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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 44 (31 Oktober 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3224#0280

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schaufelten sie ein altes Grab aus, über
dem eine verwitterte Gedenktafel, ein
Ritter in Helm und Harnisch, in die
Mauer eingelassen war. Und Seine
Hochwürden sahen am nächsten Mor-
gen mit Erstaunen und Freuden, wie
eine milde Hand den vergessenen Hü-
gel über Nacht heimlich mit Blumen
geschmückt hatte, und betete Gottes
Lohn auf sie herab. Und es waren von
Arm-Seelchen gezogene Nelken und
Geranien, die da blühten.

Des Frühlings Opferdämpfe stiegen
in blauen Wolken auf, über den See
gingen gleich weissen Faltern die Se-
gel, und eine Schwanenschwinge tauch-
te in den Dunst der Ferne. Der schwar-
ze Hans stand auf dem Gottesacker,
als letzter des Fähnleins. Sie waren
gefallen, die Gefährten, nachdem sich
Arm-Seelchen, sich und sie, so eigen-
willig dem Tod ergeben — einer mit
dem andern, so bald, dass nicht ein-
mal von all dem irrenden Elend der-
weil auch nur einer der freien Plätze
gefunden worden wäre.

Am Grabe Arm-Seelchens sank der
schwarze Hans in die Knie. Das Aeff-
lein thronte auf der Mauer, über dem
Ritterbildniss, eine Rose zwischen den
Zähnen. Und boshaft blinzelte es zu
dem schluchzenden Manne nieder, pack-
te einen überhängenden Hollunder-
zweig und schüttelte den. Die weis-
sen Sternlein flogen dem schwarzen
Hans in das zu einer toll grinsenden
Grimasse verzerrte Gesicht, und es
war, als grinse wider all die blühende
Pracht der Tod. —

Kleine Münze

Resignation

„Ls fiel ein Reif in der Frühlingsnacht",
ksat alle Knösplein zu Tode gebracht,

Der häßliche Lenzbezwingcr.

Ls fiel ein „Reif" in die Liebespracht,

Hat allen Träumen ein Ende gemacht:

Ich trag' ihn geduldig am Finger!

«3 3uKenit-

Todeskämpfe find für die am härtesten,
welche nie Lebenskämpfe geführt haben. 3. ©.

Stammbudpers

Alles für künftig,

Aber schon jetzt:

Das heißt vernünftig

Die Zeiten geschätzt. ß. Schm.

OO

Das Beste, was uns zngcmeffen,

Das ist das Hoffen und das vergessen 1



Das Glück

Fragst mich, wo das Glück mag wohnen —
Sag' Dir die Antwort bündig und gut:
Träume Du nicht von verlorenen Kronen,
Nächtlich durchscheinend des waldfee's Fluth.
Such' Dich nicht miid' nach der blauen Blume,
Die in welteinfamcr wildniß glüht,

Glaub' es auch nicht Deiner alten Muhme,
Daß in der Felswand ein Goldschatz glüht.
Träume nicht, halte die Augen offen,

Jedem begegnet einmal das Glück,

Kommt Dir's entgegen, dann fei nicht betroffen,
Laß' es vorüber nicht, weich' nicht zurück;
Lach' es frisch an und thu' nicht erschrocken,
Sprich Deinen Spruch, 's ist die richtige Stnnd',
Pack' es beherzt bei den goldenen Locken,
Küß' es nur keck auf den blühenden Mund.

Langheinrich.

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Register
Julius Diez: Bilderrahmen Fin de Siècle
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Münze: Aphorismen und Epigramme
Franz Langheinrich: Das Glück
 
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