Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 24

JUGEND

1896

„Matt jibst Du denn ejentlich dein ksühneraujust, Deinem
Schwiejersohn, for Iist mit?"

„Ick denke den Thierjarten und Lharlottenburg, außerdem
datt Stummelsammeln unter'» Linden. Mir bleibt ja immer noch
der meine bliilde Mann' bci's (Dperubaus und datt warme Essen
for'sServieren beiAulicke, bürgerlicher Mittagstisch for 20 Fenn’ge."

l)68 80NNtLZ8

frük 80 um viertel sieben

Um viertel Lieben des Sonntags trüb,

Das ist mir die liebste Zeit in der Woche;

Da weckt nicht der Wirthin laut Gepoche
Zu des Tages Last und des Tages Müh’.

Aus der ganzen sechstägigen Alltagsfrist
Ist mir keine einz’ge Minute geblieben,

Wo die Seele so still und so glücklich ist
Als Sonntags früh so um viertel Sieben.

Tagtäglich seh’ ich es anders nie:

Stets steht ein gebietendes „Muss“ vor dem Bette,
Das schirrt in’s Joch und zwingt in die Kette:
„Zieh, Lastthier, zieh! — Zieh, Lastthier, zieh!“ —
So bin ich auch heut’ aus dem Schlaf erwacht;
Schon fühle ich mich gepeitscht und getrieben
In saurer Fron nach verwichener Nacht —

Des Sonntags früh so um viertel Sieben.

Mit hastigem Griffe die Uhr von der Wand: —

Da wird mi'r’s klar: heut’ ist Sonntag auf Erden. .
Da fallen die Fesseln, da ruh’n die Beschwerden ...
. . Und die Uhr bleibt tickend in meiner Hand.
Und das Auge folgt dem Zeiger entzückt,

Der über die Ziffer, die da geschrieben,

— Auch über die Drei — immer weiter rückt —
Des Sonntags früh so um viertel Sieben.

Das ist ein Stück von der Seligkeit:

Tief eingebettet in weiche Kissen
Heut der Minute nicht folgen zu müssen,

Was meines Lebens tägliches Leid . . .

Aus der ganzen sechstägigen Alltagsfrist
Ist mir keine einz’ge Minute geblieben,

Wo die Seele so still und so glücklich ist
Als Sonntags früh so um viertel Sieben,

OTTO RÜHLE.

Der Wahrheitsucher

Freund, hier ist mein neuer Reim.

Prüfe seinen Werth und Adel
Ohne ungerechten Tadel,

Ohne falschen Honigseim.

Sage offen, ob er recht;

Denn ich bin nicht von den Narren,

Die nur Lob zusammenscharren —

Doch, nicht wahr, er ist nicht schlecht?

Ehrlichkeit ist Freundespflicht,

Ehrlichkeit verlang ich heute;

Doch wir sind geschied’ne Leute,

Tadelst Du mir dies Gedicht.

Ich war nie ein eitler Thor
Und erkenne Dich als Richter,

Aber kränkst Du mich als Dichter,

Dann, mein Freund, dann’ sieh Dich vor!

Nun, mein Lieber, komm und höre;

Deinem Unheil halt’ ich still,

Denn Du siehst ja und ich schwöre,

Dass ich nur die Wahrheit will!

KORY •gO\VSK\.

388
Register
Christiansen: Die gute Partie
Kory Towska: Der Wahrheitsucher
Otto Rühle: Des Sonntags früh so um viertel Sieben
 
Annotationen