1896
JUGEND
Nr. 23
Schlaf,
du trauriges Kameel
Schlaf, du trauriges Kameel!
Hast auf deinem Wiegerücken
Aus der lieblichsten Oase
In die Wüste mich getragen . . .
Hielt, ein sieggewohnter Pascha,
Hielt im Arm das rappelnd lustige
Mädchen, das sich nicht verhüllte,
Das so frech und kindlich tollte,
Mir die müden Augen küsste
Und ich schlief an ihrem Herzchen,
Im Besitze reich mich dünkend,
Selig ein eh’ meine Sinne
Die erregten, sich ersättigt.
Da - es drang ein rauhes Lärmen
Von der Strasse ich erwachte,
Rieb verdrossen mir die Augen,
Sah der Sonne frechen Frühblick
Doch kein Weib an meiner Seite.
Draussen hört ich auf dem Gange
Wie sich fremde Stimmen kreuzen,
Und da klopft es — Gott verdamm mich! -
Tritt ein Vetter vor mein Lager,
Mahnt mich, das es höchste Zeit sei,
Einen andren trocknen Vetter,
Wie’s versprochen, aufzusuchen .
Schlaf, du trauriges Kameel!
Hast auf deinem Wiegerücken
Aus der lieblichsten Oase
In die Wüste mich getragen!
OTTO ERICH HARTLEBEN.
Kleine Münze
Politische Märtyrer
Wie herbe Euer Loos auch sei,
Eins dürft Ihr Euch zum Tröste sagen:
Ihr könnt zwar schlecht die Tyrannei,
Doch sie noch schlechter Euch vertragen!
k. T-a.
LO
Wunder
Worüber die meisten Leute sich wundern,
Das sind Bagatellen und Plündern;
Das wirklich Wunderbare auf Erden
Wird stets nur Wenigen offenbar werden.
k. T-a.
SO
Uebermenschler
Nied’re Bestien-Instinkte
Seh’n zur Tugend sich erhöht,
Uebermensch fühlt sich am ersten,
Wer noch unterm Menschen steht.
OSKAR WILDA.
Heilig’ Heute
Ich lebe! Alle Grösse des Vergang’nen
Reicht nicht an dieser einen Stunde Glanz!
Versunk’ne Völker, Götter, Sonnenwelten -
Was sind sie gegen mich heut’, da ich lebe,
Ein athmend Blüthenblatt im Sonnenkranz!
JULIUS LOHMEYER.
Die Welt urtljcilt, wie sie’s versteht,
Und eh’ sie sagt, daß sie’s nidst versteht,
Da urtheilt sie, wie sie's halt — nicht v erste h t.
Zweierlei Bedingung
Willst D» die Menge bei Stimmung erhalten,
Zweierlei mußt Du stets gontiren:
Ihre Bewunderung alles Alten,
Ihre Lust zu rcformircn. k. t.
Als Keiner es sah,
War’s and; schon da.
Nun’s Einer bewundert,
Begeistert’s hundert. k. t.
SO
weltlauf
So geht’s allhier auf dieser Welt
Gar rücksichtslos von statten,
Daß man Dich gewiß in den Schatten stellt.
Stellst Dn nicht and’re in Schatten. k. t.
Daß Du im Recht — fein Zweifel ist,
Du hast’s bewiesen recht und schlecht.
Doch eben, daß Du im Rechte bist,
Das finden sie furchtbar ungerecht. k. t.
wir gerathen immer außer uns über den
Egoismus anderer, wenn er — den unsrigen
verletzt. K. T>
Die Roth wirkt auf die Entwicklung des
Talents wie das Salz auf die Speise: Etwas
würzt, zuviel verdirbt. D. h
Illau kann auch mit der Wahrheit schmeicheln.
SIRIUS.
Jm Zylinder wird mehr gelogen als im Filzhiit.
SIRIUS.
Bei trefflichen Männern und würdigen Frau’u
Vergißt man erbaulich das Werkeltagsleben;
Doch rath’ id;, will einer das Verz fidj erheben,
In glückliche Ainderaugen zu schau'n. eleo.
*
Blasirt
Wie ist ihm die Welt so ennuyant,
Er Hesse sich gähnend begraben, -
Fand’ er sich nicht selber noch int’ressant
Und seine Blasirtheit erhaben.
OSKAR WILDA.
JUGEND
Nr. 23
Schlaf,
du trauriges Kameel
Schlaf, du trauriges Kameel!
Hast auf deinem Wiegerücken
Aus der lieblichsten Oase
In die Wüste mich getragen . . .
Hielt, ein sieggewohnter Pascha,
Hielt im Arm das rappelnd lustige
Mädchen, das sich nicht verhüllte,
Das so frech und kindlich tollte,
Mir die müden Augen küsste
Und ich schlief an ihrem Herzchen,
Im Besitze reich mich dünkend,
Selig ein eh’ meine Sinne
Die erregten, sich ersättigt.
Da - es drang ein rauhes Lärmen
Von der Strasse ich erwachte,
Rieb verdrossen mir die Augen,
Sah der Sonne frechen Frühblick
Doch kein Weib an meiner Seite.
Draussen hört ich auf dem Gange
Wie sich fremde Stimmen kreuzen,
Und da klopft es — Gott verdamm mich! -
Tritt ein Vetter vor mein Lager,
Mahnt mich, das es höchste Zeit sei,
Einen andren trocknen Vetter,
Wie’s versprochen, aufzusuchen .
Schlaf, du trauriges Kameel!
Hast auf deinem Wiegerücken
Aus der lieblichsten Oase
In die Wüste mich getragen!
OTTO ERICH HARTLEBEN.
Kleine Münze
Politische Märtyrer
Wie herbe Euer Loos auch sei,
Eins dürft Ihr Euch zum Tröste sagen:
Ihr könnt zwar schlecht die Tyrannei,
Doch sie noch schlechter Euch vertragen!
k. T-a.
LO
Wunder
Worüber die meisten Leute sich wundern,
Das sind Bagatellen und Plündern;
Das wirklich Wunderbare auf Erden
Wird stets nur Wenigen offenbar werden.
k. T-a.
SO
Uebermenschler
Nied’re Bestien-Instinkte
Seh’n zur Tugend sich erhöht,
Uebermensch fühlt sich am ersten,
Wer noch unterm Menschen steht.
OSKAR WILDA.
Heilig’ Heute
Ich lebe! Alle Grösse des Vergang’nen
Reicht nicht an dieser einen Stunde Glanz!
Versunk’ne Völker, Götter, Sonnenwelten -
Was sind sie gegen mich heut’, da ich lebe,
Ein athmend Blüthenblatt im Sonnenkranz!
JULIUS LOHMEYER.
Die Welt urtljcilt, wie sie’s versteht,
Und eh’ sie sagt, daß sie’s nidst versteht,
Da urtheilt sie, wie sie's halt — nicht v erste h t.
Zweierlei Bedingung
Willst D» die Menge bei Stimmung erhalten,
Zweierlei mußt Du stets gontiren:
Ihre Bewunderung alles Alten,
Ihre Lust zu rcformircn. k. t.
Als Keiner es sah,
War’s and; schon da.
Nun’s Einer bewundert,
Begeistert’s hundert. k. t.
SO
weltlauf
So geht’s allhier auf dieser Welt
Gar rücksichtslos von statten,
Daß man Dich gewiß in den Schatten stellt.
Stellst Dn nicht and’re in Schatten. k. t.
Daß Du im Recht — fein Zweifel ist,
Du hast’s bewiesen recht und schlecht.
Doch eben, daß Du im Rechte bist,
Das finden sie furchtbar ungerecht. k. t.
wir gerathen immer außer uns über den
Egoismus anderer, wenn er — den unsrigen
verletzt. K. T>
Die Roth wirkt auf die Entwicklung des
Talents wie das Salz auf die Speise: Etwas
würzt, zuviel verdirbt. D. h
Illau kann auch mit der Wahrheit schmeicheln.
SIRIUS.
Jm Zylinder wird mehr gelogen als im Filzhiit.
SIRIUS.
Bei trefflichen Männern und würdigen Frau’u
Vergißt man erbaulich das Werkeltagsleben;
Doch rath’ id;, will einer das Verz fidj erheben,
In glückliche Ainderaugen zu schau'n. eleo.
*
Blasirt
Wie ist ihm die Welt so ennuyant,
Er Hesse sich gähnend begraben, -
Fand’ er sich nicht selber noch int’ressant
Und seine Blasirtheit erhaben.
OSKAR WILDA.
K. T.: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
K. T-a.: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Julius Lohmeyer: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Oskar Wilda: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Stirius, Sirius: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Fleo: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Otto Erich Hartleben: Schlaf, du trauriges Kameel
Leo Prochownik: Zierleiste
K. T-a.: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Julius Lohmeyer: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Oskar Wilda: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Stirius, Sirius: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Fleo: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Münze - Aphorismen und Epigramme
Otto Erich Hartleben: Schlaf, du trauriges Kameel
Leo Prochownik: Zierleiste