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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 49 (5. Dezember 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3224#0363
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Nr. 43

K

i

1896

JUGEND

Auf dem See

Einsam steur’ ich meinen Nachen
Auf der seidenblauen Fluth.

Nie belauscht’ ich solchen Friede”,
Solche Stille, hauchgemieden,

Rein in reinster Berge Hut.

Still ist meine Seele!

Abendfeierlich Verstummen
Märchenstiller gold’ner Welt!

Rings von fernen Lebenschören
Nicht ein Laut, das Glück zu stören,
Das im Traum den Athem hält. —

Still ist meine Seele!

Alle Schönheit, die versunken
Aus der lichten Tiefe blinkt, —

Tiefer scheint sie aufzuglühen,

Dass des Tages letztes Blühen
Liebervoll mein Auge trinkt.

Still ist meine Seele!

Licht der Himmel, licht die Tiefe,
Feierlichste Rosenpracht!

Tiefer blaut der Thäler Ferne,

Milde blinken erste Sterne,

Milde sinkt die schönste Nacht.

Still ist meine Seele!

WILHELM WEIGAND.

Gedanken

Die unnöthige Frage ist die Mutter der

Nothlüge. G- H-



Das Unerträglichste auf der Welt ist,
einem Elenden zu Dank verpflichtet sein;
aber wenn wir dem Edlen dankbar sein
dürfen, so erweist er uns damit eine neue
Wohlthat.



Wenn die unsauberen Leute einmal
reinlich werden, dann übertreiben sie
immer. Das gilt auch in moralischen
Dingen. Und sobald sie ein Bad ge-
nommen haben, erzählen sie’s.



Talente können einander wohl ver-
dunkeln, nicht aber Genies. Blau ist nicht
schöner als Roth, und die Luft ist nicht
besser als das Wasser. otto ernst.



Ein Körnchen wohlmeinender Grobheit
thut oft besser als ein Scheffel Schmei-
cheleien. v. o.

Fran\ i'homa (Muwnenj.

7??

Lebensregeln

(nach den Lehren des indischen Buches
»Hitopadesa«)

Villst Du Deinem Nächsten helfen, sag' ihm,
wo er fehlt.

'och, wer strebt sich selbst zn nützen — was
er sieht, verhehlt.

Aahl', dann darfst D» reden dumm,
Alles hört voll Andacht stumm.

Doch, wenn klug ein Armer fpridjt.
Lauscht man selten solchem wicht.

7??

3» Echilda ward ein Rennpferd an eine
Droschke gespannt.

Das ist durch Straßen und Gaffen wie toll
dahin geraunt.

Die Droschke ging in Scherben, der Rutscher
brach das Bein.

Lin Rennpferd kann gar niemals ein Droschken-
klepper sein.

Ein (Ddjfe trollte auf einer wiese umher.
Eine Biene saß in einer Blume und sammelte
bfonig. Sie flog nicht fort, als der Vchse kam.

„Er weiß ja, daß ich ehrliche und nutz-
bringende Arbeit verrichte, und überdies wird
er die Schönheit und den Duft der Blume
achten."

Der Bchse trat die Blume nieder. Die
Biene war todt.

Geschah ihr recht.

Man muß einem Vchsen nichts Zutrauen,
was über feinen Begriff geht.

Rar! Canera.


2Ute Liebe

wie um die Zeit der Acbenblüthe
Der wein sich im Gefäße regt,

Ss hältst Du, heute noch Erglühte,
wie neuer Frühling mich bewegt.

So jung noch diese späte Stunde,
wie eine Bnospe std) erhebt,

Wie blühend warm von Mund zu Munde
Im ersten Buß die Lippe strebt.

g. G. Fischer.
Register
[nicht signierter Beitrag]: Aphorismen und Epigramme
J. G. Fischer: Alte Liebe
Karl Tanera: Lebensregeln
Franz Thoma: Zierleiste
Wilhelm Weigand: Auf dem See
 
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