Nr. 14
JUGEND
1896
Der trauernden Italia
Reich an farbigem Schmelz, lieblicher Düfte voll So in der Fülle der Kraft, so in der Jugend Glanz,
Schliesst die Knospe sich auf schmeichelndem Frühlingshauch — Heiss vom Feuer durchglüht rühmlichen Thatendrangs:
Doch die prangenden Blüthen Von Italiens Söhnen
Rafft ein mächtiger Reif dahin! Fanden tausende frühen Tod!
Hoch vom Aethergezelt leuchtet der Sterne Heer
Und gefestet daran scheint es für Ewigkeit;
Aber jählings hernieder
Schiesst verlöschend die Himmelspracht!
Wie aus Riesengeschlecht hebt sich der Eiche Stamm.
Ob des Waldes Gezweig ragt sie mit stolzem Haupt;
Doch vom zuckenden Blitzstrahl
Jach getroffen, zerschellt ihr Mark!
Statt zu des Lebens Höh’ führte hinab ihr Pfad
Tief in’s Dunkel der Nacht, tief in der Erde Schooss;
Statt des Lorbeers umkränzt die
Dornenkrone die bleiche Stirn.
Gramvoll gebeugt das Knie, schmerzlich verhüllt das Haupt,
Deiner Kinder gedenkest, trauernde Mutter, Du
Und dem Auge entquillt der
Thränen endlose herbe Fluth ....
Aber im tiefsten Leid bleibt Dir ein sichrer Trost:
Fasse die treue Hand, die Dir die Schwester beut —
Bergen an Deutschlands Herzen
Magst, am fühlenden, Du die Brust!
RICHARD SCHMIDT-CABANIS
Salvator
Im bierberühmten Bayerland,
Da ist ein wilder Kampf entbrannt,
Ein Kampf um eines Namens Klang,
Der ruhmreich um die Erde drang;
Wenn der ertönt, so lächelt milde,
Vergnüglich, gleich dem Monden Schilde,
Jedweden Zechers Angesicht.
Der Name — ach, wer kennt ihn nicht,
Den unbesiegten Triumphator! —
Der Name — nun, er heisst: Salvator. —
Man siedet das Salvatorbier
Bekannterweis in München hier.
Da sieden es mit Kunst und Schläue
Die Zacherl-, Spaten-, Löwen-Bräue,
Und manche and’re Bierfabrik
Braut noch Salvator mit Geschick,
Sobald im Hain der Lenz sich regt
Und man die Frühjahrshüte trägt.
Dem braven Münchner schmeckt das Nass,
D’rum trinkt er- stets noch eine Mass,
Die ersten still, die letzten laut,
Bis er die Dinge doppelt schaut.
In diese friedlich-feuchte Stille,
In diese Frühlingsfest-Idylle,
Des Bierjahrs wonnevollen Mai,
Ertönt nun plötzlich Kampfgeschrei.
Der Zacherl ruft: „Ihr Herrn Collegen!
Braut, was Euch gut dünkt, meinetwegen,
Ich geh’ mit Euch nicht in’s Gericht!
Nur blos: Salvator nennt es nicht!
Der Name, den Ihr wählt, ist mein —
Missbraucht ihn nicht, sonst geht Ihr ein!"
Das bringt der Andern Blut in Gährung,
Erklärung folgt nun auf Erklärung;
Die Concurrenz des Zacherl ruft:
„So wie die blaue Himmelsluft
Für Jeden lächelt, wer es sei,
Ist des Salvators Name frei!“
So scholl’s im Osten, scholl’s im Westen,
In Inseraten und Protesten.
Und bange um den lieben Tropfen
Aus dürren Birnen, Malz und Hopfen,
Besucht ich einen weisen Greis,
Der viel von Bier und Trinken weiss.
Der, als ich höflich ihn befragte,
That einen tiefen Zug und sagte:
„I woass net, was s’ scho wieda ham —
Die Hauptsach is do net der Nam’!
Die Hauptsach is und bleibt das Bier,
Mein lieber Herr, dös glaubens mir!
Da Münchna trinkt und fragt si g’wiss
Net lang, wia’s hoasst, na, blos wia’s is!
I moan a, darauf kemmat ’s an —
Pass auf, an was ma’s kenna kann:
An Wiederwillen soll’s erreg’n —
Denn immer wieder muasst oans mög’n;
222
JUGEND
1896
Der trauernden Italia
Reich an farbigem Schmelz, lieblicher Düfte voll So in der Fülle der Kraft, so in der Jugend Glanz,
Schliesst die Knospe sich auf schmeichelndem Frühlingshauch — Heiss vom Feuer durchglüht rühmlichen Thatendrangs:
Doch die prangenden Blüthen Von Italiens Söhnen
Rafft ein mächtiger Reif dahin! Fanden tausende frühen Tod!
Hoch vom Aethergezelt leuchtet der Sterne Heer
Und gefestet daran scheint es für Ewigkeit;
Aber jählings hernieder
Schiesst verlöschend die Himmelspracht!
Wie aus Riesengeschlecht hebt sich der Eiche Stamm.
Ob des Waldes Gezweig ragt sie mit stolzem Haupt;
Doch vom zuckenden Blitzstrahl
Jach getroffen, zerschellt ihr Mark!
Statt zu des Lebens Höh’ führte hinab ihr Pfad
Tief in’s Dunkel der Nacht, tief in der Erde Schooss;
Statt des Lorbeers umkränzt die
Dornenkrone die bleiche Stirn.
Gramvoll gebeugt das Knie, schmerzlich verhüllt das Haupt,
Deiner Kinder gedenkest, trauernde Mutter, Du
Und dem Auge entquillt der
Thränen endlose herbe Fluth ....
Aber im tiefsten Leid bleibt Dir ein sichrer Trost:
Fasse die treue Hand, die Dir die Schwester beut —
Bergen an Deutschlands Herzen
Magst, am fühlenden, Du die Brust!
RICHARD SCHMIDT-CABANIS
Salvator
Im bierberühmten Bayerland,
Da ist ein wilder Kampf entbrannt,
Ein Kampf um eines Namens Klang,
Der ruhmreich um die Erde drang;
Wenn der ertönt, so lächelt milde,
Vergnüglich, gleich dem Monden Schilde,
Jedweden Zechers Angesicht.
Der Name — ach, wer kennt ihn nicht,
Den unbesiegten Triumphator! —
Der Name — nun, er heisst: Salvator. —
Man siedet das Salvatorbier
Bekannterweis in München hier.
Da sieden es mit Kunst und Schläue
Die Zacherl-, Spaten-, Löwen-Bräue,
Und manche and’re Bierfabrik
Braut noch Salvator mit Geschick,
Sobald im Hain der Lenz sich regt
Und man die Frühjahrshüte trägt.
Dem braven Münchner schmeckt das Nass,
D’rum trinkt er- stets noch eine Mass,
Die ersten still, die letzten laut,
Bis er die Dinge doppelt schaut.
In diese friedlich-feuchte Stille,
In diese Frühlingsfest-Idylle,
Des Bierjahrs wonnevollen Mai,
Ertönt nun plötzlich Kampfgeschrei.
Der Zacherl ruft: „Ihr Herrn Collegen!
Braut, was Euch gut dünkt, meinetwegen,
Ich geh’ mit Euch nicht in’s Gericht!
Nur blos: Salvator nennt es nicht!
Der Name, den Ihr wählt, ist mein —
Missbraucht ihn nicht, sonst geht Ihr ein!"
Das bringt der Andern Blut in Gährung,
Erklärung folgt nun auf Erklärung;
Die Concurrenz des Zacherl ruft:
„So wie die blaue Himmelsluft
Für Jeden lächelt, wer es sei,
Ist des Salvators Name frei!“
So scholl’s im Osten, scholl’s im Westen,
In Inseraten und Protesten.
Und bange um den lieben Tropfen
Aus dürren Birnen, Malz und Hopfen,
Besucht ich einen weisen Greis,
Der viel von Bier und Trinken weiss.
Der, als ich höflich ihn befragte,
That einen tiefen Zug und sagte:
„I woass net, was s’ scho wieda ham —
Die Hauptsach is do net der Nam’!
Die Hauptsach is und bleibt das Bier,
Mein lieber Herr, dös glaubens mir!
Da Münchna trinkt und fragt si g’wiss
Net lang, wia’s hoasst, na, blos wia’s is!
I moan a, darauf kemmat ’s an —
Pass auf, an was ma’s kenna kann:
An Wiederwillen soll’s erreg’n —
Denn immer wieder muasst oans mög’n;
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