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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 32 (8. August 1896)
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Nr. 32

JUGEND

1896

Aber ein kluger Mann hat mehrere
Eisen im Feuer. Als flotter Cavalier schon
hatte Valentin angefangen, zeitweilig Stürme
auf das Herz des Fräulein Rosa Schwart-
mann zu unternehmen, einer überaus
rundlichen Dame von 28 Lenzen, die kaum
mehr als 125 Kilo wog, aber jedes Pfund
ihres Bruttogewichtes netto durch einen
blanken Tausender ausgleichen konnte.
Als Valentin seine letzte ererbte Obli-
gation in Angriff genommen hatte, erklärte
er der schönen Rosa die Sehnsucht seines
Herzens und erhielt ihr Jawort.

Es war eine etwas derbe, aber gesunde
Familie, in deren Schooss Valentin auf-
genommen wurde; in der ganzen Ver-
wandtschaft wurden nur nahrhafte Berufs-
arten gepflegt. Da gab es Wein- und Bier-
restaurateure, Schnapsbrenner, Metzger-
meister und Viehhändler. Der Aristokrat
der Familie war Rosa’s Vater, der ein
weitberühmtes Charkutiergeschäft betrieb.

Ein Jahr nach der Hochzeit sollte ich
unseren Freund Wiedersehen, im Voraus
schon auf eine entsprechende Metamor-
phose gefasst. Aber die Thatsachen über-
trafen meine kühnsten Erwartungen um ein
gutes Stück. Wie sah eraus! Erhalte seinen
Körperumfang fast verdoppelt, feist und
roth strahlte sein Gesicht und mit seinem
pomadisirten, nach aufwärts gedrehten
Schnurrbart sah er aus wie das Urbild
des Schweinezüchters aus dem „Zigeuner-
baron.“ Die „Sechser“ waren über den
Ohren kunstvoll nach vorne dressirt und
ringelten sich in zierlichen Schnörkeln an
den Schläfen hinauf. Knallroth war die
Cravatte, und ein Brillant funkelte in ihr,
so gross, wie eine kleine Semmel. In
Valentins Magengegend baumelte eine
schwere Goldkette mit unmöglichen Ber-
lognes — und die Stiefel, die Stiefel! Ein
zweistrophiger Hymnus auf die solide Ar-
beit! Geräumig, tadellos glatt, gegründet
auf zweifingerdicke prima Doppelsohlen,
knarrend,funkelnd in so herrlicherSchwärze,
dass bei unserem Wiedersehen meine erste
Frage die nach seiner Bezugsquelle für
Stiefelwichse war. Und am Zeigefinger trug
er einen dicken Siegelring. Und sein Anzug

war hellrothbraun mit dunkelbraunen Car-
reaux. Und hinterm Ohr hatte er ein Vir-
ginia-Stroh stecken. Und das Geld trug
erlöse in den Hosentaschen. Und er sprach
mit breitem Behagen von seiner Rosl, seiner
Liesl, seinem Hansl und seinem Schorschl.
Die Rosl war seine Frau, die Liesl eine hell-
braune Stute, der Hansl sein Hühner-
hund, und der Schorschl sein Erstgebor-
ner. Er sprach von seinem Zeugl, seiner
Jagd, seinem Haus, seiner Villa, einem
Grundstückhandel, bei dem er 50,000 Mark
gewonnen — er war ein Prachtexemplar
von einem Protzen geworden. Der liebe
Gott hat kein schöneres in seinem ganzen
Thiergarten.

Das ist die letzte Umwandlung und An-
passung des Herrn Valentin Bäumle, die ich
beleuchtet habe, und wird wohl auch, wie die
Dinge liegen, einstweilen die letzte bleiben.

Es müsste denn sein, dass ihn ein-
mal widrige Winde auf eine wüste Insel
zu Kaffem und Cannibalen verschlagen.
Dann allerdings wird er in Kürze ein
waschechter, kohlpechschwarzer Mohr und
lernt das Menschenfressen.

Denn sein Verwandlungstalent ist ohne
Grenzen: er ist ein wundervolles Beispiel
von Mimicry.

Einer unserer gemeinschaftlichen Be-
kannten, der mir durch seine ungebildete
Ausdrucksweise manchen Kummer ver-
ursacht, nennt ihn allerdings kurz und un-
wissenschaftlich einen Schweinehund!

Wie man nur so grob sein kann!

DICK.

Hntrittsvhsite

JiClelcb ©eglöcfcel, welcb Gebimmel
Klingelt meinen Werg heran?

Kommt der alte Lebellensebimmel
Aener guten Fee Morgan'?

Lind der Ibtmmel! Dein, derDimmel!
Lebt doch nur den Dtmmel an!

Mar er grau nicht noch soeben?

Und jetzt ist er glüh und klar!

Sollt' es beut noch Münder geben?
Dein, dies ist nicht wunderbar:

Durch die jungen schwanken Kcben
Kommt ein junges Lbepaar.

Mtto Jul. Bierbaum

?*•

Warnung

Wem Du nicht trau’n darfst, soll ich Dich

belehren?

Dem Buch, in dem die Worte „offenbar“
Und „augenscheinlich“ mehrfach wieder-
kehren,

Dem Politikmann, der durch zwanzig Jahr’
Sich für dasselbe Ideal erwärmt,

Der Wittwe, die von ihrer Ehe schwärmt.
Und Einem noch, ich sag’s Dir in’s Gesicht:
Vertrau’ auf Dich, — doch trau’ Dir selber

nicht.

V. d. H.

?*

Naturgeschichte

Das Hühnchen sprach: Ich möchte Eier

legen.

Das Hähnchen drauf: Je nun, von meinet-
wegen.

Sie paarten sich, die Eier wurden gross
Und Heim’ und Hahn, — dann ging’s von

vorne los.

Und bis die Erde stille steht,

Es immerfort so weiter geht.

v. d. H.

Tb

Fein

Unteroffizier (dein verboten wurde, starke
Ausdrücke zu gebrauchen): „Einjähriger, Sie
können eher durch ein Nadelöhr gehen, als
daß Rothschild in den Himmel kommt."

E. R.

Zerstreut

Professor: Na, wie geht’s, lieber Freund? Was
macht Ihre Frau?

Herr: Aber, Herr Professor, ich habe ja doch
keine Frau —

Professor: Ach richtig! Na, dann gratuliren
Sie ihr in meinem Namen ! w. L.

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Naturgeschichte
[nicht signierter Beitrag]: Fein
[nicht signierter Beitrag]: Zerstreut
Arpad Schmidhammer: Vignette
Otto Julius Bierbaum: Antrittsvisite
Richard Gudden: Die schlummernden Triebe im Menschenhirn
[nicht signierter Beitrag]: Warnung
 
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