Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 28 (11. Juli 1896)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3224#0036
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1896

JUGEND

Nr. 28

Stossseufcer eines mythologiekundigen Radlers: Die alten Centauren hatten’s halt gut; da konnte Jeder für sich einen Zweisitzer treten

und ihrer Zwei ein Quadruplet!

Die Hasen im Reichstag

Leider etwas zu spät, als dass die werthvollen, neuge-
wonnenen Entdeckungen noch in der letzten Auflage von
Brehms Thierleben hätten verwendet werden können, erfolgte,
wie bekannt, jüngst im Reichstage eine Debatte, bei welcher
Wesen und Art unseres Meister Lampe (Lepus timidus) von
den verschiedensten Standpunkten aus eingehend besprochen
wurden. Gelegentlich der Debatte über §819 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (Wildschadenersatz) wurden über Schädlichkeit
oder Nichtschädlichkeit des Hasen die verschiedenen Mein-
ungen ausgetauscht und die Resultate, zu welchen die ein-
zelnen Redner kamen, beweisen vor Allem eins: Dass die
bisherige Annahme der Zoologen, Hase sei Hase, durchaus
falsch ist. Es gibt eben sehr verschiedene Arten von Hasen
und es ist höchste Zeit, dass die beschämende Lücke, welche
in dieser Beziehung in der Naturgeschichte besteht, aus-
gefüllt werde. Nebenbei gesagt: es wäre höchst verdienst-
voll, wenn der deutsche Reichstag das ganze Thierreich in
dieser Weise während der Debatten über unser bürgerliches
Gesetzbuch „durchsprechen“ würde. Das würde die Voll-
endung dieses nationalen Werkes allerdings um ein paar Jahr-
tausende verzögern, der Zoologie wäre ein unschätzbarer
Dienst geleistet, ganz abgesehen davon, dass die Einführung
des Humors in die Wissenschaft die Letztere viel geniessbarer
und populärer machen würde.

Nach den Ergebnissen der Reichstagsverhandlungen vom
28. Juni haben wir zunächst zwei grosse Hauptgruppen von
Leporiden zu unterscheiden:

Die ostelbischen und die westelbischen Hasen,
nach Groeber (Lepus modestus abstinens ostalbicus und
Lepus furibundus vorax westalbicus).

Der Letztere ist, wie schon im Bilde zu sehen, überaus
ruppigen Charakters, schadenfroh und gemein, knabbert

irtrM

tausendjährige Eichen wie Binsen ab, macht weite Länder-
strecken unfruchtbar und unwohnlich und wird auch dem
Jäger höchst gefährlich, namentlich des Sonntags.

Eine neuentdeckte Abart ist der Lepus westalbicus man-
teuffeliensis negativus.

Er ist so boshaft, dass er, wenn
sein Ränzlein auch schon zum Platzen
mit Kohl gefüllt ist, noch aus purer
Schadenlust Baumrinde frisst. Ein
Glück für die Forstcultur ist es, dass
nach der Versicherung des Abgeord-
neten von Manteuffel dieser Hase
—- nicht vorkommt. Aehnlich ver-
hält s'ch> aber nur aus Gesundheits-
rücksichten, der vom gleichen For-
scher entdeckte, leidende Hase
(Lepus medicinicus therapeuticus patiens).

457
Register
Emil Kneiss (Kneisz, Kneiß): Stossseufzer eines mythologiekundlichen Radlers
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Die Hasen im Reichstag"
[nicht signierter Beitrag]: Die Hasen im Reichstag
 
Annotationen