Nr. 27
JUGEND
Wenn man Zpczitilistcn befragt
von Alfred af Bedcnftferna (Stockholl»-).
Aus dem Schwedischen übersetzt von <£. Brause-
weiter.
IDir saßen, einige Freunde, zusammen und
gaben uns mit einem billigen, berauschenden Ge-
tränkc ab, wie es sich in einer Zeit gezicint, da
kein Mensch wissen kann, wann wir hier ein
absolutes Trinkverbot bekommen und man, um
ein Lholeraschnäpschen zu bekommen, seine Zu-
flucht z» den Lau sie LoIo-;ne-Flaschen seiner
Mütter, Schwestern oder Tanten nehmen muß.
Da sagte Rechtsanwalt Iausso», Inhaber
des juristischen Bureau's in Krähwinkel:
„Die eine Zehe thut mir so verdammt weh,
daß ich mich int ganzen Körper unbehaglich
fühle."
„Das sind vielleicht rheumatische Schmerzen
oder Frostbeulen, oder haben Sie zu enge
Schuhe an?" meinte ich, der ich viel in meinem
Leben dnrchgcmacht und viel mit Aerztcn ver-
kehrt habe und bisweilen zuhöre, wenn mein
Junge für die zweite Klasse Naturgeschichte
lernt, und darum habe ich auch ein bischen
Einblick in den Bau des Menschcukörpers.
„Nein, es ist nur die Zehe. Ls schmerzt
aber so, daß ich rein glaube, der Teufel soll
mich holen," sagte der Rechtsanwalt.
„Das wird er natürlich auch, denn früher
oder später holt er alle Advokaten," sagte
Pillenberg, der Apotheker, „oder bist Du noch
so grün und unerfahren, daß Du wohl meinst,
Du seist keine passende Gesellschaft für so
einen alten und einsichtsvollen Herrn, sondern
müßtest noch länger hier unten im Iaiumer-
thal dahin wandern? Statt dessen solltest D»
lieber bei Zeiten einen Spezialisten wegen
deiner Zehe befragen."
„Ja, das werde ich schon morgen thnn,
denn das halte ich nicht länger aus," meinte
Iansson.
„Ist das wirklich Dein Ernst?" fragte
Petterson, der von seinen Reuten lebt und
darum schlicht und kurz „Herr Petterson" ge-
nannt wird.
„Ja, meiner Seel', so ist es!"
„Ja, dann muß ich die Herren bitten, ge-
meinsam mit mir einen Abschicdsbecher für
Freund Iausson zu trinken und ihm für all'
die heiteren Stunden zu danken, die wir zu-
sammcn verlebt haben, und ihm Lebewohl zu
sagen," meinte Herr Petterson.
„was redest Du da für Blech?"
„Ja, ich kenne das! Ich habe selbst
Spezialisten befragt. Das wird eine böse Ge-
schichte. wollt Ihr vielleicht hören, wie es
mir ging?"
„Äch ja, wenn Du Dich kurz fassest und
nicht mehr als siebzig Prozent dazulügst."
Da erzählte Petterson Folgendes:
,,,,3» der guten, alten Zeit, da man einen
Doctor für den ganzen Körper hatte, da ging
cs ganz gut, denn, wenn er die Brust beklopft
hatte und an den Lungen gehorcht und man
gcathmet und gehustet hatte und alle feine
Sünden bekannt und seine «Dualen geschildert,
daun bekam man seine Dosis, große oder kleine,
billige oder theuere, je nachdem uud in wie
weit er mit dem Apotheker gut Freund war;
und dann trat immer einer der folgenden drei
Fälle ein; entweder man starb oder man wurde
gesund, oder man lebte weiter, ohne gesund zu
werden.
Aber nun, da die Doctorcn uuseic Leibs'
eingctheilt haben, wie eine Speiscwirthin c»'
altes Huhn an sieben Pensionärinnen U""
einen philosophischen Kandidaten vertheili,
da nimmt das Elend niemals ein Ende.
Ich befand mich ganz vortrefflich vor siebe"
Jahren, als ich eingeladen wurde, bei meinen'
Vetter Petterson auf Sandberg eine Wo»!'
lang Stachelbeeren z» essen und Luten 3"
schießen. Als ich drei Tage dort war, bcka»>
ich aber schreckliches Herzklopfen. Ich fragst
den Landarzt im nächsten Dorf, er lachte nück
aber nur aus uud sagte, mir fehle nichts.
„Habe ich nicht ein zu großes Herz, lict,[
Doctor? Ich habe gerade so eine Empfindung-,
„6a, ha, ha! Eher ein zu kleines!
nudvierzig Jahre alt und ein wohlhabciids'
Mann und nicht einmal verhcirathet," grinl^
der Dorfqnacksalbcr.
„Du solltest dich an einen Spezialisten wc>''
den, wenn cs nicht besser wird," sagte Ein»'"'
die Frau meines Vetters.
Ja, das Leben ist ja das Theuerste,
man hat, wenn man nicht Frau noch K>>"
besitzt, und so reiste ich denn z» einem 5PC!
zialiften für Herzkrankheiten. Er hatte
mehr neue und blanke Hörrohre uud Stctho'
skope, oder wie man sie sonst nennt, als
Dorfarzt, und ich mußte mich splittern«""'
ausziehen, und er behorchte mich von vor''
und von hinten."
„Hm . . . hin . . . hm . . . und das >!
nichts, sagte Doctor Linsen?" murmelte er. ,
„Um Gottcswillcn, sagen Sie mir gleich
einmal die Wahrheit! werde ich bald sterbe»'
rief ich. , .
«Ja, ja, hätten Sie nicht so bei Zeiten et»"'
Spezialisten ausgesucht, dann ....
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JUGEND
Wenn man Zpczitilistcn befragt
von Alfred af Bedcnftferna (Stockholl»-).
Aus dem Schwedischen übersetzt von <£. Brause-
weiter.
IDir saßen, einige Freunde, zusammen und
gaben uns mit einem billigen, berauschenden Ge-
tränkc ab, wie es sich in einer Zeit gezicint, da
kein Mensch wissen kann, wann wir hier ein
absolutes Trinkverbot bekommen und man, um
ein Lholeraschnäpschen zu bekommen, seine Zu-
flucht z» den Lau sie LoIo-;ne-Flaschen seiner
Mütter, Schwestern oder Tanten nehmen muß.
Da sagte Rechtsanwalt Iausso», Inhaber
des juristischen Bureau's in Krähwinkel:
„Die eine Zehe thut mir so verdammt weh,
daß ich mich int ganzen Körper unbehaglich
fühle."
„Das sind vielleicht rheumatische Schmerzen
oder Frostbeulen, oder haben Sie zu enge
Schuhe an?" meinte ich, der ich viel in meinem
Leben dnrchgcmacht und viel mit Aerztcn ver-
kehrt habe und bisweilen zuhöre, wenn mein
Junge für die zweite Klasse Naturgeschichte
lernt, und darum habe ich auch ein bischen
Einblick in den Bau des Menschcukörpers.
„Nein, es ist nur die Zehe. Ls schmerzt
aber so, daß ich rein glaube, der Teufel soll
mich holen," sagte der Rechtsanwalt.
„Das wird er natürlich auch, denn früher
oder später holt er alle Advokaten," sagte
Pillenberg, der Apotheker, „oder bist Du noch
so grün und unerfahren, daß Du wohl meinst,
Du seist keine passende Gesellschaft für so
einen alten und einsichtsvollen Herrn, sondern
müßtest noch länger hier unten im Iaiumer-
thal dahin wandern? Statt dessen solltest D»
lieber bei Zeiten einen Spezialisten wegen
deiner Zehe befragen."
„Ja, das werde ich schon morgen thnn,
denn das halte ich nicht länger aus," meinte
Iansson.
„Ist das wirklich Dein Ernst?" fragte
Petterson, der von seinen Reuten lebt und
darum schlicht und kurz „Herr Petterson" ge-
nannt wird.
„Ja, meiner Seel', so ist es!"
„Ja, dann muß ich die Herren bitten, ge-
meinsam mit mir einen Abschicdsbecher für
Freund Iausson zu trinken und ihm für all'
die heiteren Stunden zu danken, die wir zu-
sammcn verlebt haben, und ihm Lebewohl zu
sagen," meinte Herr Petterson.
„was redest Du da für Blech?"
„Ja, ich kenne das! Ich habe selbst
Spezialisten befragt. Das wird eine böse Ge-
schichte. wollt Ihr vielleicht hören, wie es
mir ging?"
„Äch ja, wenn Du Dich kurz fassest und
nicht mehr als siebzig Prozent dazulügst."
Da erzählte Petterson Folgendes:
,,,,3» der guten, alten Zeit, da man einen
Doctor für den ganzen Körper hatte, da ging
cs ganz gut, denn, wenn er die Brust beklopft
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gcathmet und gehustet hatte und alle feine
Sünden bekannt und seine «Dualen geschildert,
daun bekam man seine Dosis, große oder kleine,
billige oder theuere, je nachdem uud in wie
weit er mit dem Apotheker gut Freund war;
und dann trat immer einer der folgenden drei
Fälle ein; entweder man starb oder man wurde
gesund, oder man lebte weiter, ohne gesund zu
werden.
Aber nun, da die Doctorcn uuseic Leibs'
eingctheilt haben, wie eine Speiscwirthin c»'
altes Huhn an sieben Pensionärinnen U""
einen philosophischen Kandidaten vertheili,
da nimmt das Elend niemals ein Ende.
Ich befand mich ganz vortrefflich vor siebe"
Jahren, als ich eingeladen wurde, bei meinen'
Vetter Petterson auf Sandberg eine Wo»!'
lang Stachelbeeren z» essen und Luten 3"
schießen. Als ich drei Tage dort war, bcka»>
ich aber schreckliches Herzklopfen. Ich fragst
den Landarzt im nächsten Dorf, er lachte nück
aber nur aus uud sagte, mir fehle nichts.
„Habe ich nicht ein zu großes Herz, lict,[
Doctor? Ich habe gerade so eine Empfindung-,
„6a, ha, ha! Eher ein zu kleines!
nudvierzig Jahre alt und ein wohlhabciids'
Mann und nicht einmal verhcirathet," grinl^
der Dorfqnacksalbcr.
„Du solltest dich an einen Spezialisten wc>''
den, wenn cs nicht besser wird," sagte Ein»'"'
die Frau meines Vetters.
Ja, das Leben ist ja das Theuerste,
man hat, wenn man nicht Frau noch K>>"
besitzt, und so reiste ich denn z» einem 5PC!
zialiften für Herzkrankheiten. Er hatte
mehr neue und blanke Hörrohre uud Stctho'
skope, oder wie man sie sonst nennt, als
Dorfarzt, und ich mußte mich splittern«""'
ausziehen, und er behorchte mich von vor''
und von hinten."
„Hm . . . hin . . . hm . . . und das >!
nichts, sagte Doctor Linsen?" murmelte er. ,
„Um Gottcswillcn, sagen Sie mir gleich
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«Ja, ja, hätten Sie nicht so bei Zeiten et»"'
Spezialisten ausgesucht, dann ....
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