Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1896

JUGEND

Nr. 16

ist. Solche Leute kann der Staat gebrauchen.
Nun aber würde ich es einstweilen genug
sein lassen; zu viel Neuerungen auf einmal
erregen Unsicherheit und Bestürzung —“
Eine hässliche Klatscherei, als deren Ur-
heberin die Frau Aktuarius ermittelt wurde
und die beinahe ein für dieselbe sehr be-
trübendes Nachspiel gehabt hätte, verzieh
der Bürgermeister grossmüthigst.

Im Rathskeller aber sprach man lange
Zeit von nichts Anderem: „Wisst Ihr noch,
damals die Geschichte mit dem Atten-
tat auf den Bürgermeister?“

Schliesslich kamen anderewichtigeDinge
an die Tagesordnung, und nur hie und da
erzählte der Rathskellerwirth durchreisen-
den Fremden, „dass auf diesem Platz der
b»kannte Bürgermeister von Dingsda immer
gesessen hat, der früher hier Bürgermeister
war und den sie ermorden wollten, weil er
die Eisenbahn an der Stadt vorbeiführen
wollte.“

Was aber sollen wir von der ganzen Ge-
schichte denken? Wie soll man das Alles
erklären? Hatte der Bürgermeister wirklich
einen Doppelgänger, oder war die Annahme
des Kreisphysikus doch nicht ohne allen
Grund? Aber nein, dagegen spricht wieder
die Thatsache, dass der Bürgermeister in
Wahrheit niemals besser regierte, als ge-
rade zu jener Zeit!

Jedenfalls ist das Eine sicher: es passiren
zuweilen äusserst merkwürdige Dinge!

72

Erst dann!

Hat Einer einst ein sanftes Lied gesungen,
Her laute Strassenbraus hat es ver-
schlungen.

Dann sang laut-flehend er in allen Landen,
Sie hörten’s wohl, doch hatten’s nicht

verstanden.

Erst als er dreist und schrill gepfiffen,

Da haben sie’s — zu spät begriffen, d. haek.

7&

Der Wirthin Töchterlein

O, scheltet nicht Frau Mutter,
Verzeihet gnädig mir!

Ich hab’Jihn küssen müssen,

Kann wirklich nichts dafür.

Er hat mich nicht gefraget,

Und nicht gebeten drum;

Ich hab’ ihn küssen müssen,

Weiss selber nicht warum.

Sein Rösslein stand gesattelt,
Gezäumet stand es schon,

Ich hab’ ihn ktissen müssen,

Sonst ritt’ er mir davon.

„Ade, du junger Reiter!

Fahr’ wohl, behüt’ Dich Gott!“ —

Ich hab’ ihn küssen müssen,

Und wäre es mein Tod. A- Mr

249
Register
Wilhelm Schade: Weisse Ostern
D. Haek: Erst dann!
A. M.: Der Wirthin Töchterlein
 
Annotationen