Die Bekehrung
Nach einem allen Schwank erzählt von Carl Busse.
Die Gemeinde Siebenschloss machte einer hohen Kirchen-
behörde schon seit Jahren arge Kopfschmerzen. Man hatte es
mit strengen und milden, dünnen und dicken, gelehrten und
ungelehrten Pfarrherrn versucht, aber es war vergeblich ge-
wesen. Die Kirche blieb Sonntags so gut wie leer, die Ab-
gaben an den Seelsorger wurden gar nicht oder nur nach allen
möglichen Drohungen entrichtet und es war nicht abzusehen,
wann das einmal anders werden sollte. Da kam schliesslich
ein feistes Pfäfflein, das darum bat, auch einmal sein Heil ver-
suchen zu dürfen. So war er vor zwei Tagen in Siebenschloss
eingezogen.
Der Sonntag rückte heran und einen Tag vorher wusste
der gute Pfarrer noch nicht, wie er die Siebenschlosser zu
guten Christen machen sollte. Er hatte sich gedacht: gelingt
es mir, dann hab’ ich eine reiche Pfarre, auf der ich mit
Gottes Hilfe bis an mein selig End aushalten kann; gelingt
es nicht, dann muss ich die Beine in die Hand nehmen und
mich in irgend ein armes Dörflein hinsetzen lassen. So sin-
nulirte er auch am Sonnabend Früh, als er seinen Morgen-
spaziergang durch die Felder machte. Es war ein schöner
Tag, und die Bauern mit ihren Mägden und Knechten rührten
überall wacker die Hände. Fleissig waren sie überhaupt, das
musste man ihnen schon lassen! Die Ernte gedieh auch Jahr
für Jahr, und mit etwas Frömmigkeit wäre dieses Siebenschloss
ein Musterdorf gewesen.
Aber wie sehr der brave Hirte sich auch anstrengte, es
wollte ihm kein Mittel einfallen, seine verirrten Schäflein auf
den rechten Weg zu führen. Schliesslich wischte er sich den
Schweiss von der Stirne, den die warme Sonne und noch mehr
das ungewohnte Nachdenken verschuldet hatten, bekreuzte
sich und dachte: Den Seinen schenkt es der liebe Gott im
Schlafe. Wenn sie nur morgen in die Kirche kommen —
bis dahin wird mir schon etwas einfallen!
Nun begab es sich, dass am Nachmittag dieses Tages
eine grosse Versammlung der Dorfleute stattfand. Am Freitag
Abend nämlich war Schmuei gestorben, der Dorfjude, der nach
guter alter Sitte für die Bauern mancherlei besorgte, womit
sie sich nicht selber befassen wollten, und der dafür geduldet
wurde und auch seinen kleinen Verdienst hatte. Es sollte nun
an seine Stelle ein neuer treten und man pflog viel Käthes,
wer dieser Ehre theilhaftig werden sollte. Da ging plötzlich
die Thüre auf und herein trat der Pfarrer. Ohne auch nur
einen Gruss zu sagen, sprach er: „Meine Lieben, morgen wird
in unserer ehrwürdigen Kirche ein gross Wunder geschehen,
davon die Enkel noch zeugen werden. Sammelt Euch in Gebet
und Andacht, thuet fein die Augen auf, verstopfet Eure Ohren
nicht wenn morgen die Glocken läuten. Denn grade morgen
— morgen —
Der geistliche Herr streckte den Arm aus und lief, wieder
ohne Gruss, geradenwegs zur Thür hinaus.
Nr. 21
Nach einem allen Schwank erzählt von Carl Busse.
Die Gemeinde Siebenschloss machte einer hohen Kirchen-
behörde schon seit Jahren arge Kopfschmerzen. Man hatte es
mit strengen und milden, dünnen und dicken, gelehrten und
ungelehrten Pfarrherrn versucht, aber es war vergeblich ge-
wesen. Die Kirche blieb Sonntags so gut wie leer, die Ab-
gaben an den Seelsorger wurden gar nicht oder nur nach allen
möglichen Drohungen entrichtet und es war nicht abzusehen,
wann das einmal anders werden sollte. Da kam schliesslich
ein feistes Pfäfflein, das darum bat, auch einmal sein Heil ver-
suchen zu dürfen. So war er vor zwei Tagen in Siebenschloss
eingezogen.
Der Sonntag rückte heran und einen Tag vorher wusste
der gute Pfarrer noch nicht, wie er die Siebenschlosser zu
guten Christen machen sollte. Er hatte sich gedacht: gelingt
es mir, dann hab’ ich eine reiche Pfarre, auf der ich mit
Gottes Hilfe bis an mein selig End aushalten kann; gelingt
es nicht, dann muss ich die Beine in die Hand nehmen und
mich in irgend ein armes Dörflein hinsetzen lassen. So sin-
nulirte er auch am Sonnabend Früh, als er seinen Morgen-
spaziergang durch die Felder machte. Es war ein schöner
Tag, und die Bauern mit ihren Mägden und Knechten rührten
überall wacker die Hände. Fleissig waren sie überhaupt, das
musste man ihnen schon lassen! Die Ernte gedieh auch Jahr
für Jahr, und mit etwas Frömmigkeit wäre dieses Siebenschloss
ein Musterdorf gewesen.
Aber wie sehr der brave Hirte sich auch anstrengte, es
wollte ihm kein Mittel einfallen, seine verirrten Schäflein auf
den rechten Weg zu führen. Schliesslich wischte er sich den
Schweiss von der Stirne, den die warme Sonne und noch mehr
das ungewohnte Nachdenken verschuldet hatten, bekreuzte
sich und dachte: Den Seinen schenkt es der liebe Gott im
Schlafe. Wenn sie nur morgen in die Kirche kommen —
bis dahin wird mir schon etwas einfallen!
Nun begab es sich, dass am Nachmittag dieses Tages
eine grosse Versammlung der Dorfleute stattfand. Am Freitag
Abend nämlich war Schmuei gestorben, der Dorfjude, der nach
guter alter Sitte für die Bauern mancherlei besorgte, womit
sie sich nicht selber befassen wollten, und der dafür geduldet
wurde und auch seinen kleinen Verdienst hatte. Es sollte nun
an seine Stelle ein neuer treten und man pflog viel Käthes,
wer dieser Ehre theilhaftig werden sollte. Da ging plötzlich
die Thüre auf und herein trat der Pfarrer. Ohne auch nur
einen Gruss zu sagen, sprach er: „Meine Lieben, morgen wird
in unserer ehrwürdigen Kirche ein gross Wunder geschehen,
davon die Enkel noch zeugen werden. Sammelt Euch in Gebet
und Andacht, thuet fein die Augen auf, verstopfet Eure Ohren
nicht wenn morgen die Glocken läuten. Denn grade morgen
— morgen —
Der geistliche Herr streckte den Arm aus und lief, wieder
ohne Gruss, geradenwegs zur Thür hinaus.
Nr. 21