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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 1.1896, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 52 (26. Dezember 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3224#0423
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iÖ96 * JUGEND * Nr. 52

Jc> 0/51 (£>•! Artur tlalmi (München).

„Das bezweifle ich!" meinte der Papagei.
„Du hast im Zorn gerichtet und der Ge-
richtete hat dies strenge Urtheil nicht ver-
dient. weißt Du, wie man die Leute
nennt, die Andere umbringen?"

Der Sultan aber weinte bitter vor
Reue und auch der Trost war bitter, den
der Vogel gab:

„Du bist aber ein Sterblicher wie alle
Ander» und begehst Sünde» und Thor-
heiren wie sie!"

Der Sultan gab seinem Volke weise
Gesetze und richtete fürder nicht mehr nach
Willkür. Dem Vogel lietz er vom geschick-
testen Goldschmied des Reiches einen Räfig
bauen, so schön er nur zu machen war.

Das Volk aber gewann seinen junge»
Fürsten immer mehr lieb. Nicht blos die
Schranzen nannten ihn jetzt gerecht und
weise. Die sogar am Allerwenigsten.

Es kam ein Rrieg mit dem Nachbar-
lande und der Feind erlag in vielen blutigen
Schlachten. Mit strablcndem Antlitz, den
Lorbeer um den Helm, kehrte der siegreiche
Sultan nach Hause zurück, während er den
Harnisch abschnallre, fragte er den Vogel:

„Nun, bist Du jetzt mit mir zufrieden?"

„Deine Lrieger haben sich wie Bären
geschlagen", spottete der Vogel, „aber laß
einmal Deine Rlinge sehen I Sind Scharten
darin?"

Der Sultan besann sich, wie er den
Schlachte» eigentlich stets aus sicherer Ferne
zugeschaut. Mir zitternder Hand löste er-
de» Lorbeer vom Helm und warf ihn hin.

„Du hast Recht I" sagte er.

Und mehr als je hielt er das Geschenk
der Fee in Ehren.

Nicht viel besser ging es ihm ein ander-
mal, als er sich rühmte, ein großes Werk
der Staatskunst zu seines Volkes Wohl
vollbracht zu haben. Da gab ihm dcc
Papagei eine gar bittere Pille zu kosten:

„Ja, cs war brav von Dir, einzu-
willigen in das, was Dein gescheiter Groß-
vezier in vielen schlaflosen Nächten ersann.
Es war wohl ein gewaltiges Stück Arbeit,
Deinen Namen utiter jenen Vertrag zu
setzen ?"

Und auch das ließ sich Abdallah gefallen
und streichelte den treuen Vogel, der ihn
zu keiner Selbstüberhebung kommen ließ.

Uebrigens harre der Sultan eine kleine
Schwäche. Er machte Verse und las sie
anderen Leuten vor.

Einmal hatte er einen Heldengefang
fertig zum Lobe seiner Ahnen und glaubte
sicher, etwas recht Schönes zu Stande ge-
bracht zu haben.

„Firdusi war ein Waisenknabe neben
Dir", sagten die Hofleute, die das Larmen
zu hören bekamen.

Da wurde der gekrönte Dichter seiner
Sache so sicher, daß er das Gedicht auch
seinem wahrheitsliebenden Papagei vor-
las. Bis jetzt harre er — aus Gründen —
dem Vogel seine Liebhaberei ängstlich ver-
borge».

„Nun, wie findest Du meine Gesänge!"
fragte Abdallah, als er geendet hakte.

„Miserabel!" gab der Vogel zur Ant-
wort. „Das holpert und stolpert ja kläg-
lich. Und von Empfindung keine Spur —
versifizirte Weltgeschichte, weiter nichts!"

„Das ist stark!" rief der gekränkte
Dichter.

„Aber wahr! Uebcrlasse doch solche
Dinge Leuten, die sie verstehen!"

„Sage das nicht noch einmal!"

„Ja! Du machst Dich lächerlich!"

Bis jetzt harke der Fürst alle die groben
Wahrheiten, die ihm der Papagei sagte,
dankbar enrgegegenommcn. Jetzt aber ver-
ließ ihn die kluge Besinnung.

Er stürzte auf den Räfig los, drehte
dem Vogel den Hals um und rief würhcnd:

„was zu viel ist, ist zu viel!"

Hoffentlich hat die gute Fee dem Sultan
einen neuen Papagei geschenkt zunr nächsten
Geburtstag.

Alte Liebe rostet ja bekanntlich nicht.

S. v. <v.

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Arthur Lajos Halmi: Prosit
 
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