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Nr. 5
1896
O Ihr Chi- und Japanesen!
Bleibt doch nur, wie Ihr gewesen
Vor dem unglücksel’gen Kampf!
Glaubt nur ja nicht, dass mit Dampf
Rücken müsse Alles näher,
Was wir armen Europäer
Die Kultur benambsen! — Nein!
Solches muss gewiss nicht sein!
Wahrt Euch Eure heil’gen Güter,
Eure fröhlichen Gemüther,
Lebt in kindlich-heiterm Sinn
Sorgenlos wie Blumen hin!
Freut Euch an der Wellen Schaukeln,
An der Schmetterlinge Gaukeln,
An der Vögel Prachtgefieder,
An der Rose, an dem Flieder,
An der Nelke, an der Lilie,
Haltet fern von der Familie,
Euren Mägdlein, Euren Frau’n,
Was der alte Buddha gnädig
Euch bedeckt mit Nacht und Grau’n!
Denn Ihr bliebet lieber ledig,
Wüsstet Ihr, wie mit Methode
Unsre Ruh’ zerstört die Mode,
Wie die Frau’n, um sich zu zieren,
Ihre Männer drangsaliren,
Wie sie ihre schlanken Leiber
Deformiren durch Korsette,
Watte, Fischbein, unsere Weiber
Und sich putzen um die Wette;
Wie sie fabelhafte Kragen,
Riesenhafte Aermel tragen,
Heute Seide, morgen Leinen,
Heute groben, morgen feinen
Velvet oder Cheviot.
Heute grün und morgen roth,
Heut’ gekörnt und dann gerippelt,
Heut’ gestreift und dann getippelt,
Heute zu Crepon verkrümelt,
Morgen glatt und dann geblümelt,
Bald mit Spitzen, bald mit Schmelz
Bald mit Borten, bald mit Pelz,
Heute tragen sie Jaquette —
Gegen alle Etiquette
Völker Ostasiens, ^
Sind sie morgen aber wieder;
Sie umhüllen ihre Glieder
Dann mit Capes und Pelerinen,
Oder wollen sich bedienen
Jener Boa’s, jener langen,
Von der Form der Riesenschlange11,
Bald mit Blumen, bald mit Feder,
Bald mit Bändern jeder Güte
Schmücken sie sich ihre Hüte,
Heute gross wie Wagenräder,
Morgen klein wie eine Mücke
Kennt Ihr erst der Moden Tücke,
O Ihr Chi- und Japanesen,
Bleibt Ihr gern, wie Ihr gewesen!
Und auch sonst das wilde Heer
Der Kultur bedroht Euch schwer,
Im Geschwindschritt naht’s heran-
Seht, da kommt der Börsenmann
Flieht, o flieht in schnellem Lauf,
Denn er hängt Euch Aktien auf!
Und es nahen Panamisten,
Spiritus und Spiritisten,
»1 Eure heiligsten Güter!
Gigerln in erles’ner Gruppe
Maler mit der Gliederpuppe,
Photographenamateure,
Sängerinnen, Männerchöre,
Grimmige Radaustudenten,
Auch Versicherungsagenten,
Das Ballet im kurzen Rockerl,
Lieutenants mit dem Monokerl
Schneidig, stramm und selbstbewusst
Und mit hochwattirter Brust.
Auch die Zeitungskolportage
Und die Presse überhaupt,
Die sich gar so viel erlaubt;
Mit dem Knüppel nah’n in Rage
Zukunftsstolze Proletarier,
Und es jammern die Agrarie •
Beim Champagner, deprimirt
Dass das Brod so billig wird!
Ordensschwindler, Ordensjäger
Und des Rückschritts Bannerträger
Nahn mit Kutten und mit Bäffchen,
Hetzkaplane, Modepfäffchen,
Auch mit eifrigen Missionen,
Wird der Schwarm Euch nicht verschonen
Leute, die in Mehl und Eisen,
Wein und Unterhosen reisen.
Leute, die die Welt kuriren
Und mit Wunderelixiren,
Pillen, Pulvern, Malzkaffee
Heilen alles Erdenweh!
Blaugestrumpfte Dichterinnen,
Leute, die auf Gründung sinnen,
Heineweltschmerznachempfindler,
Ausverkaufs- und Heirathsschwindler,
Ethische Culturverbreiter,
Bicyclisten, Sonntagsreiter,
Dombaulottocollektanten
Und Reklamekomödianten
Bau- und Grundstückspekulanten,
Schussbereite Trainsergeanten,
Medisante Kaffeetanten
Und die lieben Dilettanten
Jeder Kunst und jeder Art
Kommen mit auf dieser Fahrt;
TvH<2/4‘
Dritthalbjähr’ge Wunderkinder,
Haar- und Barttinkturerfinder,
Brauer ohne Malz und Hopfen,
Winzer ohne Traubentropfen,
Leute, die aus Unschlitt Butter
Machen — welch’ ein Schweinefutter! —
And’re Lebensmittelchemiker,
Aufgeblasene Akademiker,
Oede Eitelkeitspolitiker,
Augenglasbewehrte Kritiker,
Süssholzraspelnde Aesthetiker
Und Vererbungstheoretiker,
Temperenzler, Vegetarier,
Frisch, frei, froh und fromme Arier,
Alles, was wir hier im Westen
Zählen zu den schlimmen Gästen,
Und nicht die alleine nur
Bringt Euch schleunig die Kultur.
Darum wahret Euren Frieden,
Bleibt bei dem, was Euch beschieden,
Darum ruft mit seiner Leier
„Seht Euch vor!!“
Achtungsvoll der
Biedermaier (junior).
Nr. 5
1896
O Ihr Chi- und Japanesen!
Bleibt doch nur, wie Ihr gewesen
Vor dem unglücksel’gen Kampf!
Glaubt nur ja nicht, dass mit Dampf
Rücken müsse Alles näher,
Was wir armen Europäer
Die Kultur benambsen! — Nein!
Solches muss gewiss nicht sein!
Wahrt Euch Eure heil’gen Güter,
Eure fröhlichen Gemüther,
Lebt in kindlich-heiterm Sinn
Sorgenlos wie Blumen hin!
Freut Euch an der Wellen Schaukeln,
An der Schmetterlinge Gaukeln,
An der Vögel Prachtgefieder,
An der Rose, an dem Flieder,
An der Nelke, an der Lilie,
Haltet fern von der Familie,
Euren Mägdlein, Euren Frau’n,
Was der alte Buddha gnädig
Euch bedeckt mit Nacht und Grau’n!
Denn Ihr bliebet lieber ledig,
Wüsstet Ihr, wie mit Methode
Unsre Ruh’ zerstört die Mode,
Wie die Frau’n, um sich zu zieren,
Ihre Männer drangsaliren,
Wie sie ihre schlanken Leiber
Deformiren durch Korsette,
Watte, Fischbein, unsere Weiber
Und sich putzen um die Wette;
Wie sie fabelhafte Kragen,
Riesenhafte Aermel tragen,
Heute Seide, morgen Leinen,
Heute groben, morgen feinen
Velvet oder Cheviot.
Heute grün und morgen roth,
Heut’ gekörnt und dann gerippelt,
Heut’ gestreift und dann getippelt,
Heute zu Crepon verkrümelt,
Morgen glatt und dann geblümelt,
Bald mit Spitzen, bald mit Schmelz
Bald mit Borten, bald mit Pelz,
Heute tragen sie Jaquette —
Gegen alle Etiquette
Völker Ostasiens, ^
Sind sie morgen aber wieder;
Sie umhüllen ihre Glieder
Dann mit Capes und Pelerinen,
Oder wollen sich bedienen
Jener Boa’s, jener langen,
Von der Form der Riesenschlange11,
Bald mit Blumen, bald mit Feder,
Bald mit Bändern jeder Güte
Schmücken sie sich ihre Hüte,
Heute gross wie Wagenräder,
Morgen klein wie eine Mücke
Kennt Ihr erst der Moden Tücke,
O Ihr Chi- und Japanesen,
Bleibt Ihr gern, wie Ihr gewesen!
Und auch sonst das wilde Heer
Der Kultur bedroht Euch schwer,
Im Geschwindschritt naht’s heran-
Seht, da kommt der Börsenmann
Flieht, o flieht in schnellem Lauf,
Denn er hängt Euch Aktien auf!
Und es nahen Panamisten,
Spiritus und Spiritisten,
»1 Eure heiligsten Güter!
Gigerln in erles’ner Gruppe
Maler mit der Gliederpuppe,
Photographenamateure,
Sängerinnen, Männerchöre,
Grimmige Radaustudenten,
Auch Versicherungsagenten,
Das Ballet im kurzen Rockerl,
Lieutenants mit dem Monokerl
Schneidig, stramm und selbstbewusst
Und mit hochwattirter Brust.
Auch die Zeitungskolportage
Und die Presse überhaupt,
Die sich gar so viel erlaubt;
Mit dem Knüppel nah’n in Rage
Zukunftsstolze Proletarier,
Und es jammern die Agrarie •
Beim Champagner, deprimirt
Dass das Brod so billig wird!
Ordensschwindler, Ordensjäger
Und des Rückschritts Bannerträger
Nahn mit Kutten und mit Bäffchen,
Hetzkaplane, Modepfäffchen,
Auch mit eifrigen Missionen,
Wird der Schwarm Euch nicht verschonen
Leute, die in Mehl und Eisen,
Wein und Unterhosen reisen.
Leute, die die Welt kuriren
Und mit Wunderelixiren,
Pillen, Pulvern, Malzkaffee
Heilen alles Erdenweh!
Blaugestrumpfte Dichterinnen,
Leute, die auf Gründung sinnen,
Heineweltschmerznachempfindler,
Ausverkaufs- und Heirathsschwindler,
Ethische Culturverbreiter,
Bicyclisten, Sonntagsreiter,
Dombaulottocollektanten
Und Reklamekomödianten
Bau- und Grundstückspekulanten,
Schussbereite Trainsergeanten,
Medisante Kaffeetanten
Und die lieben Dilettanten
Jeder Kunst und jeder Art
Kommen mit auf dieser Fahrt;
TvH<2/4‘
Dritthalbjähr’ge Wunderkinder,
Haar- und Barttinkturerfinder,
Brauer ohne Malz und Hopfen,
Winzer ohne Traubentropfen,
Leute, die aus Unschlitt Butter
Machen — welch’ ein Schweinefutter! —
And’re Lebensmittelchemiker,
Aufgeblasene Akademiker,
Oede Eitelkeitspolitiker,
Augenglasbewehrte Kritiker,
Süssholzraspelnde Aesthetiker
Und Vererbungstheoretiker,
Temperenzler, Vegetarier,
Frisch, frei, froh und fromme Arier,
Alles, was wir hier im Westen
Zählen zu den schlimmen Gästen,
Und nicht die alleine nur
Bringt Euch schleunig die Kultur.
Darum wahret Euren Frieden,
Bleibt bei dem, was Euch beschieden,
Darum ruft mit seiner Leier
„Seht Euch vor!!“
Achtungsvoll der
Biedermaier (junior).