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Nr. 24

JUGEND

1896

eines Lebenswandels stehen, kommen unter
den Plafond, und ist der betreffende Leu-
mund sehr trüb, so kommt es sogar vor,
dass die Bilder des Künstlers verkehrt an
die Wand gehängt werden. Dies thut na-
türlich der Verkäuflichkeit dieser Bilder
einen gewissen Eintrag, obwohl es etliche
frivole Marsen gibt, die behaupten, jene
Bilder seien die Besten.

Die Bildhauerkunst auf unserem Stern
steht aufsehr hoher Stufe, denn die sämmt-
lichen Aufträge für Denkmäler und dekora-
tive Arbeiten an Bauten u. s. w. werden
unter die drei Akademielehrer für Bild-
hauerei vertheilt, kommen also immer in
bewährte Hände. Unsere öffentliche Kunst
hat dadurch einen hohen Grad vornehmer
Gleichmässigkeit erhalten und alles frivole
Entfalten von Individualität wird vermieden.

Natürlich gibt es unter unserer Künstler-
schaft zwei feindliche Gruppen, von denen
sich jede wieder in eine arbeitende und
eine schreiende Hälfte theilt. Die arbei-
tenden Mitglieder der beiden Gruppen
sehen einander merkwürdig ähnlich und
unterscheiden sich auch in ihrem Wesen
nicht viel von den übrigen Marsen —
die schreienden Mitglieder der Gruppe,
die „Alten“, tragen lange, nicht immer
ganz vertrauenerweckende Haare, gewal-
tige Hüte, flatternde Halsbinden und hin
und wieder etwas ausgefranste Hosen. Sie
trinken viel Bier, sehen Alles braun und
schimpfen fürchterlich über die Jungen.
Die Schreienden von den „Jungen“ zeich-
nen sich durch kolossale Eleganz aus, reden
ein wenig durch die Nase, trinken viel
Bier, sehen Alles violett und schimpfen
fürchterlich über die Alten. Das ist sehr
toll, nicht?

Das Publikum theilt sich in gleicher
Weise in zwei Hälften. Der weitaus grös-
sere Theil ist zur Zeit bei den Alten und
wird erst dann bei den Jungen sein, wenn
diese die Alten sein werden. Das ist so
der Lauf des Mars! Aber das interessirt
Sie kaum, bei Ihnen auf der Erde ist das
ja Alles ganz anders.

Die private Kunstpflege wird hier haupt-
sächlich durch die Kunstvereine betrieben.
Diese haben Ausstellungssäle, in welche
man an schönen Nachmittagen kommt,
um die andern Leute auszurichten, Rendez-
vous’ abzumachen, die Toiletten der Mit-
marsen zu bekritteln, über das Wetter zu
reden und für kunstverständig gehalten zu
werden.

Durch diese Einrichtung ist das Kunst-
leben auf dem Mars schon enorm geför-
dert worden,

womit ich verbleibe

Ihr ergebenster
Nikodemus Dreibein.

>r W W-K -ä'

Figurales Ornament

ans der aktstndienfreien Kunstgewerbeschule auf dem Mars
(Preisarbeit).




Frühlings-Idyll
Zeichnung von M. Kleiter

Kleine Münze

Der Siebter an den iPbilosopben

TÜIlas wülstTEu alles wissen?

©b Weiser, sei kein Thor!

Wer klug ist, zieht dem Leven
Lind einen Schleier vor.

Das Machte ist das Leere,

Wenn Dn es nicht verklärst,

Dnd keine Schönheit wäre,

Wenn Dn kein Seher wärst.

OTTO JULIUS BIHUBAUM.

©o

So ist auch der Geringste recht.

Und also ist er wohlgelitten,

Wenn dankbar er die Hände küsst
Dem, der die Ohren ihm abgeschnitten.

H. FREISS.

CO

Adam lebte im Paradiese, als er noch
Junggeselle war. Als er aber eine Frau
bekam, — lag er gar bald draussen. e. gl.

Selbstbeherrschung ist der sicherste
Weg zur— Unterwerfung anderer, e. gl.

Die Phrase ist das Feigenblatt der
Ignoranz.

„Scheiden thut weh!“ — Sich scheiden
lassen, — nicht immer! e. gl.

©O

Wenn Du tiefer gräbst, als and’re,
Nennen sie Dich oberflächlich.

Dringst Du in den Kern der Sache,
Rufen sie: „Wie nebensächlich!“

Die in dumpfen Wahnes Käfig
Sitzen, finsternissumhangen —

Tret’, ein Freier, vor ihr Gitter,

Und sie rufen —: „Wie befangen!“

ROBERT OECHSLER.

©o

Du klagst und sagst, es wäre viel
Zu bessern noch auf Erden. —

Merk’ Dir: Wenn Du nicht anders wirst,
Wird es nicht anders werden, j. münz.

©Q

Es gibt Männer, die nichts für sich be-
halten können, — nicht einmal ihre Frauen.

Ein allzu Leichtgläubiger wird allzu
leicht Gläubiger.

Mode nennt man die Uniform für Civil-
personen. J- E r-

©0

Aus eigener Erfahrung

Wer Mönch bereits geworden,

Und früher Novize war,

Weiss, wie die Knaben spielen
Selbst hinter’m Hochaltar.

MAXIM BERN.

384
Register
Otto Julius Bierbaum: Der Dichter an den Philosophen
Maximilian Bern: Aus eigener Erfahrung
Robert Oechsler: Kleine Münze: Aphorismen und Epigramme
J. E-r.: Kleine Münze: Aphorismen und Epigramme
Max Kleiter: Frühlings-Idyll
J. Münz: Kleine Münze: Aphorismen und Epigramme
E. Gl.: Kleine Münze: Aphorismen und Epigramme
 
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