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Nr. 18

JUGEND

1896

Gezeichnet von Leo Prochownik.

Beim Sonnenuntergang

Zerrissene Wolken goldbeglänzt
Am Abendhimmel blinken;

Der Sonne Widerschein verräth,

Dass fern sie im Versinken-

So ist die Sonne meines Glücks,

Erwartet endlos lange,

— Nach herbsttagkurzem Leuchten nur —
Auch schon im Niedergange!...

An die Tugendsamen

Selbst die prüdeste Miss auf Erden
Weiss dass die Kinder — geboren werden.
DL

Auf den Tod
eines Theater-Intendanten
So bitterlich weinen die Ballerinen,

Als war’ jetzt verwittwet jedwede von ihnen.
DO

Verdienst

Der Föhn

Tiefgrün rollt heran und brausend
Wog’ um Woge vor dem Föhn,

Antwort geben Wipfel sausend
Von den dunklen Tannenhöh’n.

Schiffe, selbst die grössten, schwanken,
Und es stürzt manch’ alter Baum,

Von der Mauer Epheuranken
Sprüht der Brandung weisser Schaum.

Hoch über mir, im öden Wald,

Mit schwerem Flügelwehen
Zieht unheilkündend eine Schaar
Blauschwarzer Rabenkrähen.

Ich hör’ ihr Krächzen: „Grr-ab...

Grr-ab ... Grr-ab!“
Wie eine Mahnung schallen,

Indes von dürren Aesten rings
Die letzten Blätter fallen.

MAXIMILIAN BERN.

Kukuk

Steht die schöne Frau am Fenster,

Spielt mit ihrem Ringelein,

Dreht es um den schlanken Finger,
Schaut gedankenvoll darein.

Und wie sich das Ringlein windet,
Schleichen sich durch ihren Sinn
Tausend gleissende Gedanken,

Wie ein güld’nes Schlänglein hin.

Plötzlich durch die schwüle Stille
Klingt’s herüber von dem Flur,

Einmal, zweimal, dreimal: Kukuk.

Ruft die alte Kukuksuhr.

Und die Fraue senkt die Wimper,

Neigt das schöne Haupt und lacht,

Führt das Ringlein an die Lippen —

Uhr, das hast du gut gemacht, h. freise.

Wie er zu einem Orden gekommen?

Er hatihn zugleich mit der Frau genommen.
DL

Der Sprosse

Verdienter Vorfahren einziger Sohn!

Zum Vater selbst kam er durch Protektion.
DO

Recept

Ihr Leiden bessert sich wesentlich,

Sie nimmt statt der Arznei den Arzt zu sich.

SO

Beruhigung

Ein Trunkener tobt.

Gott sei gelobt,

Der Alkohol
Ist Monopol.

SO

Klage

Er geht zu Gericht sich beschweren;

Sie will ihn nicht länger ernähren, m. sch.

Föhn, den Schall entfernter Glocken
Trägst Du her an unsern Strand,
Kosend fängst Du Jugendlocken,
Blumen und ein flatternd Band!

HERMANN LINGG.

Lebenssprüche

von Julius Lohmeyer

Herrschen bleibt ein Recht
Der Seelen nur und Geister:

Gold sei Euer Knecht,

Nicht Euer Herr und Meister.



Ein jeder Prasser
Wird zum Verbrecher:

Er zeugt die Hasser,

Er ruft die Rächer.

. ö©

Nicht Nothgesetze, nicht Schlummerlieder,
Nicht Staatsdecrete heilen die Zeit,

Es heilen den Wahn verirrter Brüder
Nur Liebesthat und Gerechtigkeit.



Ich lasse mir die grosse Zeit nicht schelten;
Was sie uns raubt, das werden wir

verschmerzen;
Sie rüttelt mächtig an der Menschen Herzen
Und dient der Wahrheit, — darum wird

sie gelten.

282
Register
Julius Lohmeyer: Aphorismen und Epigramme
Hermann Freise: Kukuk
M. Sch.: Aphorismen und Epigramme
Maximilian Bern: Beim Sonnenuntergang
Leo Prochownik: Zeichnung ohne Titel
R. S.: Vignette "Kritik"
 
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