Stern vom Himmel fällt.

*

Vorbei.

Das Donnerwetter im Herzen
Hat ausgegrollt;

Von der Wimper die letzte
Zornige Zähre rollt.

Schon wehen kühle Gedanken
Wie Morgenlüfte her;

Wenn wir uns Wiedersehen
Ich kenn' dich nicht mehr.

ALBERT MATTHAEI.

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Register
Julius Diez: Vignetten
Albert Matthäi: Vorbei
Albert Matthäi: Abschied
 
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