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1896

JUGEND

Nr. 14

Die Madonna
mit den Mandarinen

Von Ferdinando Russo (Neapel).

Führt ein Engelchen im Himmel
Sich nicht auf, wie sich’s gebührt,
Wird es auf Befehl des Herren
In ein dunkles Loch geführt.

Und der Herr spricht zu ’nem andern
Ruf mir gleich Sanct Peter her!

Und Sanct Peter kommt gelaufen:

Was giebt’s Neues, lieber Herr?

— Einen kleinen Engel sperrt’ ich
In ein dunkles Zellchen ein.

Setz’ ihn mir auf Brod und Wasser,
Denn er ist ein Sünderlein.

Und Sanct Peter senkt die Stirne,
Murmelt: Ja Herr! vor sich hin,

Und der Herrgott: Vierundzwanzig
Stunden — hörst du — bleibt er drin.

Doch das Englein in der Zelle
Lamentirt und jammert sehr.

Lieber Hergott, sagt Sanct Peter,
Nehmt’s für diesmal nicht so schwer.

— Nein, so ist mein fester Wille,

Sagt der liebe Gott, schweig still!
Drüber ging’ es sonst und drunter —
Hier geschieht nur, was ich will.

Und Sanct Peter Schleicht von hinnen.
In dem dunklen Kämmerlein
Hört man den gefang’nen Kleinen
Weinen und um Gnade schrei’n.

Aber die Madonna, wiegt die
Nacht das Paradies in Ruh’,

Steckt ihm heimlich und verstohlen
Ein paar Mandarinen zu.

(DEUTSCH VON PAUL HEYSE.)

Hochlandslied

Her Berge Zackenrand versinkt,
Hurch’s Hochthal geht das Schweigen,
Her laue Nachtwind rauscht im Korn —
Hie Heimchen geigen, geigen.

Jetzt noch ein ferner Rüdenlaut,

Hann nur noch aus den Zweigen
Her reifen Birnen dumpfer Fall —

Hie Heimchen geigen, geigen.

Hurchs offne Fenster sehe ich
Hes Mondes spätes Steigen,

*n stiller Feier denk’ ich Dein —

Hie Heimchen geigen, geigen.

PAUL RASSNITZ.

Halb-Blut

Nicht vom reinen Stamm der Asra,
Welche an der Liebe sterben,

Doch von Seiten-Stammverwandten,
Die den Fluch nur theilweis erben!

Nicht der Tod — doch seine Schmerzen
Und sein Grausen sind geblieben —
Und mein Stamm sind jene Narren,
Welche leiden, wenn sie lieben!

w. WALTHER.

*

Stille Liebe

Er thut Kaffee in blaue Düten,

Von Morgens früh bis Abends spät,
Verkauft Taback und Lindenblüthen,
Thee, Zucker, jede Quantität.

Die Kunden stets mit zarter Glosse
Umschmeichelt er und wird nur stumm
Hoch auf der Leiter kühnster Sprosse,
Hinlangend zum Petroleum.

So spricht aus seinem ganzen Schalten
Trotz aller Sanftmuth schöner Stolz,
Und streng legt er die Stirn in Falten,
Abwägend Asiens Farbenholz.

Doch heute strahlt aus seinen Blicken
Glückselige Versunkenheit;

Mein Freund, Dich muss ein Traum
erquicken,

Ein Hoffen, stille Seligkeit.

Ja, heute! Säule im Tenore

Des Singvereins, steh Deinen Mann

Und schmettre, Wonne meinem

Ohre —,

Zu mir herüber, zum Sopran!

Noch herrscht Merkur mit Kram
und Würze,

Bis Helios dem Sinken nah;

Dann weg mit dir, du grüne Schürze:
Erato spricht und Polyhymnia!

« ERNST FLFJSCHHAUER.

Morgens

Kathrinchen, frisch, Dein Liebster kommt,
Steht' drunten im Garten.

Lass ihn doch nicht, verschlafnes Kind,

Wo Lilien bliihn und Rosen sind,

Im Thau so lange warten!

Lavendel duftet, Nelken glülin,
Schwankirschen glänzen;

Das Myrthenstöckchen nickt so fein,

Möcht’ wohl zur Krone gebogen sein,

Dein liebes Haupt kränzen.

Kommst Du nicht gleich, so klettr ich, eins
Zwei drei an s Lädchen,

Und stoss es auf, schwing mich hinein;

Dann sollst Da bald munter geherzet sein,
Du liebes verträumtes Mädchen.

Hans Gerhard Graf.

215
Register
Albert Wimmer: Zierleiste
Ferdinando Russo: Die Madonna mit den Mandarinen
Ernst Fleischhauer: Stille Liebe
Hans Gerhard Gräf: Morgens
Paul Rassnitz: Hochlandslied
W. Walther: Halb-Blut
 
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