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Nr. 27

JUGEND

Die fackel

So tauchte die packet empor aus tiefer, tiefer facht,

Ünd meine Hand, die Xinl^e, hielt den packelschaft —

Sie trug und hielt die flamme hoch und Hess den Slurrn
Zerfetzen diese flamme, die doch nimmer starb.

ün\ Chale lagerte die kalte finsterniss.

Viel scheue )\uger\ wachten da und sahen her
Zu mir, weil ich die üeuchte in der üinken trug,
poch selber sah ich uur die jVTücker\ in dern rothen Glanz,
pie Eintagsfliegen, die sich flatternd in den Schein gedrängt —
Ünd ahnte nicht, wie meine fackel drunten vohl
"Weithin vergöttert wurde wie ein Sternenlicht.

i^om, 15. ;Mai 1897. Otto €rich Tjartteben.

Von C. Biebig

M^ben in das schmale Fenster der Mägdestube fielen die Sonnen-
strahlen schräg. Es ging auf fünf Uhr Nachmittags.

Grcthe Albrecht hatte lange mit dem Abwaschen zu thun gehabt.
Geheimraths hatten Sonntags immer eine alte Tante zu Tisch und
einen jungen Neffen, den Referendar, eine Partie für Fräulein Clärchcn.

In der engen Kammer, drin grade ein eisernes Bettstcll, ein Stuhl
und ein Waschständer Platz fanden, roch cs nach Seife und Pomade.
An den weißgctünchteu Wänden hingen die Kleider an Nägeln, aber
das Sonntagskleid war hernntergenommen, es lag ausgespreizt über'm
Bett. Frischgrün war es, mit großen gelben und rosa Blumen; Grcthe
glaubte uie ein schöneres besessen zu haben. Auch der Hut prangte
daneben, ein kühn aufgekrcmpter, weißer Hut mit Vergißmeinnichtkranz
und Straußenfeder.

Grete wusch sich, daß die Seifenflocken spritzten, und rieb dann
mit dem groben Handtuch heftig daS Gesicht; die Backen glänzten wie
lackiert, aus dem kleinen stockfleckigen Spiegel leuchtete ihre blaurothe
Farbe wider. Nun wurde gekämmt, langes straffes Haar, dessen
Blond rostfarbene Stellen zeigte vom Wasserstrählen; die Brennschcere
mühte sich umsonst, die abgeschnittenen Stinrsransen zu kräuseln, das
starkdrtthtige Haar wehrte sich gegen den Lockcnzwang und krümmte sich
nur an den Spitzen aufwärts.

Jetzt war die Frisur fertig; das frischgrüne Kleid senkte sich über
die breiten Schultern und krachte in alten Nähten, wie die Magd sich
vor'm Spiegel drehte und mit den vom Spülwasser aufgeguvllnen
Händen die Taiste herunter preßte. Solch ein Staat! Sie war ganz
versunken in ihren Anblick — was Er wohl sagen würde?!

Ein Pfiff kam unten vom Hof herauf; Grcthe fuhr zusammen —
das war Er!

Hastig streckte sic den Kopf durch's schmale Fenster; da klappte auch
drüben, ein Stockwerk tieser, das Mägdefensterchen, eine hohe, halb noch
kindliche Stimme rief ihr zu: „Sind Sie endlich fertig, Grcthe?"

Das war die Auguste, ihre Freundin, bei Banquiers. Die Guste
war schon lange fertig, die war Hausmädchen und hatte mit dem Ab-
waschen nichts zu thun; die hatte es bequemer als eine, die ,sür alles' dient.

„Ich komme," schrie Grethe und stülpte den Bergißmeinnichtbe-
kränztcn auf. Das Helle Stosfpelerincheu über'm Arm, sich die Glaces
auf die dicken Finger zwängend, eilte sie die Hintertreppe hinunter.
Den Hausschlüssel fühlte sie in der Tasche — er schlug ihr bei jedem
Tritt gegen die Lende — sie war freudig erregt. Der Nachmittag lag
verheißungsvoll vor ihr, und daun der Abend —! Bis zwölfe konnte
sie ausbleiben. „Genießen Sie das schöne Weller auch mal," hatte
die Geheimrttthin gesagt, und Fräulein Clärchcn und der Herr Referendar
blinzelten sich lächelnd dabei an, als hätten sie auch was Besonders vor.

Seit drei Monaten ging die Grethe mit ihm; er war ihr Erster,
wenn sie auch schon stark in die Zwanzig zählte. Und hübsch lvar
er und jung und bei Kuleke im Matcrialwaarengcschäft, und ihr Bräuti-
gam >var er! Sie wollten sich heirathen.

4S°
Register
Ephraim Moses Lilien: Randleisten
Clara Viebig: Rother Mohn
Otto Erich Hartleben: Die Fackel
 
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