1896
JUGEND
Nr. 4
»Es war ja nur um Ihr Glück! Ich
— ach Gott, auf mich kam es ja gar nicht
an! Ich hätte Keinem was merken lassen
und wenn mir das Herz gebrochen wäre —«
»Aber lieb hast Du mich nicht?«
»Ich hätte die Zähne zusammenge-
bissen und gelacht und wäre eine alte
Jungfer geworden —«
»Trotz Mama, Tante Laura, Amts-
richter, Doktor und Major! — Ja aber
warum denn das Alles, wenn Du mich
gar nicht lieb hast?«
»Ach — Du!«
»Aber nun zurück zu Mama!«
»Herr Doktor, wo bleiben Sie denn
so lange mit meiner Kleinen?«
»Mama, wir hatten — ich habe —«
»Miez und ich hatten uns so viel zu
sagen. Gelt Miez, Du erzählst es Deiner
Mama? Ich muss zur Quadrille! —«
»Aber Ihr duzt Euch ja noch!«
»Verzeihen Sie, gnädige Frau — wir
duzen uns — wieder!«
»Siehst Du, Laura, ich hatte Recht!
Es ging prächtig! Man musste die jungen
Leutchen nur auf den rechten Weg bringen
— ich glaube, die wären ihr Lebtag nicht
darauf gekommen, dass sie sich lieb haben,
hätte ihnen mein Verbot nicht dazu ver-
helfen ! — Und Arthur bekommt das Ma-
jorat, wenn sein Onkel stirbt!«
f. v. OST1NI.
Ein Geheimniss!
Originalzeicbming von L. Corinth.
Verwehte Klänge
aus den Gärten der neuen geistigen Kunst.
Von unserem Spezial-Symbolisten.
ANKLANG.
War es das Klingen der goldenen Bleche
Dort am chinesisch gekräuselten Thurm?
War es der Lenzwind der lüsterne, freche,
Weckend Narzissen zu brünstigem Sturm?
Weil mich ein schmerzliches Klirren durchzückte
Wie vom venetisch geschliffnen Pokal,
Welchen nach all zu bacchantischem Mahl
In herrischen Fingern der Doge zerdrückte. -
VIA DOLORIS.
Führe mich die rauhe Strasse,
Die voll scharfer Kiesel ist,
Führe mich zur Dornenhecke,
Die voll spitzer Stacheln ist.
Flicht mir eine Dornenkrone,
Die voll spitzer Stacheln ist,
Flicht sie eng um meine Stirne,
Die voll bleicher Träume ist.
Wenn die bleichen Träume bluten,
Die in meiner Stirne sind,
Jauchz’ ich wie ein Sommervogel,
Der voll bunter Federn ist.
DA WEINT’ ER..
Von Ambraduft ein kräuselndes Gewölk
Und Rosenblätter,
Die auf des Perserteppichs dunklem Bunt
Hinwelkend blichen
Und eines Abendwölkchens goldner Glanz
Im Blau zerfliessend —
Das wars, was mir den amethystnen Blick
Zu Thränen trübte....
IRRES DÄMMERN.
Auch denk’ ich noch an jene stumme Stunde,
Die langsam-schwer die sammtne Schleppe schleifte
Und mit dem seltsam engelländ’schen Munde
In scheuem Kusse meine Locken streifte.
Den Purpurpfühl, d’rauf meine Glieder ruhten,
Stach scharf und kalt ein violetter Strahl
Und in der Dämmrung lethe-bleiche Fluthen
Sank meiner Schwermuth zitternder Opal...
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JUGEND
Nr. 4
»Es war ja nur um Ihr Glück! Ich
— ach Gott, auf mich kam es ja gar nicht
an! Ich hätte Keinem was merken lassen
und wenn mir das Herz gebrochen wäre —«
»Aber lieb hast Du mich nicht?«
»Ich hätte die Zähne zusammenge-
bissen und gelacht und wäre eine alte
Jungfer geworden —«
»Trotz Mama, Tante Laura, Amts-
richter, Doktor und Major! — Ja aber
warum denn das Alles, wenn Du mich
gar nicht lieb hast?«
»Ach — Du!«
»Aber nun zurück zu Mama!«
»Herr Doktor, wo bleiben Sie denn
so lange mit meiner Kleinen?«
»Mama, wir hatten — ich habe —«
»Miez und ich hatten uns so viel zu
sagen. Gelt Miez, Du erzählst es Deiner
Mama? Ich muss zur Quadrille! —«
»Aber Ihr duzt Euch ja noch!«
»Verzeihen Sie, gnädige Frau — wir
duzen uns — wieder!«
»Siehst Du, Laura, ich hatte Recht!
Es ging prächtig! Man musste die jungen
Leutchen nur auf den rechten Weg bringen
— ich glaube, die wären ihr Lebtag nicht
darauf gekommen, dass sie sich lieb haben,
hätte ihnen mein Verbot nicht dazu ver-
helfen ! — Und Arthur bekommt das Ma-
jorat, wenn sein Onkel stirbt!«
f. v. OST1NI.
Ein Geheimniss!
Originalzeicbming von L. Corinth.
Verwehte Klänge
aus den Gärten der neuen geistigen Kunst.
Von unserem Spezial-Symbolisten.
ANKLANG.
War es das Klingen der goldenen Bleche
Dort am chinesisch gekräuselten Thurm?
War es der Lenzwind der lüsterne, freche,
Weckend Narzissen zu brünstigem Sturm?
Weil mich ein schmerzliches Klirren durchzückte
Wie vom venetisch geschliffnen Pokal,
Welchen nach all zu bacchantischem Mahl
In herrischen Fingern der Doge zerdrückte. -
VIA DOLORIS.
Führe mich die rauhe Strasse,
Die voll scharfer Kiesel ist,
Führe mich zur Dornenhecke,
Die voll spitzer Stacheln ist.
Flicht mir eine Dornenkrone,
Die voll spitzer Stacheln ist,
Flicht sie eng um meine Stirne,
Die voll bleicher Träume ist.
Wenn die bleichen Träume bluten,
Die in meiner Stirne sind,
Jauchz’ ich wie ein Sommervogel,
Der voll bunter Federn ist.
DA WEINT’ ER..
Von Ambraduft ein kräuselndes Gewölk
Und Rosenblätter,
Die auf des Perserteppichs dunklem Bunt
Hinwelkend blichen
Und eines Abendwölkchens goldner Glanz
Im Blau zerfliessend —
Das wars, was mir den amethystnen Blick
Zu Thränen trübte....
IRRES DÄMMERN.
Auch denk’ ich noch an jene stumme Stunde,
Die langsam-schwer die sammtne Schleppe schleifte
Und mit dem seltsam engelländ’schen Munde
In scheuem Kusse meine Locken streifte.
Den Purpurpfühl, d’rauf meine Glieder ruhten,
Stach scharf und kalt ein violetter Strahl
Und in der Dämmrung lethe-bleiche Fluthen
Sank meiner Schwermuth zitternder Opal...
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