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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (11. Juli 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3224#0037
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Nr. 28

JUGEND

1896


Gleichem

Eine, namentlich 'in den rauheren Gegenden Deutsch-
lands gefürchtete Spezies des westelbischen Hasen ist der
Orchideenfresser(Lepus orchiphagus gourmeticus ministerien-
sis). Dieser, vom Landwirthschaftsminister
v. Hammerstein entdeckt, nährt sich aus-
schliesslich von Orchideen im Werthe von
100 Mark und darüber und namentlich solchen,
die auf freiem Felde gepflanzt sind. Die, viele
Tausende von Morgen bedeckende Orchideen-
cultur in Westeibien erleidet durch diese
Hasenart geradezu furchtbaren Schaden, so
dass man derartige Bestien mit Recht die
Kiefernspinner oder die Nonnen unter den
Leporiden genannt hat.

Geschlechte gehört der Klapperhase an
(Lepus frivolus crepitans Lenzmannii).

Dieses Thier treibt seinen Ueber-
muth so weit, dass es, weit entfernt,
sich durch die Klappern der Treiber
verscheuchen zu lassen, selbst mit-
klappert. Mit in die gleiche verwerf-
liche Kategorie gehört der massen-
haft zusammensitzende Hase
nach Dankeimann (Lepus gre-

^ , _,,__ garius consedens Dankelmanni) und

die noch viel verderblichere Unterart
"" dieser Spezies, der vom Abgeord-

netenLenzmann entdeckte millionen-
weise Feldfrüchte ab-
fressende Hase (Lepus
sandammeericus in in-
finitumdevastans). Die-
sem gegenüber steht
der durchaus harmlose
einzelnspeisende
Hase (Lepus ostalbicus
solitus aristocraticus).

Dieser ist massig und

wählerisch und leistet sich nur hie und da eine Wurzel. Ihm
nahe verwandt, wenn auch von weniger vornehmer Art und

ordinäreren Gewohnheiten ist der
Rübenfresser (Lepus semel Beta-
phagus amabilis ministeriensis).
Er nimmt nur einmal eine Rübe
aus dem Felde heraus und wurde
vom Landwirthschaftsminister v. Hammerstein entdeckt.

Er ist noch viel harmloser als die ihm an Körperumfang
sehr wesentlich nachstehende Maus, ja er kann dieser geradezu
als nachahmenswerthes Beispiel der Enthaltsamkeit und Be-
scheidenheit hingestellt werden. Den Gipfel der Unschädlich-
keit erklimmt allerdings der Bennigsen- oder Gemüths-
Hase (Lepus innocens, suavis Bennigsenius). Diese Hasen-
species ist so harmlos, dass es ihr Entdecker selbst nicht
recht glauben kann. Er nährt sich nur von Küchenabfällen,

Glasscherben, Papierschnipfeln und schädlichen Insekten,
leeren Sardinenbüchsen und Streich-
holzschachteln.

Sollte er je Lust nach Grünfutter
bekommen, so wählt er ausschliesslich
solche Pflanzen zur Speise, deren Ver-
tilgung ein dem Menschen wohlgefäl-
liges Werk ist, als Bilsenkraut, Toll-
kirschen, Niesswurz, Herbstzeitlosen
u. s. w.

Eine schädliche Hasenart — die schädlichste von Allen
— kommt in Ost- und Westeibien vor, der Obstruktions-
Hase (Lepus agraricus politicus pitoyabilis) eine Bestie, an

dessen selbstsüchtiger und hartnäckiger Gesinnung die wich-
tigsten Gesetzesvorlagen zum Scheitern kommen. Er gedeiht
namentlich auf grossen Gütern im Norden Deutschlands. Ihm

verwandt ist der „au fgegebe n e
Centrumshase“ (Lepus car-
tellosus viceversus Lieber!), ein
in jüngster Zeit als Handels-
objekt mit Vortheil verwendetes
Thier von nicht gerade edler, aber
fruchtbarer Rasse. Von diesen
Hasen weiss man schon seit
Langem, wie er läuft, obwohl er
durch häufigen Direktionswechsel
und plötzliches Hakenschlagen
Unkundige leicht täuschen kann.
Eine der wenigen schwarzen
Hasenarten, die bekannt sind.

Hiemit wären die hervorragendsten in jener Reichstags-
debatte neu bestimmten Hasenarten aufgezählt und wir
schliessen unsern Bericht, sonst
ergreift am Ende der freundliche
Leser, wie das Zentrum, in jener
denkwürdigen Sitzung

das Hasenpanier.

Die Fremdwörter

£)aupfmaitn: Feldwebel, ich Haffe Ihnen bod] gestern
schriftlich mitgetheilt, daß von einer Arreststrafe des Rekruten
Schulze abstrahirt werden soll und nun melden Sie mir trotzdem,
daß Sie ihn beigesteckl haben.

Feldwebel: lherr Ljauptmann werden entschuldigen, ich
habe das so verstanden, daß der Mann abstrasirt werden soll
und ihm deßhalb 24 Stunden Arrest gegeben.

znao

Wörtlich genommen

Paul fragt seine Schwester, die eben in einer Gärtnerei
Rosen kaufte, was dieselben kosteten. „20 Pfennig das Stück,“
antwortet das Mädchen. — „Aber das ist theuer!“ ruft Paul —
„warum hast Du denn nicht gehandelt, es steht doch „Handels-
gärtnerei“ angeschrieben.“

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[nicht signierter Beitrag]: Wörtlich genommen
[nicht signierter Beitrag]: Die Fremdwörter
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zum Text "Die Hasen im Reichstag"
 
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