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Nr. 13

JUGEND

1896

Die Bockbeinigen

Zwei Stund hocken’s schon so da, der
Wirth neben sei’m Fassl, das auf’m Kopf
steht, und die Gast’, jeder vor einem klei-
nen Rest im Glas. Keiner trinkt aus, bis
net frisch angezapft ist, und der Wirth
zapft net an, bis das Fassl net leer ist.
Schwitzen thun’s, gähnen thun’s, schon
lang wären’s eingeschlafen, wenn’s net so
viel Durst gehabt hätten. Ein jeder thät
gern noch ein Glas vom alten Fassl trinken,
aber es ist halt so fest ausgemacht worden
und keiner traut sich.

Den grössten Durst aber hat der Wirth
selber, dem ist es, als wär’ seine Zung’
acht Tag’ im Rauchfang gehängt, schon
kann er kaum mehr „Papp!“ sagen, ganz
fuchtig schaut er die Revolutionär’ an,
brummt so was wie „elendige Bande“ vor
sich hin, steht auf, wirft’s Fassl ’runter,
dreht sich um und schreit:

„Der G’scheidter gibt nach!“ h. g.

Ein Plaidoyer

i Gotteswillen, wie bläst er sich auf,'

; holt er’s brunnentief herauf, —

-t ihr sein Zetern, hört ihr sein

Schrei’n?-

muss nicht viel dahinter sein!

robf.rt oechsler.

Hübsche Aussicht

Meier: „Ich sage Dir, Kohn, in dem
Laden machst Du Pleite in sechs Monat.“
Kohn: „Red’ nischt, Du willst mer blos
schmeicheln. w ,

Variante

In der Beschränktheit zeigen sich die
Meisten. fleo.

Die meisten Mütter können alle Kinder
der Welt erziehen — nur nicht ihre eignen!

Ueberlistet

Der Anwalt zum Oedlbauer: „Also hat
der böse Nachbar doch den streitigen Zaun
machen lassen und seine Hühner werden
Euren Garten nun nicht mehr zerkratzen?
Aber, wie war denn das möglich, ohne
Klage, ohne Prozess?“

Oedlbauer: „Wie mich der Nachbar
mit meinen Beschwerden über seine Hüh-
ner ausgelacht hat, habe ich ihm alle paar
Tage ein Dutzend Eier geschickt und ihm
sagen lassen, die seien von seinen Hühnern.
Und als ich ihm einige Zeit später keine
Eier mehr schickte, Hess er den neuen Zaun
aufführen. In acht Tagen war er fertig.“

REINHOLD KÖNIG.

Aus grünen Bäumen
Reckt sich ein Steinbau
Himmelhochragend,

Weiss und blendend
In’s Blau des Himmels.

Und auf dem Giebel
Steht eine Göttin,

Den Helm auf dem Haupt,

Den Speer in der Hand,

Und weis’t in die Weite,

Wo duftig im Blau

Die Berge verschwimmen;

Und zeigt auf das Land
Mit Aeckern und Feldern
Und Wäldern und Dörfern
Und den gleissenden Strom
Und der wimmelnden Menschen
Wogende Menge:

All’ dieses weis’t
Mit deutender Hand
Minerva, die hehre
Göttin der Kunst,

Dort auf der Höhe
Des weissen Hauses, —

Und unten sitzen im weissen
Hause

In kahlen Sälen fleissige Leute
Und nennen sich Künstler
Und zeichnen schwitzend
Gipsköpfe!

Gipsköpfe!

G. RADISCH.

208
Register
[nicht signierter Beitrag]: Variante
H. G. [Glut]: Die Bockbeinigen
Robert Oechsler: Ein Plaidoyer
Theodor Hermann Schmuz-Baudiß: Illustrationen
[nicht signierter Beitrag]: Hübsche Aussicht
R. K.: Überlistet
G. Radisch: Gipsköpfe
 
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