Nr. 6
JUGEND
1896
Und wieder ein anderes Stück, der Satan
Hole es gleich! betitelt ist’s „Nathan“,
Verhöhne zu seinem Unbehagen
Ganz ohne Ehrfurcht dogmatische Fragen.
Dann habe ein frecher, schwäbischer Dichter
Es dargestellt, wie Soldatengelichter
Einen Pater bei seiner Predigt
Schlecht behandelt, ja fast beschädigt,
Und von demselben sauberen Herren,
Der’s beliebt, das Reine hinabzuzerren,
Wird noch ein schlimmeres Stück gegeben,
Das glorificirt das Räuberleben.
Da wird gleicherweis ein gottseliger Priester
Zum Besten gehalten durch freche Biester
Und ein braver Geselle, Namens Franz,
Der nach dem Geiste Loyola’s ganz
Handelt und denkt in der schnöden Welt,
Wird als Canaille hingestellt.
Den Autor möchte der Redner treffen
Und mit zwei ultramontanen Schöffen
Verhandeln dürfen, heut’ oder morgen,
Dem wollt’ er’s besorgen! —
Jedoch der Schlimmste der Tugendhasser,
Das sei ein englischer Dramenverfasser —
Der Name thu’ nichts zur Sache hier,
Doch sei darin die Rede vom Bier —-
Der hat eine Scene sich ausgedacht,
Wo einer der Mutter Grobheiten macht
Und dann auf dem Kirchhof—unerhört! —
Eine gottesdienstliche Handlung stört
Und, als genügte das Alles nicht,
Am Schluss noch den Stiefpapa ersticht.
Und doch ist dieser ein frommer Mann,
Der gar inbrünstiglich beten kann,
Und theilt auch des Redners Aversion
Gegen der Bühne frivolen Ton.-
Und wenn er so weiter erzählen wollte,
Warum er unserm Theater grollte,
Er spräche bis morgen in einem Zug —
Die Herren aber hatten genug
Und baten mit aufgehobenen Händen,
Er möge doch enden.
Doch gleich hub ein Anderer an mit dem Jammer
Um Sitte und Tugend in unserer Kammer —
Den Namen weiss ich nicht mehr gewiss,
Ich weiss nur, er sprach das, was er hiess.
Des Mannes keusches, braves Gemüth
Ist jüngst in jungfräulicher Scham erglüht,
Weil er auf einem Neubau in München,
Beschäftigt, Mörtel zu tragen zum Tünchen,
Ein Weib geseh’n mit theilweis enormen,
Abgerundeten, üppigen Formen.
Ihr Kleid war dünn und Hess Vieles seh’n,
Drum blieb der Herr Pfarrer entrüstet steh’n
Und sah nach dem Mörtelweib unverwandt,
Bis um die Ecke die Holde schwand.
Und er sah auch die anderen Weiber an,
Die gleichgekleidet das Gleiche gethan
Und alle hatten sie dünne Blousen
Und Röckchen, da sah man Strümpfe und Schuhe
Der sagte zerknirscht, er werde das nun
In Zukunft nimmermehr wieder thun.
Ja, wenn wir nicht Leute im Landtag hätten,
Die unserm Volke die Tugend retten —
Und argusäugig im Kreise späh’n,
Ob nirgends was Sittenloses zu seh’n —
Wo kämen wir hin in unserer Zeit
Der glaubenslosen Verworfenheit! ki-ki-ki.
Und da stand nun der Biedere stundenlang
Und schämt’ sich bis Sonnenuntergang.
Und weil man so Sünd’ und Verbrechen schafft,
Erbat vom Minister er Rechenschaft.
Wie der Burger van der Schwiemel in Transvaal von der
Kneipe nach Hause kommt, wenn ihn alkoholische Einflüsse
so weit gebracht haben, dass er nicht mehr gehen, nicht mehr
stehen und nicht mehr reiten kann.
98
JUGEND
1896
Und wieder ein anderes Stück, der Satan
Hole es gleich! betitelt ist’s „Nathan“,
Verhöhne zu seinem Unbehagen
Ganz ohne Ehrfurcht dogmatische Fragen.
Dann habe ein frecher, schwäbischer Dichter
Es dargestellt, wie Soldatengelichter
Einen Pater bei seiner Predigt
Schlecht behandelt, ja fast beschädigt,
Und von demselben sauberen Herren,
Der’s beliebt, das Reine hinabzuzerren,
Wird noch ein schlimmeres Stück gegeben,
Das glorificirt das Räuberleben.
Da wird gleicherweis ein gottseliger Priester
Zum Besten gehalten durch freche Biester
Und ein braver Geselle, Namens Franz,
Der nach dem Geiste Loyola’s ganz
Handelt und denkt in der schnöden Welt,
Wird als Canaille hingestellt.
Den Autor möchte der Redner treffen
Und mit zwei ultramontanen Schöffen
Verhandeln dürfen, heut’ oder morgen,
Dem wollt’ er’s besorgen! —
Jedoch der Schlimmste der Tugendhasser,
Das sei ein englischer Dramenverfasser —
Der Name thu’ nichts zur Sache hier,
Doch sei darin die Rede vom Bier —-
Der hat eine Scene sich ausgedacht,
Wo einer der Mutter Grobheiten macht
Und dann auf dem Kirchhof—unerhört! —
Eine gottesdienstliche Handlung stört
Und, als genügte das Alles nicht,
Am Schluss noch den Stiefpapa ersticht.
Und doch ist dieser ein frommer Mann,
Der gar inbrünstiglich beten kann,
Und theilt auch des Redners Aversion
Gegen der Bühne frivolen Ton.-
Und wenn er so weiter erzählen wollte,
Warum er unserm Theater grollte,
Er spräche bis morgen in einem Zug —
Die Herren aber hatten genug
Und baten mit aufgehobenen Händen,
Er möge doch enden.
Doch gleich hub ein Anderer an mit dem Jammer
Um Sitte und Tugend in unserer Kammer —
Den Namen weiss ich nicht mehr gewiss,
Ich weiss nur, er sprach das, was er hiess.
Des Mannes keusches, braves Gemüth
Ist jüngst in jungfräulicher Scham erglüht,
Weil er auf einem Neubau in München,
Beschäftigt, Mörtel zu tragen zum Tünchen,
Ein Weib geseh’n mit theilweis enormen,
Abgerundeten, üppigen Formen.
Ihr Kleid war dünn und Hess Vieles seh’n,
Drum blieb der Herr Pfarrer entrüstet steh’n
Und sah nach dem Mörtelweib unverwandt,
Bis um die Ecke die Holde schwand.
Und er sah auch die anderen Weiber an,
Die gleichgekleidet das Gleiche gethan
Und alle hatten sie dünne Blousen
Und Röckchen, da sah man Strümpfe und Schuhe
Der sagte zerknirscht, er werde das nun
In Zukunft nimmermehr wieder thun.
Ja, wenn wir nicht Leute im Landtag hätten,
Die unserm Volke die Tugend retten —
Und argusäugig im Kreise späh’n,
Ob nirgends was Sittenloses zu seh’n —
Wo kämen wir hin in unserer Zeit
Der glaubenslosen Verworfenheit! ki-ki-ki.
Und da stand nun der Biedere stundenlang
Und schämt’ sich bis Sonnenuntergang.
Und weil man so Sünd’ und Verbrechen schafft,
Erbat vom Minister er Rechenschaft.
Wie der Burger van der Schwiemel in Transvaal von der
Kneipe nach Hause kommt, wenn ihn alkoholische Einflüsse
so weit gebracht haben, dass er nicht mehr gehen, nicht mehr
stehen und nicht mehr reiten kann.
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