Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 15

JUGEND

1896

— eine durchaus epische Arbeit. Meine
Freunde behaupten freilich, ich hätte den
russischen Feldzug weniger betonen und
mehrGewichtaufWaterloo legen müssen —‘

Also der Mann modellirt Poesie und ist
noch toller als die zwei Andern! — Da kam
zu guter Letzt Korwik zur Thüre herein,
Korwik, der unter die Dichter gegangen
ist. Er sah nicht ganz so aus, wie ich mir
einen Dichter vorstellte. Einen Hut hatte
er, der in allen Farben spielte, eine grobe
Lodenjoppe, Stiefel wie ein Wasserarbeiter.
Und durchaus keine wallenden Schiller-
locken hatte er, sondern Haare wie eine
Kleiderbürste. Er setzte sich neben mich.
Die Unterhaltung begann von Neuem und
ich war schon auf das Schlimmste gefasst,
als ich fragte: ,Also ein Dichter bist Du ge-
worden. Darf man fragen, was Du dichtest?“

,Farben!1 sagte er, ziemlich scharf.
,Meine »Lieder in Violett« solltest Du doch
eigentlich gelesen haben. Ich denke, dass
meine Farbenlyrik auch in Amerika ziem-
lich bekannt sein dürfte. Kennst Du wenig-
stens mein Lied: »der rothe Abend?«

In erdbeerfarbne Wogen taucht sich

glühend

Die rothe Sonne, eine Blutorange

Von Märchenschönheit, Purpur-Funken

sprühend.

— Ist das nicht wirklich roth?“

,Den Scharlach könnte man davon krie-
gen“, gab ich zur Antwort.

Dann deklamirte er mir etwas Blaues,
dann etwas Gelbes.

,Weisst Du“, sagte er, ,das grosse Ge-
heimniss der wahren Lyrik ist es, in der
Seele des Lesers, des Hörers, Bilder zu
wecken. Die Gedanken kommen von sel-
ber, wenn die Bilder da sind. Der Dichter
muss malen, nicht erfinden! Und der Leser
empfängt von ihm blos eine Stimmung, die
Grundfarbe. Der Dichter suggerirt dem
Leser nur den Zwang zu eigener poetischer
Empfindung.“

Und so ging der Unsinn weiter — die
halbe Nacht fort! Jeder schwatzte von der
Vertiefung seiner Kunst nach irgend einer
anderen Dimension, und je später es wurde,
desto wahnwitziger wurden ihre Ideen.

Endlich kam doch einmal auch die Rede
auf mich. Einer von den vier Zukunfts-

genie’s fragte mich nach meiner Farm und
meinte, was ich eigentlich züchte:

,Allerhand“, sagte ich vergnügt, denn
jetzt war mein Augenblick gekommen. ,Ich
züchte Rindvieh und Pferde, Schweine und
Hühner. Aber ich züchte auf Vertiefung,
jedes der Biester muss in seinen Leist-
ungen über die herkömmlichen Grenzen
seiner Art hinaus: Die Pferde schlachte
ich und mache Corned Beef daraus, die
Hühner lasse ich scheeren und verkaufe
die Wolle, die Schweine spanne ich vor
Pflug und Wägen und das Rindvieh muss
mir fleissig Eier legen. Mit den Leistungen
der Pferde bin ich schon zufrieden, bei

Es ruht an der grossen Wüste Saum
Ein Löwenpaar unter dem Dattelbaum.
Die Löwin sieht zu wie ihr Kleiner hopst,
Indessen ihr Alter sich gräulich mopst.
Nun aber, dreht er den mächtigen Schädel,
Streckt gerade empor den Schweif mit Wedel

den Andern muss es noch besser geh’n,
namentlich die Ochsen wollen sich nicht in
ihre neue Aufgabe finden.“

,Es ist wohl sehr heiss drüben in
Amerika?“ fragte der Maler.

,Du solltest .jetzt doch eine Flasche
Giesshübler dazwischen trinken“, meinte
der Componist.

Der Bildhauer wünschte sich ein Junges
von jeder meiner Thiergattungen.

Und der Dichter — er war auch sonst
immer noch der Verständigste von den
Vieren gewesen — sagte:

,Du bist ein Grobian!““

DICK.

Und sprichtvollStolz: „Es gleichet fürwahr,
Mein Schweif dieser Palme auf ein Haar!“—
Das Löwenbaby, das solches sah,

Klatscht in die Pfoten und ruft: „Papa!
Genau wie die Palme! Nur fällt mir auf:
Datteln wachsen doch keine drauf!“

KOZIAN.

Waldesidyll

Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte.

240
Register
Otto Bromberger: Zeichnung zum Text "Waldesidyll"
Monogrammist Frosch: Karikaturzeichnung
F. Kozian: Waldesidyll
 
Annotationen