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Nr, 20

JUGEND

1896

Doch Alles angeht im weiten Staat,

Dann war die Geschichte für’s Plenum

parat.

Da gab es sehr erhitzte Debatten.

In’s Kleinste erörtert ward Licht und

Schatten,

Gekrittelt, gefragt, um Erklärunggebeten —
(So ein Zwischenfall bringt was ein an

Diäten —,)

Beinahe wär d’rum ein Minister gestürzt.
Auch mit Witz und Humor ward die Sache

gewürzt.

Und Einem, der ganz links drüben gesessen,
Dem war die Sache gefundenes Essen,
Er wetterte wild und donnergleich
Auf die Bürgermoral im deutschen Reich,
Er kannte die Rechte des Weibes genau,
Citirte fleissig aus Bebel’s „Frau“

Und sprach zuletzt mit grimmigen Hohne
Vom Tritte der Arbeiter-Bataillone.

Ein anderer „Linkser“, der aber mehr
Von Eugen Richter’scher Couleur,

Der brachte die Sache mit feiner Empfindung
Mit Fragen des Fortschritts in Verbindung,
Und war mit seiner Rede im Nu
Beim alten Herrn von Friedrichsruh.

Er liess an ihm nicht drei gute Haare,

Er schwur, dass der Freisinn, der echte,

wahre,

Das Haupt erhebe mannhaft und frei
Vor Bismarcks stupider Tyrannei,

Und sagte, die Schuld an aller Noth
In Deutschland trüge dieser Despot.

Ein Conservativer mit Grundbesitz
Traktirte die Frage mit Geist und Witz,
Und krönte die Rede mit der Erklärung,
Bewillige man die Doppelwährung,

So sehe er keinen Grund, warum
Die Frauen nicht sollten zum Studium.
Dann knüpfte ein grosser Centrumsmann
Für seine Partei die Bedingung d’ran,
„Wenn wir das Frauen-Studium litten,
Verlangen wir eins dafür: die Jesuiten“.—
Und nach dreitägigem Ueberlegen
War die Kammer nicht absolut dagegen.
Da hatte denn auch die Polizei
Weiter kein schlimmes Bedenken dabei.
Die theilte es dem Minister mit,

Der nun seinerseits zur Genehmigung

schritt,

Der gab dem Senate der alma mater
Die Sache zurück und der was that er?
Er hatte absolut nichts dagegen,

Das Fräulein sollte nur, seinetwegen,
Studiren, soviel ihm’s gelüsten thät’,

Das Gleiche sagte die Fakultät,

Zuletzt kam’s wieder an’s Rektorat,

Das ebenfalls weiter nicht Einspruch that,
Und es hat der Herr Quästor dem Mägd-
lein jetzt

In einem Brief auseinandergesetzt,

Dass sie unbehindert fürderhin
Studiren könne die Medizin.-

Seit der Eingab’ Gertraudens verflossen war
Höchstens ein und ein halbes Jahr.

Das Fräulein Gertraude schrieb aber zurück:
Sie bedanke sich sehr für das hohe Glück,
Doch käm’ es zu spät, was man jetzt ihr be-
richtet:

Sie habe auf’s „Fräulein Doktor“ verzichtet,
Und vorgezogen, auf dieser Erden
Eine simple — „Frau Doktorin“ zu werden,
Und sie befinde sich vor der Hand
Sehr wohl und behaglich in diesem Stand.

ki-ki-kj.

„Das ist; das Loos des Schönen auf der
Erde!“ seufzte die Distel, als sie von einem
Esel gefressen wurde.

„Verstand ist stets bei wen’gen nur ge-
wesen“, tröstete sich das Gänseblümchen.

„Die Menschen sind nicht immer, was
sie scheinen“, philosophirte die Myrthe.

„Schön bist Du, doch gefährlich auch“,
sprach die Tollkirsche zur Kamille.

„Keine Rose ohne Dornen“, so ent-
schuldigte sein Stachelkleid der Kaktus.

„Unsinn, Du siegst, und ich muss unter-
geh’n!“ klagte die Orakelblume, als sie von
einem Verliebten zerzupft wurde.

„An ihren Früchten sollt ihr sie er-
kennen“, docirte der Dornstrauch.

„O, rühret, rühret nicht daran“, warnte
die Brennessel.

„O, was ist Menschengrösse!“ spottete
die hohe Tanne.

„Ohne Wahl vertheilt die Gaben, ohne
Billigkeit das Glück“, seufzte der Lorbeer,
als sich ein eitler Tenorist einen Kranz
werfen liess.

„Hier fühl’ ich, dass ich bitter werde“,
sprach der Wermuth.

„Ich sage wenig, denke desto mehr“,
meinte der Krautkopf.

„Die Rache ist mein, ich will vergelten“,
erklärte die Birke.

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„An einer schönen Brust zu ruh’n, das
ist ein Trost“, rief stolz die Nelke, als ein
Gigerl sie in’s Knopfloch steckte.

„Ach, wie igt’s'möglich dann, dass ich
Dich lassen kann!“ rief die Klette und
klammerte sich an den Wanderer.

„Schön war ich auch, und das war mein
Verderben“, jammerte der Giftpilz, als ein
Knabe ihn köpfte. m. w.

„Ach des Lebens schönste Feier endigt
auch des Lebens Mai“, seufzte der Wald-
meister, als man ihn abriss und in die
Bowle warf.

„Divide et impera“, dachte der Spaltpilz.

„Die Müh’ ist klein, der Spass ist gross“,
sagte die Weissdornhecke und zerriss dem
Wanderer die Hose.

„Das ist die Art, mit Hexen umzugeh’n“,
sagte der Haselstrauch, als sich der Bauer
einen Stecken abschnitt, sein böses Weib
damit zu prügeln.

„Sei im Besitze und Du wohnst im
Recht!“ dachte die Mistel und sog dem
Apfelbaum das Mark aus.

„Hier der Hollunderstrauch verbirgt
mich ihm“, meinte der Champignon, als
der Junge kam zum Schwammerlsuchen.

„Ach, die Erscheinung war so riesen-
gross, dass ich mich recht als Zwerg em-
pfinden sollte“, sagte der Kommabaccillus,
da sah er die Nase des Naturforschers
durch’s Mikroskop.

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein
sei“, sagte der Floh.

,Der Menschheit ganzer Jammer fasst
mich an“, sagte der Häring.

„Ich versprach Dir einmal spanisch zu
kommen“, sagte das Rohr zum ungezogenen
Jungen.
Register
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Der Instanzenweg"
J. Greenbaum: Zeichnung ohne Titel
 
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