Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 22

JUGEND

1896

niederträchtige Geschichte im
Gang? Muss denn so etwas
immer um 12 Uhr passiren,
wenn ich gerade zum Mittag-
essen gehen will?“

Indem erkannte er unter
der lärmenden Menschenmen-
ge seinen Polizisten, und das
Fenster öffnend, rief er hinaus:
„Wen bringt Ihr denn da,
Packan?“

Aber bevor noch Packan
antworten konnte, rief der
Teufel, indem er sehr ehrer-
bietig seinen Hut abzog, hin-
auf: „Habe die Ehre, Herr
Bürgermeister! Wie geht es
Ihnen und Ihrer werthen Frau
Gemahlin? Ich habe Ihnen Grüsse vom Kaiser von Marokko,
vom Grossmogul in Delhi und vom obersten Häuptling der
Papuas zu bestellen.“

-J Die Menge brach in schallendes Gelächter aus, der
Bürgermeister aber warf wutschnaubend das Fenstei zu
und eilte in das Sitzungszimmer des Polizeihauptmannes,
wohin der Arrestant gebracht werden musste.

Gleich darauf trat auch schon Packan mit dem Teufel
ein und meldete: „Habe gehorsamst zu berichten, dass ich
ein ganz gefährliches, bedenkliches und verdächtiges, ja so-
gar höchst miserables und unangenehmes Individium fest-
genommen habe. Dasselbige freche .. . .“

Hier unterbrach ihn der Teufel, indem er mit hoch-
mütiger Gebärde die Hand in den Westenausschnitt steckte
und sagte: „Ich verbitte mir solche Insulten von einem ganz
gewöhnlichen Häscher und Packan. Mir kommt anständige
Behandlung zu, und wird sie mir nicht zu Theil, so werde
ich mich bei der Regierung beschweren.“^

Der Bürgermeister, ausser sich vor Wut, schrie ihn
an: '„Räsonniren Sie nicht, und warten Sie, bis Sie gefragt
werden. Wir werden Ihnen gleich zeigen, wie man sich
gegen den hochedlen und wohlweisen Bürgermeister von
Dingsda zu verhalten hat!“

„Sie sind ein Narr!“ sagte der Teufel mit höhnischer
Gelassenheit, indem er aus der Schnupftabaksdose, die der
Bürgermeister in der Hand hielt, eine gewaltige Prise nahm.
Diese neue unerhörte Frechheit brachte den
Bürgermeister dermassen aus der Fassung,
dass er kirschrot im Gesichte auf seinen
Stuhl zurücksank und mit dem Munde
auf- und zuschnappte wie ein Karpfen,
ohne ein Wort hervorbringen zu können.

Der Polizeihauptmann musste heim
lieh lachen, nahm aber äusserlich
eine sehr strenge Miene an und
fragte den Teufel: „Was ist Er?“

„Er ist ein persönliches Für-
wort der dritten Person,“ ant-
wortete der Teufel, ohne eine
Miene zu verziehen.

„Herr, Sie wollen mich zum
Besten haben!“ rief der Polizei-
chef zornig. „Wer ist Er, frage
ich -—; Ihn meine ich, Ihn!‘‘

„Ihn ist der Accusativ von er,“ sagte der Teufel.
„Lassen Sie Ihre Dummheiten, sage ich Ihnen zum
letzten Male!“ schrie jetzt erbost der Polizeihauptmann.
„Wer sind Sie?“ '

„Ich bin der Teufel,“ antwortete dieser und überreichte
dem Fragenden höflich seine Karte, worauf sehr zierlich ge-
druckt war: „Luzifer Beelzebub, erster der Teufel und Be-
herrscher der Hölle.“

Nun geriet auch der Polizeihauptmann in die grösste
Wut; eine solche Unverschämtheit war ihm noch gar nicht
vorgekommen; er schrie den Verbrecher an, worauf dieser
noch lauter schrie; dazwischen tobte der Bürgermeister und
schimpfte der Polizist, kurz es war ein solcher Höllenlärm,
dass die Fenster klirrten und sich draussen vor dem Rath-
hause eine grosse Menschenmasse ansammelte, die ganz ver-
wundert dem immer lauter werdenden Gebrülle lauschte.

Der Teufel wurde endlich des Gezänkes müde und be-
schloss, sich auf würdige Weise zu verabschieden. Er nahm
plötzlich seine eigene Gestalt mit Hörnern und Schweif an,
riss dem Bürgermeister die Perrücke vom Kopfe und schlug
sie Packan um die Ohren, dass der Mehlstaub umherflog,
nahm das Tintenfass, goss es dem Polizeihauptmann über
dessen Glatze und stülpte darüber das Sandfass —, dann war
er plötzlich verschwunden, ehe die drei sich von ihrem
Schreck erholt hatten; nur ein hässlicher Schwefelgeruch
erinnerte noch an ihren höllischen Besuch. Als sie wieder
etwas zur Besinnung gekommen waren, beschlossen sie recht
kleinlaut, über den ganzen unangenehmen Vorfall strenges
Schweigen zu beobachten und weiter nichts anzugeben, als dass
der verdächtige Fremde sich als ein ganz harmloser Mensch
entpuppt habe und darum wieder freigelassen worden sei.

Der Teufel aber hatte die Stadt nicht verlassen, ohne
einen tückischen Streich zu verüben, was der Bürgermeister
alsbald zu seinem Schaden erfahren sollte. Denn als er,
noch ganz verdutzt und bestürzt über das soeben Erlebte,
nach Hause ging, bemerkte er in einem Hutladen, an dem
ihn sein Weg vorbeiführte, eine Kopfbedeckung, die ihm
ganz ausserordentlich wohlgefiel. Es war eine sogenannte
Ballonmütze, eine hohe graue Mütze, deren weiches Ober-
teil ballonartig über den hohen steifen Unterteil hervor-
ragte, und eigentlich war sie unnennbar scheusslich; aber
dem Bürgermeister kam sie wie ein Meisterwerk eleganter
Feinheit vor, und er konnte dem Antriebe nicht widerstehen,
in den Laden hineinzutreten und sie zu kaufen. Das war
eben die listige Bosheit des Teufels, dass er über diese greu-
liche Mütze einen Zauberspruch gemurmelt hatte, in Folge
dessen sie vier Wochen von Jedermann
in der Stadt Dingsda für wunderschön
gehalten wurde. Nur für Auswärtige
hatte der Zauberspruch keine Kraft;
denn sonst wäre ja der Scherz des
Teufels nicht so lustig gewesen.

Als der Bürgermeister mit dieser
pöbelhaften Kopfbedeckung zu Hause er-
schien, war seine Frau anfangs heftig er-
schrocken, aber dann wirkte der Teufels-
zauber und verwandelte ihren Schreck
in Wohlgefallen. Das Eigentümliche
bei diesem Zauber war aber, dass die
Verblendung wich, sobald man die Mütze
nicht mehr vor Augen hatte; so kam es,
Register
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Ein Teufelsstreich"
 
Annotationen