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1896

JUGEND

Nr. 4

Literatur-Ballerino.

Zwischen sieben Spiegeln tanzt er:

Nackt die Brust und nackt die Beine,

Um die Lenden ein gluthroth Tuch.

Zwischen sieben Spiegeln tanzt er;

Sieben Feuer werfen Scheine

Auf die wirbelnden Arme und Beine,

Auf das gluthrothe Lendentuch.

Und er lächelt — und bedenkt sich;

Und er faltet seine Brauen;

Und er schlägt sich und — bedenkt sich
Und drapirt das rothe Tuch.

Zwischen sieben Spiegeln tanzt er,
Schlägt ein Gong und singt — ein Buch.

Du süsse, halbvergess’ne Stunde
Im grünen Uferlaubgerank,

Wo ich zuerst von ihrem Munde,

Der Liebe holden Zauber trank!

Ein Windhauch ging durch Liebchens Locken
So mild, so weich — ein Frühlingstraum
Und streute leichte Blüthenflocken
Auf uns herab vom alten Baum.

Die grüne Laube sah ich wieder,

Den alten Blüthenbaum dabei,

Wie damals duftete der Flieder,

Wie damals schimmerte der Mai.

Doch meine heissen Augen riefen
Die todte Liebe nicht zurück.

Versunken wie in ferne Tiefen
Lag jene Stunde und ihr Glück.

Der Tag verblich, die Schatten sanken
Und Nebel dampften aus der See,

Schwer lag der Nachtthau auf den Ranken,
Wie auf der Seele stummes Weh,

Es kam die Nacht auf leichten Sohlen —

Da klang’s vom Fischerhause her:

»Du wirst Dir den Schnupfen holen
So ohne Paletot, Nachts am Meer!«

Gaudeamus-Potpourri.

Wie selbiges der Studiosus philosuffiae Schwuchtibert Sing-
huber auf dem Heimwege vom grossen Scheffel-Kommerse
gedichtet, nachempfunden und in die stille Nacht hinein-
gehaucht hat.

Mel.: »Alt Heidelberg, du feine —«
und zwar behaupten böse Zungen, der Edle habe das Lied
aus Fisis-Moll und in s/7 Takt gesungen.

Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,

Fahr’ wohl, mein grauer Hut!

Gibt’s nirgend mehr ’nen Tropfen Wein?

Mir ist so kreidig zu Muth.

Alt Heidelberg, du feine,

'Raus da! Rem blemm! Hollaheh!

Schon friert’s mich an die Beine
Im Lamm zu Niniveh.

Augustus sass im Kaisersaal,

An Durste riesengross:

O Welt, du Katzenjammerthal,

Wir kleben und kommen nicht los.

Alt Heidelberg, du feine
Im schweigenden Ocean,

Ich pfeif’ auf die saueren Weine,

Wir pumpen niemand mehr an.

Zwölf Palmen ragten am Meeresstrand,
Blauäuglein blitzen drein,

Da sprach der Hausknecht aus Nubierland:

Es hat nicht sollen sein!

Alt Heidelberg, du feine,

Der Schwed’, der Schwed’ ist da!

Die Wahrheit liegt im Weine,

Sit vino gloria!

EDWIN BORMANN.

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Index
Arpad Schmidhammer: 3 Zeichnungen
Hans Erich Blaich: Literatur-Ballerino
Edwin Bormann: Gaudeamus-Potpourri
[nicht signierter Beitrag]: Am Meer
 
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