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Nr. 5

JUGEND

1896^

Augurengesang.

Bei Hofe sind wir nur geachtet,

Und was wir auch schreiben, gefällt!

Wir haben die Schönheit gepachtet
Und tragen die Leuchte der Welt.

Was schert uns das Flüstern der Fama?
Wir bekommen ja so wie so
Für jedes misslungene Drama
Einen Orden auf den —!

Und wo sind denn Euere Orden?

Wo steh’n Eure Tressen parat?

Was seid Ihr, o sagt nur, geworden
Mit Eurer „befreienden That“?

Am Schmollen erkennt man den Laien,
An der albernen Grämlichkeit —

Wir singenden Lakaien
Sind voll von Zufriedenheit.

Wir schielen beseligt nach oben
Und spucken entrüstet hinab;

Und gegenseitig loben

Thun wir uns bis an das Grab.

Wir singen von Feen und Helden,

Von Elfen im dämmernden Hain,

Und um das Neu’ste zu melden,

Auch von dem Blaublümelein!

Mit der modernisirenden Jugend,

Sind wir fertig je und je
Es fehlt ihr die höhere Tugend,

Der Sinn für das Ewige.

Drum fort mit den jungdeutschen Rangen!
Sie kennen kein Heiligthum —

Kommt ein sittiger Jüngling gegangen,
Wir besorgen ihm eilig den Ruhm

Den Lorbeer hinter die Ohren
Und eine Citrone in’s Maul:

Die Spesen sind unverloren —

Er lobt uns hernach auch nicht faul

MAURICE V. STERN.
Register
Franz Ritter v. Stuck: Im Spiel der Wellen
Monogramm unleserlich: Porträtleiste
Maurice Reinhold v. Stern: Augurengesang
 
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