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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 2.1897, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 30 (24. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3210#0060

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1897

JUGEND

Nr. 30

Jhr Vuchs ist vis die Ceder schlank,

Pas Köpfchen trägt sie frei und /rank,
Geschmückt mit schweren flechten.

Bei /»ah! Venn dem Herrn der Veit
Per Ceder schlanker Vuchs ge/ällt,

Ver wollte mit ihm rechten ?

Gr schaut ihr freundlich ins öesicht.
„Kein, soviel Schönheit preist man nicht
Jm allerlängsten .Siede 1“

Sie aber flüstert: ,,£ass’ mich geh'nl
€s könnte uns die fürstin seh’n,

Pie strenge Zobe'ide.“

Harun wirft schnell die ühüre zu

Gnd spricht: „Mein pind, was zitterst Pu?

Pu stehst in meinem Schutze.

Viel schöner bist Pu ohne ^Zier,

/ts Peine Herrin — glaube mirl —

Jn ihrem reichsten putze I“

Cr lispelt: „Grosser fürst, vergieb!
Ver lügt, las ich, sei auch ein pieb,
J)a musste ich mich schämen!

Sch log pich heute schändlich an,
/dein Thier ist nicht aus Teheran,
Cs stammt vom .Sande Jemen I“

Cr geht hinaus. Pas Mädchen weint
Koch bleich vor furcht. Per Herrscher meint
Gmsonst sich zu bemühen.

Cr nennt sie pose, perle, Glück,

Qnd langsam, langsam kehrt zurück
per Vangen zartes Glühen.

Pa klopft es an die Pforte leis',

Per Herr der Veit wird kreideweiss,

Pen Blick zur Thür' gerichtet.

Per Sklave Jussuf kriecht herein,

„0 fürst,“ stöhnt er, „Pu musst verzeih'».,
Pass ich Pir falsch berichtet I

Heut' fragtest nach den Zähnen Pu,

Mir liess der Zweifel keine puh',

Prum ging ich nachzuschauen.

Qnd siehe dal Jch irrte doch!

Pie Veisheitszähne fehlen noch
Pem huldbeglückteg Grauen I“

Cr geht. Harun der Tapfre lacht,

Qnd seine alte £ust erwacht,

Pas schöne V^ind zu necken.

Pas Mädchen aber lächelt 'nicht,

Jm Schleier birgt sie das Gesicht,

Zu tief traf sie der Schrecken I

Klild spricht der Herrscher auf sie ein,
Pass er das kleine Herz von Stein
/^u sanfter Regung rühre.

Gr fasst das Händchen, weiss und zart,

Pa pocht's — bei des Propheten Bartl —
Von Meuom an die Thüre.

»Pie fürstin ist'sl Herr, lass’ mich los!“
/echzt fatime. Pie /ngst ist gross,

Gs bebt der Herr der Grde.

Per Sklave naht zum zweitenmal,

Bedächtig tritt er in den Saat
Mit reuiger Geberde.

Gm ihren Xeib schlingt er den /rm,
pis zu den Schläfen wird's ihm warm,

Gr füh» des Blutes Jochen.

Jhr B»ck, von Jüust und Scham verschönt,
Verheisst ihm Glück — da plötzlich tönt
Zum drittenmal das pochen I

Jch hab' im Buche nachgcsch’n,

Vo fünf statt vier der Drachmen steh'n,
Jch kann pir's schriftlich zeigen!“

Per Herrscher stutzt. Gr lacht und denkt:
Die pattein sind mir nicht geschenkt,

Jn Zukunft will ich schweigen!

Gntsetzt lässt er das Mädchen frei,
pa stürzt auch Jussuf schon herbei
Gnd wirft sich ihm zu füssen.

Gr stöhnt: „Vas ich vom preis erzählt,
Var leider falsch- Hab' ich gefehlt,

So lass', o Herr, mich büssen!

Gnd wie er in Gedanken steht,
puft der Muezzin zum Gebet,
iaul schatlt's ob allen Gassen.

Jst's auch dem Herrn nicht angenehft —
für heute muss er den Harem
Qnd fatime verlassen 1

5°S
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Julius Diez: Zeichnungen zum Gedicht "Die drei Datteln"
 
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