1896
JUGEND
Nr. 16
Verlassen wir die Sudelei!“ —
Entrüstet gingen fort die Zwei
Und Hessen Fritz, der höhnisch lachte
Und frech von Freund und Lehrer dachte. —
Die Strafe blieb ihm nicht geschenkt,
Dass er den Meister so gekränkt:
Ob er sich auch das Haar gerauft,
Niemals hat er ein Bild verkauft,
Und hatte nie Erfolg und Glück
Mit der hochlöblichen Kritik.
Nach einem Oelbild von Fritz X. (Refüsirt !)
Die Kenner Doktor Quietsch und Specht,
Die fanden seine Bilder schlecht,
Verzeichnet, ruppig, karikirt,
Stillos, verrückt und manierirt,
Verfehlt von Composition,
Hart in der Farbe, roh im Ton,
Auch gegenständlich höchst gemein
Und bald zu gross und bald zu klein-
Sie Hessen nie ein gutes Haar
An Fritzen, ihrer bete noire.
D’rum wies ihn stets die Jury ab,
Wenn’s eine Kunstausstellung gab
Mit jedem Tage sprach man kühler
Von Wiedehopfs missrath’nem Schüler.
Das war dem Maler nicht rentabel,
Es ging ihm schliesslich miserabel.
Noch malt’ er eine Zeitlang hin
In ungebroch’nem Eigensinn,
Dann sprach er: „Liebes Publikum,
Jetzt wird’s mir endlich doch zu dumm!“
Strich sich Schweinfurtergrün auf’s Brod —
Das ass er und man fand ihn todt.
Der Nachbar, der ihn Hegen sah,
Sprach gramgebeugt: „Ich sagt es ja:
Wer nichts auf weise Lehren gibt,
Hat Pech und macht sich unbeliebt!“
Wie anders ging’s dem braven Hans!
Der reifte in des Meisters Glanz
Sein liebenswürdiges Talent,
Das heut’ der halbe Erdkreis kennt.
Und was er malte, fand man recht —
Es schrieben Doktor Quietsch und Specht:
„Da seht nur, welch ein Hochgenuss!
Wie reizend! Dieser Linienfluss!
Die edle Anmuth! Diese Wahrheit!
Der Farben wunderbare Klarheit!
Man sieht es, dieser junge Mann,
Sah sich die alten Meister an!“
Und wenn des Sommers alle Jahr’
Die grosse Kunstausstellung war,
Dann drängte sich die Menge wild
Um Hansen’s letztgemaltes Bild,
Man sah durch Brillen, Operngucker,
Und rief entzückt: „Der reine Zucker!“
Die Bilderhändler stritten sich
Um Hansen’s Bilder fürchterlich.
Die Sammler zierten seine Werke
Durch extra-deutliche Vermerke!
Medaillen fielen dicht wie Schnee
In Hansen’s schönes Atelier,
Im Knopfloch glänzte ihm was Rothes,
Und als sein Meister starb des Todes,
Ward Hans, er wusste selbst nicht wie,
Professor der Akademie.
Er schwamm in Gold und schwamm in Ehren —
Warum? Weil er des Meisters Lehren
Beherzigt hatte jederzeit
Und sich der rechten Kunst geweiht,
Und nicht wie Fritz, der arme Tropf,
Gemalt hat nach dem eig’nen Kopf!
R. NEUBAUER.
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JUGEND
Nr. 16
Verlassen wir die Sudelei!“ —
Entrüstet gingen fort die Zwei
Und Hessen Fritz, der höhnisch lachte
Und frech von Freund und Lehrer dachte. —
Die Strafe blieb ihm nicht geschenkt,
Dass er den Meister so gekränkt:
Ob er sich auch das Haar gerauft,
Niemals hat er ein Bild verkauft,
Und hatte nie Erfolg und Glück
Mit der hochlöblichen Kritik.
Nach einem Oelbild von Fritz X. (Refüsirt !)
Die Kenner Doktor Quietsch und Specht,
Die fanden seine Bilder schlecht,
Verzeichnet, ruppig, karikirt,
Stillos, verrückt und manierirt,
Verfehlt von Composition,
Hart in der Farbe, roh im Ton,
Auch gegenständlich höchst gemein
Und bald zu gross und bald zu klein-
Sie Hessen nie ein gutes Haar
An Fritzen, ihrer bete noire.
D’rum wies ihn stets die Jury ab,
Wenn’s eine Kunstausstellung gab
Mit jedem Tage sprach man kühler
Von Wiedehopfs missrath’nem Schüler.
Das war dem Maler nicht rentabel,
Es ging ihm schliesslich miserabel.
Noch malt’ er eine Zeitlang hin
In ungebroch’nem Eigensinn,
Dann sprach er: „Liebes Publikum,
Jetzt wird’s mir endlich doch zu dumm!“
Strich sich Schweinfurtergrün auf’s Brod —
Das ass er und man fand ihn todt.
Der Nachbar, der ihn Hegen sah,
Sprach gramgebeugt: „Ich sagt es ja:
Wer nichts auf weise Lehren gibt,
Hat Pech und macht sich unbeliebt!“
Wie anders ging’s dem braven Hans!
Der reifte in des Meisters Glanz
Sein liebenswürdiges Talent,
Das heut’ der halbe Erdkreis kennt.
Und was er malte, fand man recht —
Es schrieben Doktor Quietsch und Specht:
„Da seht nur, welch ein Hochgenuss!
Wie reizend! Dieser Linienfluss!
Die edle Anmuth! Diese Wahrheit!
Der Farben wunderbare Klarheit!
Man sieht es, dieser junge Mann,
Sah sich die alten Meister an!“
Und wenn des Sommers alle Jahr’
Die grosse Kunstausstellung war,
Dann drängte sich die Menge wild
Um Hansen’s letztgemaltes Bild,
Man sah durch Brillen, Operngucker,
Und rief entzückt: „Der reine Zucker!“
Die Bilderhändler stritten sich
Um Hansen’s Bilder fürchterlich.
Die Sammler zierten seine Werke
Durch extra-deutliche Vermerke!
Medaillen fielen dicht wie Schnee
In Hansen’s schönes Atelier,
Im Knopfloch glänzte ihm was Rothes,
Und als sein Meister starb des Todes,
Ward Hans, er wusste selbst nicht wie,
Professor der Akademie.
Er schwamm in Gold und schwamm in Ehren —
Warum? Weil er des Meisters Lehren
Beherzigt hatte jederzeit
Und sich der rechten Kunst geweiht,
Und nicht wie Fritz, der arme Tropf,
Gemalt hat nach dem eig’nen Kopf!
R. NEUBAUER.
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