Nr. 7
JUGEND
1896
Der „Unentwegte“.
In der Festrede zur Feier der Begründung des Deutschen Reiches
sagte Baniberger, „wir hätten dem Schicksale zu danken, das uns
den Fürsten Bismarck gab, und einen Kaiser, der uns zur rechten
Zeit von diesem Manne befreite/' -—
In diesen Tagen, da Alt und Jung
Sich gab in ächtet Begeisterung,
Sprach auch so mancher „Unentwegte“
Von dem — was andere Leute bewegte.
Natürlich immer mit Maass und Ziel —
Leicht könnt’ es werden des Lob’s zu viel,
Und so ein unentwegter Mann
Hängt immer ein „wenn“ und ein „aber“ an.
’s ist wahr, wir haben nun vor der Hand
Ein grosses, mächtiges Vaterland,
Wir haben nun endlich ein Deutsches Reich,
— Allein, jedoch . . . was sagt er nur gleich?
Ja freilich! Er hat es im Voraus gewusst!
Und was er geborgen in stiller Brust,
Das hat nun ein Andrer zuwege gebracht,
Sonst hätt’ er es sicherlich selber gemacht.
Und dann — Fürst Bismarck! Es ist ja wahr,
Er ist nicht aller Verdienste baar,
Wir haben ihm mancherlei zu verdanken. —
— Allein — das alles hat seine Schranken . . .
Und wenn das Volk ihn begeistert preist
Und „Deutschlands Vater“ ihn rühmend heisst,
So macht das nur die Begeisterung,
Der Seele hyperbolischer Schwung.
Des „Unentwegten“ kühle Vernunft
Sucht vor der Begeisterung Unterkunft.
Er überhitzt sich nicht das Gehirn.
. . . Und — hier legt er den Finger an die Stirn —
Und hat er’s denn wirklich auch so gemacht,
So ganz, wie’s der Unentwegte gedacht?
So wie er’s auf vielen Festen gesagt?
Und hat er ihn auch nur einmal gefragt?
. . . Das ist der Fehler! Da liegt es d’rin!
Das ist des Tadels verborgenster Sinn.
Als das mächtige Deutsche Reich erstand,
Man keinen von allen den Rednern fand;
Und nirgends ist es etwan zu lesen,
Dass die Siebengescheiden dabei gewesen.
D’rum kommt jetzt der Narr mit klingenden Schellen,
Möcht’ anderen Leuten die Freude vergällen.
Doch Ihr! Im feiertäglichen Kleid,
Die Ihr der Freude Euch ganz geweiht,
Mit pochenden Herzen auf den geschaut,
Der uns gewaltig das Reich gebaut,
Lasst den Schmarotzer nicht in den Saal
Zum festlich zubereiteten Mahl,
Der täppisch in alle Schüsseln greift
Und Gassenhauer am Tische pfeift!
Macht’s, wie’s uns Altmeister Goethe lehrt,
Mit dem, der uns bei Tisch beehrt,
Von unserem Mahle sich pumpsatt frisst,
Und Dank und Gelt’s Gott und alles vergisst,
Und sucht, ob nicht etwas zu tadeln gewesen
Das Weitere mögt Ihr bei Goethe lesen! tu.
BZ-
Der schlaue Gläubiger.
U4
JUGEND
1896
Der „Unentwegte“.
In der Festrede zur Feier der Begründung des Deutschen Reiches
sagte Baniberger, „wir hätten dem Schicksale zu danken, das uns
den Fürsten Bismarck gab, und einen Kaiser, der uns zur rechten
Zeit von diesem Manne befreite/' -—
In diesen Tagen, da Alt und Jung
Sich gab in ächtet Begeisterung,
Sprach auch so mancher „Unentwegte“
Von dem — was andere Leute bewegte.
Natürlich immer mit Maass und Ziel —
Leicht könnt’ es werden des Lob’s zu viel,
Und so ein unentwegter Mann
Hängt immer ein „wenn“ und ein „aber“ an.
’s ist wahr, wir haben nun vor der Hand
Ein grosses, mächtiges Vaterland,
Wir haben nun endlich ein Deutsches Reich,
— Allein, jedoch . . . was sagt er nur gleich?
Ja freilich! Er hat es im Voraus gewusst!
Und was er geborgen in stiller Brust,
Das hat nun ein Andrer zuwege gebracht,
Sonst hätt’ er es sicherlich selber gemacht.
Und dann — Fürst Bismarck! Es ist ja wahr,
Er ist nicht aller Verdienste baar,
Wir haben ihm mancherlei zu verdanken. —
— Allein — das alles hat seine Schranken . . .
Und wenn das Volk ihn begeistert preist
Und „Deutschlands Vater“ ihn rühmend heisst,
So macht das nur die Begeisterung,
Der Seele hyperbolischer Schwung.
Des „Unentwegten“ kühle Vernunft
Sucht vor der Begeisterung Unterkunft.
Er überhitzt sich nicht das Gehirn.
. . . Und — hier legt er den Finger an die Stirn —
Und hat er’s denn wirklich auch so gemacht,
So ganz, wie’s der Unentwegte gedacht?
So wie er’s auf vielen Festen gesagt?
Und hat er ihn auch nur einmal gefragt?
. . . Das ist der Fehler! Da liegt es d’rin!
Das ist des Tadels verborgenster Sinn.
Als das mächtige Deutsche Reich erstand,
Man keinen von allen den Rednern fand;
Und nirgends ist es etwan zu lesen,
Dass die Siebengescheiden dabei gewesen.
D’rum kommt jetzt der Narr mit klingenden Schellen,
Möcht’ anderen Leuten die Freude vergällen.
Doch Ihr! Im feiertäglichen Kleid,
Die Ihr der Freude Euch ganz geweiht,
Mit pochenden Herzen auf den geschaut,
Der uns gewaltig das Reich gebaut,
Lasst den Schmarotzer nicht in den Saal
Zum festlich zubereiteten Mahl,
Der täppisch in alle Schüsseln greift
Und Gassenhauer am Tische pfeift!
Macht’s, wie’s uns Altmeister Goethe lehrt,
Mit dem, der uns bei Tisch beehrt,
Von unserem Mahle sich pumpsatt frisst,
Und Dank und Gelt’s Gott und alles vergisst,
Und sucht, ob nicht etwas zu tadeln gewesen
Das Weitere mögt Ihr bei Goethe lesen! tu.
BZ-
Der schlaue Gläubiger.
U4