1896
JUGEND
Nr. 3
Aller Orten gährt und kocht es
Wie in einem Hexenkessel;
Nach den Thronen zischt und pocht es,
Wackelnd stehn Ministersessel.
Ach! was nützt es, wenn voll Eifer
Fromme, zartgestimmte Seelen
Späh’n umher zum Wohl des Volkes,
Wo noch Feigenblätter fehlen!
Denn die Welt ist schlecht, und lange
Schon sie nimmermehr gefällt mir,
Weil der Menschen planlos’ Treiben
Alle Freude dran vergällt mir. —
Sachte, Freund! Noch Eines giebt es,
Welches immer int’ressant ist,
Wo die Energie des Strebens
Und Empfindens hochgespannt ist.
Dieses Eine wirst du immer
Sehn die schönsten Blüthen treiben,
Und in Ernst und toller Laune
Wird es gleich erfreulich bleiben.
Mag herum das Unkraut schiessen,
Dort gedeihet noch die Tugend.
Freu’n wir uns, dass wir es haben
Dieses Eine, s’ist die Jugend.
Topp! Jedoch das Heer der Thoren
Möchten wir nicht ganz entbehren,
Weil wir oft aus ihren Thaten
Ziehen unsre besten Lehren.
Bis vom Kopfe der Bavaria
Man ein Häusermeer nur schau’n wird, —
Bis der Wittelsbacher Brunnen
Von der Sonne kaffebraun wird, —
Stirbt sie noch nicht aus, die Thorheit,
Und aus unserm Fenster lugend,
Wollen wir sie recht betrachten
Und belachen, wir,
die „JUGEND“.
Die bayerischen Reichsräthe im Hofbräuhaus.
D’rauf sprachen in Weisheit des Reiches
Räthe:
»Wie wär’s, wenn man’s selber verkosten
Des Reiches Räthe, sogar die erblichen,
Trinken Bier so gut, wie die anderen Sterb-
lichen.
Da ward nun behauptet jüngst in der
Kammer,
Mit dem Hofbräubier da sei es ein Jammer.
thäte?«
Gesagt — gethan! Wie Sepperl und Natzl
Schritten die fürnehmen Herren zum Platz!.
Das war der Graf Grapski auf Klazkowo
Im Lande der Bettelstudenten,
Dem musste ein löbliches Schöffengericht
Vor Kurzem ein Strafmandat senden.
Das war der Graf Grapski auf Klazkowo
Der hat seine Wuth nicht gezügelt
Und — weil ihm der Freche die Hand nicht
geküsst, —
Einen deutschen Beamten geprügelt.
Drauf hat man verdonnert zu fünfzig Mark
Den temperamentvollen Grafen —
Doch dass ihn der Andere nicht wieder
verhau’n,
Das soll man empfindlicher strafen!
Den hätt’ ich vom Amte suspendiert
Bis dass eine Quittung ihm schriebe
Der edle Graf Grapski auf Klazkowo —
Für die wieder erhaltenen Hiebe!
Sie kosteten lange und schlürften tief
Und mancher durchlauchtige Mund ward
schief.
Und drinnen in höchstihren Eingeweiden
Fühlten sie’s bohren und sägen und
schneiden.
Der Nieverlegene
Und wo noch solches vorhanden war
Stand ihnen zu Berge hoch ihr Haar.
Da riefen Hochwohl- und Hochgeboren:
»O weh ! Da ist Hopfen und Malz verloren.«
Wenn in schwersten Schicksalslagen
Alle Weisheit will versagen,
Wenn die klügsten Diplomaten
Im Erwägen, im Berathen,
Zögernd steh’n und stumm:
Einen wird es nie gelingen,
In Verlegenheit zu bringen.
Alles weiss und weiss er besser,
r*-~„c
Der bekannte
_ Herr Professor
Vom Gymnasium.
GEORG BÖTTICHER.
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JUGEND
Nr. 3
Aller Orten gährt und kocht es
Wie in einem Hexenkessel;
Nach den Thronen zischt und pocht es,
Wackelnd stehn Ministersessel.
Ach! was nützt es, wenn voll Eifer
Fromme, zartgestimmte Seelen
Späh’n umher zum Wohl des Volkes,
Wo noch Feigenblätter fehlen!
Denn die Welt ist schlecht, und lange
Schon sie nimmermehr gefällt mir,
Weil der Menschen planlos’ Treiben
Alle Freude dran vergällt mir. —
Sachte, Freund! Noch Eines giebt es,
Welches immer int’ressant ist,
Wo die Energie des Strebens
Und Empfindens hochgespannt ist.
Dieses Eine wirst du immer
Sehn die schönsten Blüthen treiben,
Und in Ernst und toller Laune
Wird es gleich erfreulich bleiben.
Mag herum das Unkraut schiessen,
Dort gedeihet noch die Tugend.
Freu’n wir uns, dass wir es haben
Dieses Eine, s’ist die Jugend.
Topp! Jedoch das Heer der Thoren
Möchten wir nicht ganz entbehren,
Weil wir oft aus ihren Thaten
Ziehen unsre besten Lehren.
Bis vom Kopfe der Bavaria
Man ein Häusermeer nur schau’n wird, —
Bis der Wittelsbacher Brunnen
Von der Sonne kaffebraun wird, —
Stirbt sie noch nicht aus, die Thorheit,
Und aus unserm Fenster lugend,
Wollen wir sie recht betrachten
Und belachen, wir,
die „JUGEND“.
Die bayerischen Reichsräthe im Hofbräuhaus.
D’rauf sprachen in Weisheit des Reiches
Räthe:
»Wie wär’s, wenn man’s selber verkosten
Des Reiches Räthe, sogar die erblichen,
Trinken Bier so gut, wie die anderen Sterb-
lichen.
Da ward nun behauptet jüngst in der
Kammer,
Mit dem Hofbräubier da sei es ein Jammer.
thäte?«
Gesagt — gethan! Wie Sepperl und Natzl
Schritten die fürnehmen Herren zum Platz!.
Das war der Graf Grapski auf Klazkowo
Im Lande der Bettelstudenten,
Dem musste ein löbliches Schöffengericht
Vor Kurzem ein Strafmandat senden.
Das war der Graf Grapski auf Klazkowo
Der hat seine Wuth nicht gezügelt
Und — weil ihm der Freche die Hand nicht
geküsst, —
Einen deutschen Beamten geprügelt.
Drauf hat man verdonnert zu fünfzig Mark
Den temperamentvollen Grafen —
Doch dass ihn der Andere nicht wieder
verhau’n,
Das soll man empfindlicher strafen!
Den hätt’ ich vom Amte suspendiert
Bis dass eine Quittung ihm schriebe
Der edle Graf Grapski auf Klazkowo —
Für die wieder erhaltenen Hiebe!
Sie kosteten lange und schlürften tief
Und mancher durchlauchtige Mund ward
schief.
Und drinnen in höchstihren Eingeweiden
Fühlten sie’s bohren und sägen und
schneiden.
Der Nieverlegene
Und wo noch solches vorhanden war
Stand ihnen zu Berge hoch ihr Haar.
Da riefen Hochwohl- und Hochgeboren:
»O weh ! Da ist Hopfen und Malz verloren.«
Wenn in schwersten Schicksalslagen
Alle Weisheit will versagen,
Wenn die klügsten Diplomaten
Im Erwägen, im Berathen,
Zögernd steh’n und stumm:
Einen wird es nie gelingen,
In Verlegenheit zu bringen.
Alles weiss und weiss er besser,
r*-~„c
Der bekannte
_ Herr Professor
Vom Gymnasium.
GEORG BÖTTICHER.
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