Nr. 16
JUGEND
1896
Hans Meier: Porträt des Professor Wiedehopf
(Kitter hoher Orden).
Der berühmte Wiedehopf
Der grosse Meister Wiedehopf
Neigt sehr bedenklich seinen Kopf;
Zwei Schüler kamen nämlich an,
Verneigten sich und sprachen dann:
„Wir möchten unser Leben eben
Fortan der Kunst zum Opfer geben,
Und bitten um Belehrung halt,
Wie man die bessren Bilder malt.
Zeigt Ihr uns so den Anfang nur,
So kommen wir schon auf die Spur!
Wir werden brave Schüler sein,
Und werden so wie Sie gedeih’n,
Wir werden malen spät und früh,
Wir werden einst berühmt, wie Sie;
Heil Pinsel, Farben, Firnisstopf,
Heil dem berühmten Wiedehopf!“
Herr Wiedehopf, der grosse Mann,
War sehr erfreut, und sprach:
„Wohlan,
So merket denn und habet Acht,
Wie man die bessren Bilder macht:
Die Bäume malt mit Grün man nur,
Dieweil sie grün sind von Natur.
Der Himmel ist gewöhnlich blau,
In manchen Fällen aber grau.
Die Wellen schillern gleichfalls grünlich,—
Doch ist auch hier das Blaue dienlich.
Die Nacht jedoch wird schwarz geschildert,
Falls nicht der Mond die Schwärze
mildert;
Kurz: Seht Euch meine Bilder an,
Beachtet sie und malt sodann,
Weil nämlich auf der weiten Welt
Mein Malen männiglich gefällt
Und einzig ihr auf diese Weise
Gelangen könnt zu Ruhm und Preise!
Das Andere ist dummes Zeug,
Vertraut nur mir, das sag ich Euch!“
Fritz X.: Selbstbildniss.
„Mädchen mit Blume“, geaxuiV von Prof. Wiedehopf?
Die beiden Buben, Hans und Fritze,
Die malen los in Hast und Hitze,
Und Hans hat einen hellen Kopf,
Er hört auf Meister Wiedehopf,
Er malt die Bäume grün wie der,
Und blau den Himmel, blau das Meer.
Die Nacht er schier noch schwärzer
schildert,
Falls nicht der Mond die Schwärze mildert.
So kommt er bald zu Ruhm und Geld,
Man sieht, der Hans passt in die Welt,
Rings ist man von dem Hans entzückt,
Und auch er selbst ruft hochbeglückt:
„Heil Pinsel, Farben, Firnisstopf,
Heil dem berühmten Wiedehopf!“
Fritz aber ist ein arger Tropf!
Was spricht er von Herrn Wiedehopf?
»Der gute Mann (sagt er voll Hohne),
Der Wiedehopf malt nur Schablone!
Mir glänzt die Nacht voll blauer Wunder,
Er kennt sie nur als schwarzen Plunder.
Das Meer rauscht auf in Morgengluth,
Eine mächtige Schale voll brausendem Blut.
Prof. Wiedehopf: Porträt des Malers Hans Meier.
Dann wallen, im weissen Mittagsglanze
Die Wellen, wie heit’re Frau’n zum Tanze,
Die Wellen, die bei des Donners Krachen
Losrasen, wilde, gelbe Drachen,
Und mehr als Sturm und Donner schrei’n,
Und weissen Schaum zum Himmel spei’n.
Doch wenn des Frühlingsabends Gluth
Heiss küsst die Fluth, so mild, so gut,
Kommt iiber’s grosse, stille Meer
Der grosse, stille Geist daher
Der Geist, das ist’s! Den muss man malen!
Der Teufel hole die banalen
Nachtreter manierirten Trottes!!“ —
So spricht der Fritze, leider Gottes,
Und spricht’s nicht nur, er malt auch so;
Die Farben lodern lichterloh
Auf seiner kolossalen Leinwand.
Was schert ihn Wiedehopfen’s Einwand.
Der ruft voll Grausen: „Ei Du mein,
Fritz, Du bist ein verruchtes Schwein!
Der brave Hans meint auch: Ich finde,
Solch’ Bild zu malen, das ist Sünde;
Ach nein, der Fritz hat kein Genie;
Herr Wiedehopf, bitte, kommen Sie!
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JUGEND
1896
Hans Meier: Porträt des Professor Wiedehopf
(Kitter hoher Orden).
Der berühmte Wiedehopf
Der grosse Meister Wiedehopf
Neigt sehr bedenklich seinen Kopf;
Zwei Schüler kamen nämlich an,
Verneigten sich und sprachen dann:
„Wir möchten unser Leben eben
Fortan der Kunst zum Opfer geben,
Und bitten um Belehrung halt,
Wie man die bessren Bilder malt.
Zeigt Ihr uns so den Anfang nur,
So kommen wir schon auf die Spur!
Wir werden brave Schüler sein,
Und werden so wie Sie gedeih’n,
Wir werden malen spät und früh,
Wir werden einst berühmt, wie Sie;
Heil Pinsel, Farben, Firnisstopf,
Heil dem berühmten Wiedehopf!“
Herr Wiedehopf, der grosse Mann,
War sehr erfreut, und sprach:
„Wohlan,
So merket denn und habet Acht,
Wie man die bessren Bilder macht:
Die Bäume malt mit Grün man nur,
Dieweil sie grün sind von Natur.
Der Himmel ist gewöhnlich blau,
In manchen Fällen aber grau.
Die Wellen schillern gleichfalls grünlich,—
Doch ist auch hier das Blaue dienlich.
Die Nacht jedoch wird schwarz geschildert,
Falls nicht der Mond die Schwärze
mildert;
Kurz: Seht Euch meine Bilder an,
Beachtet sie und malt sodann,
Weil nämlich auf der weiten Welt
Mein Malen männiglich gefällt
Und einzig ihr auf diese Weise
Gelangen könnt zu Ruhm und Preise!
Das Andere ist dummes Zeug,
Vertraut nur mir, das sag ich Euch!“
Fritz X.: Selbstbildniss.
„Mädchen mit Blume“, geaxuiV von Prof. Wiedehopf?
Die beiden Buben, Hans und Fritze,
Die malen los in Hast und Hitze,
Und Hans hat einen hellen Kopf,
Er hört auf Meister Wiedehopf,
Er malt die Bäume grün wie der,
Und blau den Himmel, blau das Meer.
Die Nacht er schier noch schwärzer
schildert,
Falls nicht der Mond die Schwärze mildert.
So kommt er bald zu Ruhm und Geld,
Man sieht, der Hans passt in die Welt,
Rings ist man von dem Hans entzückt,
Und auch er selbst ruft hochbeglückt:
„Heil Pinsel, Farben, Firnisstopf,
Heil dem berühmten Wiedehopf!“
Fritz aber ist ein arger Tropf!
Was spricht er von Herrn Wiedehopf?
»Der gute Mann (sagt er voll Hohne),
Der Wiedehopf malt nur Schablone!
Mir glänzt die Nacht voll blauer Wunder,
Er kennt sie nur als schwarzen Plunder.
Das Meer rauscht auf in Morgengluth,
Eine mächtige Schale voll brausendem Blut.
Prof. Wiedehopf: Porträt des Malers Hans Meier.
Dann wallen, im weissen Mittagsglanze
Die Wellen, wie heit’re Frau’n zum Tanze,
Die Wellen, die bei des Donners Krachen
Losrasen, wilde, gelbe Drachen,
Und mehr als Sturm und Donner schrei’n,
Und weissen Schaum zum Himmel spei’n.
Doch wenn des Frühlingsabends Gluth
Heiss küsst die Fluth, so mild, so gut,
Kommt iiber’s grosse, stille Meer
Der grosse, stille Geist daher
Der Geist, das ist’s! Den muss man malen!
Der Teufel hole die banalen
Nachtreter manierirten Trottes!!“ —
So spricht der Fritze, leider Gottes,
Und spricht’s nicht nur, er malt auch so;
Die Farben lodern lichterloh
Auf seiner kolossalen Leinwand.
Was schert ihn Wiedehopfen’s Einwand.
Der ruft voll Grausen: „Ei Du mein,
Fritz, Du bist ein verruchtes Schwein!
Der brave Hans meint auch: Ich finde,
Solch’ Bild zu malen, das ist Sünde;
Ach nein, der Fritz hat kein Genie;
Herr Wiedehopf, bitte, kommen Sie!
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