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Nr. 26

tjiut nichts, er transpirirt, sie amiisirt
sich, er keucht, sie lacht, er bekommt
die Schwindsucht und sie wundert sich
darüber, wie schnell und bequem ein
Menschenpaar auf dem Tandem vorwärts
kommt. Und fallen sie schliesslich in
einen Graben, so ist immer er schuldig,
auch wenn sie die Lenkstange führt. Er-
schwerend ist für ein verheiratetesTandem-
Paar auch der Umstand, dass man sich
über das „Wohin?“ immer in vollständiger
Harmonie befinden muss. Furchtbar aber
kann die Sache freilich werden, wenn
ihre Frau Mama die Anschaffung eines
Dreisitzers fordert und mitfährt. Dann ist
er ein todter Mann. —

Die vollkommene, ideale Ausbreitung
des Zweiradfahrens wird in den Städten
allerdings noch immer in beklagenswerther
Weise aufgehalten durch Fussgänger und
Wagen. Hier muss gründlich Remedur
geschaffen werden und sie wäre leicht zu
schaffen — man brauchte nur Pferde und
Nichtradler auf’s Trottoir zu beschränken
und die Strassen dem Stahlross freizuhalten.
Statt dessen benachtheiligt man heutzutage
in jeder Weise noch den Radler und im
Polizeibureau einer mittelgrossen Stadt wer-
den täglich einige Diurnisten rein aufge-
brauchtdurch Ueberanstrengung beim Aus-
fertigen von Strafmandaten wegen Ueber-
tretung der Fahrvorschriften. Das wird nur
besser dadurch, dass das Radfahren auch
die für solche Dinge massgebenden Fak-
toren immer mehr ansteckt: Gensdarmen,
Polizei-Commissäre, -Räthe und -Präsi-
denten, Magistrats- und Gemeinderäthe
u. s. w. Erst neulich hat mein Gewährs-
mann einen wirklichen, leibhaftigen, rechts-
kundigen Bürgermeister auf dem s.v. Bauche
liegen sehen und zwar nicht etwa vor sei-
nem allergnädigsten Landesherrn, sondern
neben einer seelenlosen, frischgekauften
Non plus ultra-Maschine mit Tangent-Spei-
chen und zweiundsechzigzölliger Ueber-
setzung. Die Radfahrer der betreffenden
Stadt erhoffen demnächst die Verfügung,
dass jeder die Schnelligkeit der Bicyclisten
durch rücksichtsloses Spazieren auf dem
Fahrdamm beeinträchtigende Fussgänger
wegen groben Unfugs bestraft wird.

Gezeichnet von E. Kneiss.

• JUGEND .

Studentenmumie, gefunden in Memphis

1896

Also nicht einmal die Bürgermeister-
kette hilft gegen die Zweiradseuche, weder,
sie, noch irgend ein anderes Amulet der
Erde. Man sieht Menschen vergnügt die
Strasse her strampeln, die früher über
Nichts so intensiv zu schimpfen wussten,
als über die Rad-Fexe. Kein Alter schützt
vor dieser Thorheit, kein Stand, keine
Körperconstitution, keine schlimme Er-
fahrung hält davon ab. Schöne Frauen, die
sonst wegen einer stecknadelkopfgrossen
Sommersprosse Arsenik genommen hätten,
fallen mit lächelndem Gleichmuthe vom
Rad und riskiren die anmuthigen Linien
ihrer Nase; gravitätische, umfangreiche
Spiessbürger erlernen im Schweisse des
Angesichts ihrer Velozipedlehrer die fröh-
liche Kunst und plumpsen wie Gummi-
bälle auf dem Boden der Fahrschule um-
her, dürre Staatshämmorrhoidarii steigen in
den Sattel und klappern über das Strassen-
pflaster, Stabsoffiziere der Infanterie ver-
gessen über dem Rade das Reiten, das
sonst ihre Leidenschaft war, die Mutter
verlässt ihre Kinder, der Maler seine
Staffelei, die Jungfrau ihr Piano, Jeder
verlässt sein altes Steckenpferd und greift
nach dem Neuen, dem Steckenpferd auf
Rädern.

Es ist kein Ende abzusehen, wohin das
noch führen mag, Alles ist angesteckt von
der verrückten Passion, strampelnd und
die eigenen Knochen, wie die der Mit-
menschen gefährdend durch die Welt zu
fliegen, Alles, Alles —

ich auch! bob

Ikobolb

Scbalftbeft spricht aus Deinem Mund,
Arglist aus den Micken,

JBist ein kleines Teukelcben»

Durch und durch voll Tücke».

Wist ein kleines Teukeleben,

,'Vesbakt und durchtrieben —

Allen» Du liebenswürdig wärst,

Mürd' ich Dieb nicht lieben.

TH. STERNBERG.

Gezeichnet von J. Diez.

418
Register
J. Greenbaum: Studentenmumie, gefunden in Memphis
Th. Sternberg: Kobold
Emil Kneiss (Kneisz, Kneiß): Medaillon: Radfahrer
Julius Diez: Medaillon: Fische
 
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