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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 7 (15. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3187#0107

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1896

* JUGEND *

Nr. 7

Theaterleute.

Von F. B.

Die Naive.

Schon dreissig Jahre spielt sie — ach
Das liebliche Naivenfach.

Von nichts noch wissen ist naiv —

Doch Die weiss Alles positiv.

Der Zopf ist lang, der Busen weit.

Der Fuss ist klein, der Kopf gescheid,
Ihr Auge schiesst den Diebespfeil,

Sie wackelt mit dem andern Theil!

Ganz pipsig spricht sie wie von Glas,
Jedoch daheim im Schusterbass!

Nie kam ihr noch ein Mann zu nah —
„Wie?“ — Auf der Bühne mein ich

„Ah!“ -

Ihr Name wechselt mit dem Stück
Sonst hat sie stets denselben Trick:

Sie weiss von nichts und thut erschreckt
Und hat es doch schon längst bezweckt,
Dass sie ihn kriegt und kriegt ihn auch.
So ist’s in jedem Lustspiel Brauch!


Die Salondame.

„Mein Stichwort kommt — herrjeh, macht Platz!
Lasst los die Schlepp’ wie heisst mein Satz?
Du dumme Gans von Garderobiere,

Ich bring’ Dich um — rasch eine Scheer!

Ich werde rasend — lauf doch, lauf!“

Stichwort!

Und lächelnd tritt sie auf.

Dort in der ersten Loge links

Sitzt er — der Herr von Dingsderdings;

Er hat den ganzen Kram bezahlt.

Na — theuer war’s! — Allein sie

strahlt! —

Sie plappert schnell. So will's der Ton
Der feinsten Konversation.

Die Schleppe ist sehr hinderlich —

Sie weiss sie prächtig hinter sich
Zu schleudern mit dem einen Fuss,

Es ist fürwahr ein Hochgenuss!

Der Partner giebt drum peinlich acht,
Dass er die Schlepp’ nicht schmutzig

macht,

Springt hin und her vor diesem Schwanz,
Steigt drüber auch mit Eleganz!

So geht der Akt vergnüglich hin,

Ach Kinder — welche Künstlerin!
Pardautz, jetzt tobt die Claque los —

Der Dingsderdings, der schmunzelt blos!

Die Heroine.

Als Haupterfindung preiset sie
Vor Allem — die Photographie!
Entgegen Dir ihr griechisch Bild
Von allen Auslagfenstern quillt.
Stets im Profil, den Arm ge-
schwungen —
Wie bei der Wäsche ausgerungen
Die Toga mit dem Faltenschmiss,
Vier Centimeter ganz gewiss
Die Haken unter den Sandalen —
Ach Gott, wie schön! Es ist zum

malen!

Sie schreitet stets und

zieht einher,

Doch ihre Rollen ziehn nicht mehr!
Medea Sapho leeres Haus!

O Kunstgeschmack Du lisch’st

ja aus;

Man räth ihr zu „modernen“ Rollen:
„Nie!“ brüllt sie da mit Donnergrollen:

„Ihr Götter, endet meine Qual

Und schickt mir endlich — — den Gemahl!“

Und richtig kriegt sie einen noch;

Er macht Stearin, was schadet’s doch!

Sie spielt noch oft nur in Vereinen
Zum Wohl der lieben Negerkleinen.

Dann sagt man still: „Sie soll sich hangen!“

Und laut: „Wie schad, dass sie gegangen!

„Der hohe Stil ist ganz vertrieben
„Wie schad’ dass sie nicht treu

geblieben

Der Bühne, ihrem Ideal !“

„Wie schad’!“ seufzt auch der

Herr Gemahl.

7)?

Die Sentimentale.

Sie trug dereinst für ihren Vater
Zu einem Herrn vom Hoftheater
Die Rechnung für ein Stief^lpaar,
Das längst schon zu bezahlen war.
Der Gang natürlich blieb umsunst,
Jedoch den „Weihekuss der Kunst“
Gab jener Herr ihr auf den Mund
Und nun war’s aus von dieser

Stund!

107
Register
Ferdinand Bonn: Theaterleute
Julius Diez: Zierleiste
[nicht signierter Beitrag]: Zeichnungen zu "Theaterleute"
 
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