Nr. 25
JUGEND
1896
Gezeichnet von J. Bretz.
Abends
Abend! es treten
Die Berge näher,
Ls steigen Nebel,
huschen Schatten
vom Feld zum lvaldc,
Ueber zackigen Wipfeln
Tanzt die Sonne.
Abendschweigen I
Wie redet die Einsamkeit,
Spricht eherne Worte
Zur Mannesseele.
Die Sonne glüht,
Die scheidende Sonne,
wie im Tode ein Großer
In aller Glorie
Einmal noch aufstrahlt.
Dann sinkt sie schnell;
Die Dämmerung schleicht,
Ein grauer Wolf,
Durch nächtliche Thäler.
Ich weiß, ich weiß:
Nun kommt die Nacht,
Die lange Nacht,
„Da niemand wirken,
Da niemand lieben kann" —
Ich weiß, ich weißl
Bitter wunderlich! —
Dann werd' ich Dein Auge,
Dein grüßendes Auge,
Nimmermehr sehen.
Dann wirst Du, Geliebte
Des Freundes Auge '
Nimmermehr sehen. —
(D wunderlich bitter
Nun starb die Sonne
Nun ist wohl auch-
Gestorben die Liebe?
» » »
Ein Leuchten da,
Ein schwaches Leuchten!
Geküßt vom Strahle
Der schon Entschwundenen
Eine Wolke leuchtet,
Eine kleine, stille,
Rosige Wolke,'
kjoch am ksiinmel,
Am dunklen Himmel.
ksab' Dank für das Zeichen!
Nicht todt die Sonne,
Nicht todt die Liebe —
Sonne und Liebe
Können nicht sterben.
versteh' ich das Zeichen?
Dies Leben ist nichts
Als nur ein Abglanz,
Lin schwacher Abglanz-
Icner fernen, verborgenen,
Aus tiefer Nacht
Dem, der sie sieht,
Leuchtenden Sonne.
Hab' Dank, Hab' Dank!
Sonne — Freundin!
Hab' Dank,
Ich verstehe!
V Du, o Weib!
Seit Deine Seele,
Deine keusche Seele,
Mir sich ergeben,
ward lichter Morgen,
ward Heller Mittagsglanz
Meines Lebens Nacht.
Du machtest sehend
Die blinden Augen,
Du machtest gläubig
Dies todte Gemüth.
Nun erscheint mir Alles
chier nur ein Gleichniß,
Ein Gleichniß von dem,
was drüben wartet.
Ich sehne, sehn' mich
Zum Tode — zu Dir,
Der Sonne nach.
© komme, Du große
Herbe Liebe!
Ans lichtem Fittich
Nimm' mich, trag' mich
Zur neuen Sonne.
W. VON POLENZ.
Wie aus
einem Paar Socken der Schäfer ist worden
Ein Gschichtel aus dem „Stoansteirisclien“ von Peter Rosegger.
Der alte Gräderer kommt ins Städtlein und besucht seinen
Herrn Vetter. Anfangs, als er eiugetreten, spricht er lauter
ewige Wahrheiten: dass das Wetter alleweil gar so unbeständig
ist, dass der Berg aufwärts schnaufen und abwärts „knie-
schnappen“ macht und dass der liebe Gesund halt ’s Beste
wäre! Allmählich geht er weiter, rückt heraus mit einem
Geheimniss und er möchte den Herrn Vetter frei so viel
gern um Rath fragen. — Und duschelt ihm Eins hin.
394
JUGEND
1896
Gezeichnet von J. Bretz.
Abends
Abend! es treten
Die Berge näher,
Ls steigen Nebel,
huschen Schatten
vom Feld zum lvaldc,
Ueber zackigen Wipfeln
Tanzt die Sonne.
Abendschweigen I
Wie redet die Einsamkeit,
Spricht eherne Worte
Zur Mannesseele.
Die Sonne glüht,
Die scheidende Sonne,
wie im Tode ein Großer
In aller Glorie
Einmal noch aufstrahlt.
Dann sinkt sie schnell;
Die Dämmerung schleicht,
Ein grauer Wolf,
Durch nächtliche Thäler.
Ich weiß, ich weiß:
Nun kommt die Nacht,
Die lange Nacht,
„Da niemand wirken,
Da niemand lieben kann" —
Ich weiß, ich weißl
Bitter wunderlich! —
Dann werd' ich Dein Auge,
Dein grüßendes Auge,
Nimmermehr sehen.
Dann wirst Du, Geliebte
Des Freundes Auge '
Nimmermehr sehen. —
(D wunderlich bitter
Nun starb die Sonne
Nun ist wohl auch-
Gestorben die Liebe?
» » »
Ein Leuchten da,
Ein schwaches Leuchten!
Geküßt vom Strahle
Der schon Entschwundenen
Eine Wolke leuchtet,
Eine kleine, stille,
Rosige Wolke,'
kjoch am ksiinmel,
Am dunklen Himmel.
ksab' Dank für das Zeichen!
Nicht todt die Sonne,
Nicht todt die Liebe —
Sonne und Liebe
Können nicht sterben.
versteh' ich das Zeichen?
Dies Leben ist nichts
Als nur ein Abglanz,
Lin schwacher Abglanz-
Icner fernen, verborgenen,
Aus tiefer Nacht
Dem, der sie sieht,
Leuchtenden Sonne.
Hab' Dank, Hab' Dank!
Sonne — Freundin!
Hab' Dank,
Ich verstehe!
V Du, o Weib!
Seit Deine Seele,
Deine keusche Seele,
Mir sich ergeben,
ward lichter Morgen,
ward Heller Mittagsglanz
Meines Lebens Nacht.
Du machtest sehend
Die blinden Augen,
Du machtest gläubig
Dies todte Gemüth.
Nun erscheint mir Alles
chier nur ein Gleichniß,
Ein Gleichniß von dem,
was drüben wartet.
Ich sehne, sehn' mich
Zum Tode — zu Dir,
Der Sonne nach.
© komme, Du große
Herbe Liebe!
Ans lichtem Fittich
Nimm' mich, trag' mich
Zur neuen Sonne.
W. VON POLENZ.
Wie aus
einem Paar Socken der Schäfer ist worden
Ein Gschichtel aus dem „Stoansteirisclien“ von Peter Rosegger.
Der alte Gräderer kommt ins Städtlein und besucht seinen
Herrn Vetter. Anfangs, als er eiugetreten, spricht er lauter
ewige Wahrheiten: dass das Wetter alleweil gar so unbeständig
ist, dass der Berg aufwärts schnaufen und abwärts „knie-
schnappen“ macht und dass der liebe Gesund halt ’s Beste
wäre! Allmählich geht er weiter, rückt heraus mit einem
Geheimniss und er möchte den Herrn Vetter frei so viel
gern um Rath fragen. — Und duschelt ihm Eins hin.
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